„Willst Du nicht wenigstens mit uns anstoßen?“ Robert deutete auf den Schreibtisch, auf dem eine beachtliche Auswahl an Getränken aufgebaut war. „Wir laden Dich ein.“
Da wo ich herkomme, schlägt man keine Einladung aus.
„Na gut. Aber nur einen. Dann gehe ich.“
„Wie Du willst,“ sagte Robert und deutete zum Schreibtisch, „bedien Dich. Wir haben zwar Eis aufgetrieben aber nicht genug Gläser. Ich glaub im Bad ist noch eines.“
„Kein Problem“, sagte ich und ging ins Bad. Dort fand ich ein Glas mit Rasierer und Zahnbürste auf dem Waschtisch. Das andere war in seinem Wandhalter. Mit offenem Mund starrte ich auf den Becher. In ihm steckte ein zusammengerolltes Bündel grüner Geldscheine.
Jeder hat einen Ort an dem er sein Bargeld ablegt, bis er es braucht. Vielleicht war dies Roberts Versteck. Ich nahm das Bündel. Meine Hände zitterten. Ich zählte. Es waren 25 Scheine √† 100 Euro. Auf dem letzten klebte ein gelber Notizzettel. Er war klein und quadratisch. Der Klebestreifen am oberen Ende war mit Flusen bedeckt. Man konnte ihn nur sehen, wenn man die Scheine aus dem Bündel nahm.
Ich las die Nachricht: „Trau Dich!“ In meinem Unterleib spürte ich ein Brennen. Mein Mund wurde trocken und obwohl es immer noch sehr warm war, fröstelte ich. Warum überlegte ich überhaupt? Wenn ich das Bündel zurücklegte war doch alles in Ordnung. Dann konnte ich einen Drink nehmen und mich verabschieden. Doch da war das Bündel Geldscheine in meiner Hand. Die Scheine waren neu und fest. Das Bündel hatte ein angenehmes Gewicht. Wann hat man schon so viele Geldscheine in der Hand, dass man ihr Gewicht wahrnimmt? Bestimmt dachte Robert, dass er mich mit dem Geld ködern konnte. Zum Glück wusste er nicht, dass für mich der Wert der Scheine keine Rolle spielte, sondern wofür die Scheine standen. Sie waren das Symbol meiner dunkelsten Fantasien.
Alles was ich dafür tun müsste war, aus diesem Bad zu gehen und... Ja und. Was dann? Ich dachte an die Männer dort draußen. Die dürren Brüder konnte ich mir noch vorstellen. Aber Ben war mir zu haarig. Und dann dieses kahlköpfige Muskelmonster. Heute morgen am Pool war er mir nicht aufgefallen. Henrik sah aus wie ein Skinhead, um dem man einen weiten Bogen machte, wenn einem sein Leben lieb war. Er machte mir Angst. Wer weiß, was die Burschen mit mir anstellten.
Doch daran wollte ich in diesem Moment nicht denken. Ich starrte auf das Geld. Meine dunkelste Seite hatte plötzlich eine Gestalt. Und ehe ich wieder klar denken konnte, hatte meine kleine schwarze Handtasche das Geld verschluckt. Alles was blieb, war ein kleiner gelber Zettel, der an meinem Zeigefinger klebte und mir sagte :“Trau Dich!“
„Hast Du das Glas gefunden Lea?“ Ich zuckte zusammen. Robert stand in der Tür und schaute mir in die Augen. Ich stand vor ihm wie ein kleines Kind, das beim Griff in die Keksdose ertappt wurde. In einer Hand hielt ich den gelben Zettel und in der anderen meine Tasche. Neben mir auf dem Waschtisch standen zwei Gläser. In einem waren ein Rasierer und eine Zahnbürste. Das andere war leer.
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