„Lust auf einen Punsch?“ Bridget tippte die Nachricht hastig in ihr Smartphone. Den ganzen Tag hatte sie mit sich gerungen. Sollte sie sich bei Dimitri melden? Sie zog es vor, wenn sich die Männer um sie bemühten und nicht umgekehrt. Aber im Falle von Dimitri machte sie eine Ausnahme.
Bridget wusste, dass Dimitri in diesen Tagen in der Stadt war. Das war selten genug der Fall. Schon zwei Mal musste das Date mit ihm verschoben werden, weil dem Herrn geschäftliche Termine dazwischengekommen waren. Geschäftliche Termine die wichtiger waren als Stunden der Zweisamkeit mit ihr, Bridget? Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein?
Schnell eilte Bridget in den nächsten Termin. Ein flüchtiger Blick auf das Smartphone, bevor sie es auf lautlos stellte: Keine Antwort. Der Kerl ließ sie zappeln. Zuerst schob er das Date auf und jetzt hatte er es offenbar nicht nötig, zeitnah auf ihre Nachricht zu antworten. Bridget beschloss, dass Herr Dimitri Superwichtig eine kleine Lektion verdient hatte.
„Ja, gerne. Heute um 17:45 beim Alten Rathaus? Leider habe ich um 19:00 den nächsten Termin. Sei also pünktlich!“ Das war die Antwort, die nach Ende der Besprechung auf dem Display von Bridgets Telefon erschienen war.
Fast hätte Bridget dem Kerl geantwortet, dass er ihr gestohlen bleiben kann. Er schob das Date mit ihr zwischen zwei Besprechungen ein wie einen lästigen Termin mit dem Steuerberater!?
Bridget bat ihre Assistentin Jennifer, alle Termine ab 16:00 zu übernehmen oder zu verschieben. Sie schnappte sich ihr Smartphone, die Handtasche und den Autoschlüssel und düste in das Penthouse in der City. Dort würde sie sich zurechtmachen. An diesem Abend würde sie so lecker aussehen, dass Dimitri seinen 19 Uhr-Termin garantiert verpassen würde.
Heute war die Wahl der richtigen Mode entscheidender denn je. Bridget beschloss, All-In zu gehen: Keine Kompromisse bei Make-Up und Mode! Sie war heute Abend der Köder und sie musste dafür sorgen, dass Dimitri zubeißen würde!
Bei den Dessous hatte Bridget die Wahl schnell getroffen: Ein schwarzes Strapsset sollte es sein. Das Hebe-Bustier ließ ihren Busen unbedeckt und präsentierte ihre Oberweite auf appetitliche Weise. Der Strapshalter saß perfekt auf ihren Hüften und betonte ihre Kurven. Der Ouvert-String lud zu einem schnellen Quickie ein, falls die Zeit tatsächlich knapp werden würde. Knapp waren die Dessous allemal; das Material schimmerte seidig und trug zur Opulenz ihres Looks bei. Schnell hatte Bridget die passenden Strapsstrümpfe gefunden.
Die Blondine betrachtete sich im Spiegel. Keine Frage: Wenn sie Dimitri dazu bringen könnte, ihr aus den Klamotten zu helfen, war er ihr ins Netz gegangen. In den Dessous sah sie zum Anbeißen aus!
Entscheidend war also die Oberbekleidung. Sie musste in Dimitri den unbedingten Wunsch wecken, sie zu entblößen. Bridget sichtete Röcke und Hosen, Kleider, Blusen und Shirts. Sie probierte und kombinierte sich durch die Garderobe. Versuchte die unterschiedlichsten Schuhe. Irgendwann merkte sie, dass ihr die Zeit davonlief. Sie ärgerte sich über sich selbst. Nur wenn es um Dimitri ging beschlich sie dieser Anflug an Unsicherheit. Ansonsten war sie, was ihr Auftreten betraf, viel abgeklärter und gelassener.
Bridget merkte, dass sie nervös wurde. Shit! Diese Nervosität passte gar nicht in ihr Selbstverständnis als toughe und souveräne Geschäftsfrau. Es war Zeit, sie musste sich entscheiden!
Als Bridget ihre schwarzen Overknees aus dem Kasten nahm, fiel ihr Blick auf den ebenso dunklen, langen Daunenmantel von Moncler. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass ihr Look ja schon komplett war! Ein teuflisches Grinsen manifestierte sich in ihrem Gesicht, ihr Augen begannen zu funkeln. Nur mit dem Strapsset bekleidet schlüpfte Bridget in ihre Stiefel und dann in ihren Mantel. Wenn der Reißverschluss hochgezogen war, war sie eine wohlsituierte Lady in einem eleganten, urbanen Winter-Look. Wenn sie aber den Reißverschluss öffnete, verwandelte sie sich schlagartig zu einem nymphomanischen Vamp.
„Na warte, du Bürschchen!“, sagte Bridget zu ihrem Spiegelbild. Dann schnappte sie sich Handtasche und Schlüssel. Es ging auf den Weihnachtsmarkt!
Der Klimawandel erleichterte Bridgets frivolen Auftritt. Vielleicht war es auch früher am 1. Advent nicht immer weiß, aber zwölf Grad plus – und das am Abend – hatte es sicher nur ganz selten gehabt. Heutzutage war das fast normal, und trotzdem war es Bridget ein wenig frisch im Schritt.
„Hallo Darling! Schön, dass wir es doch noch schaffen!“, begrüßte sie Dimitri. Er trug einen klassischen Wollmantel, dunkle Hosen und elegante Winterschuhe. Er sah blendend aus. Und wirkte entspannt. Man hatte nicht den Eindruck, als ob er einen stressigen Arbeitstag hinter sich hatte.
„Ich finde es auch toll, dass du mich zwischen zwei Terminen einschieben kannst!“, erklärte Bridget süffisant, lächelte dabei und blickte ihrem Dimitri kerzengerade in die Augen.
„Ich lade dich auf einen Punsch ein!“ Dimitri ignorierte Bridgets spitzen Kommentar und stellte sich am Punschstand brav in die Reihe der Wartenden. Wenig später kam er mit zwei dampfenden Tassen zurück. Er streckte Bridget ihre Tasse entgegen. „Du siehst übrigens blendend aus!“, bemerkte er mit einem schelmischen Augenzwinkern.
„Danke! Für den Punsch und das Kompliment. Wirklich sehr charmant!“ Wieder grinste Bridget Dimitri an. Ihre Antwort klang aber wie ein Musterdialog aus einem Kundengespräch mit dem Callcenter.
Der Tonfall, den Bridget anschlug, ihre Mimik und Gestik machten Dimitri klar, dass er sich heute Abend ins Zeug legen musste, wenn er Bridgets Herz einmal mehr für sich gewinnen wollte.
Bridgets Tasse war bereits leer. „Kannst du mir noch einen holen? Beschwipst vögelt es sich leichter!“, erklärte Bridget provokant. Sofort bemerkte sie, dass sie Dimitri genau dort hatte, wo sie ihn haben wollte: Er geriet in Verlegenheit, in eine Zwickmühle.
„Das mit dem Punsch geht natürlich in Ordnung! Aber das mit dem Sex geht sich heute unmöglich aus, sei mir nicht böse!“ Dimitri verzog das Gesicht. Bridget sah ihn streng an. Ihr Blick sagte mehr als tausend Worte. Es war ein drohender Blick.
Dimitri drückte Bridget seine halbvolle Tasse in die Hand und stellte sich wieder in die Reihe. Bridget überlegte. Sie schätzte die Chancen, dass sie heute eine Abfuhr bekam, auf 50:50. Kurzerhand leerte Bridget auch Dimitris Tasse. Der Punsch würde dabei helfen, einen Korb leichter zu ertragen.
Inzwischen war Dimitri mit dem frischen Getränk zurückgekehrt. Bridget tauschte die leere Tasse gegen die neue, noch dampfende. Dimitri registrierte irritiert, dass sich sein Getränk in Luft aufgelöst hatte, sagte aber nichts. Bridget hingegen grinste ihn schadenfroh an. „Oops, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte!“, sagte sie kichernd.
In der nächsten Minute standen die beiden schweigend nebeneinander. Bridget hatte das erste Mal das Gefühl, dass ein Date mit Dimitri ins Leere führen würde. Ihr beschwipster Übermut kippte urplötzlich in eine sanfte Melancholie. Ihre Affäre mit Dimitri hatte etwas unbeschwert Märchenhaftes gehabt. Sie hatte stets den Gleichklang ihrer Bedürfnisse und Gefühle genossen. Nun aber was das Spielerisch-Märchenhafte verschwunden und ihre Beziehung fühlte sich gerade furchtbar real an. Reale Beziehungen brauchten nämlich Kraft und Pflege und Einsatz und oft spießte es sich. Kompromisse wurden notwendig. Wenn Bridget an Dimitri dachte, wollte sie aber keine Kompromisse.
Keine Kompromisse.
Dimitri schien auch nachdenklich zu sein. Vermutlich suchte er nach einem Weg, wie dieser Abend versöhnlich zu Ende gebracht werden konnte.
„Liebling!“, begann Dimitri schließlich. Er hatte die leere Tasse auf einem Stehtisch abgestellt und stand nun direkt vor Bridget. Er fasste sie mit beiden Händen an den Hüften. „Wir können sicher in den nächsten Tagen…“, fuhr er fort, doch Bridget legte ihm zärtlich ihren Zeigefinger auf seine Lippen. Sie kippte sich den Rest der zweiten Tasse in den Hals, stellte diese ab und begann langsam, den Reißverschluss ihres Mantels zu öffnen. Sie hatte zwar gehofft, dass Dimitri dies tun würde, aber heute ging es nicht anders. Bridget war es völlig egal, dass der Weihnachtsmarkt voll mit Leuten war.
Zuerst begriff Dimitri nicht, was vor sich ging. Als er in Bridgets Dekolleté blickte und erkannte, was Bridget unter dem Mantel trug, verschlug es ihm die Sprache. „Jesus und Maria!“, entfuhr es ihm.
„Und? Noch immer nicht interessiert?“, fragte Bridget kokett. Dimitri wurde blass. „Ich sage dir jetzt, was du machst“, erklärte Bridget. Dimitri erkannte sofort, dass es seiner Geliebten nun todernst war. „Du schleppst mich jetzt in das nächste 5-Stern-Hotel und behandelst mich gefälligst so, wie es eine Klassefrau wie ich verdient habe! Habe ich mich klar ausgedrückt?“
Dimitri reagiert anders, als Bridget gedacht hatte. Er wirkte plötzlich völlig entspannt, fast fröhlich.
„Was, wenn ich deinem Wunsch nicht entspreche?“, stellte er lächelnd eine Gegenfrage. In diesem Moment kapierte Bridget, dass ihre Strategie funktioniert hatte. Sie hatte den Köder ausgeworfen und Dimitri hatte angebissen.
„Dann ziehe ich diesen Mantel ganz aus, hänge mich bei dir ein und wir gehen so durch die ganze Stadt. Willst du diese Art von Aufmerksamkeit?“, fragte Bridget eindringlich. Sie wusste, dass ihr Vorschlag hochriskant war. Denn dieses Szenario hatte einen erheblichen exhibitionistischen Reiz und es war nicht ausgeschlossen, dass Dimitri daran Gefallen finden könnte.
Doch Dimitri entschied sich anders: „Meinetwegen, du hast gewonnen!“, erklärte er. Er seufzte. Nun war er es, der sehr ernst wirkte. „Wegen dir setzte ich heute Abend eine langjährige Geschäftsverbindung aufs Spiel. Vielleicht verliere ich sogar einen zweistelligen Millionenbetrag. Und dies nur, weil die noble Dame sich nicht mit einem einfachen, romantischen Punsch am Weihnachtsmarkt zufriedengeben will!“
„Dreifach!“, kicherte Bridget. Gleichzeitig spürte sie, dass sie ihren Erfolg ein wenig zu bereuen begann. Sie hatte ja nicht geahnt, dass Dimitris Termin so wichtig war.
„Wir gehen jetzt ins Marriot, aber unter einer Bedingung!“, erklärte Dimitri.
„Und die wäre?“, fragte Bridget ein wenig kleinlaut.
„Wenn ich schon so viel Geld wegen einer Nacht mit dir verliere, dann läuft diese Nacht so, wie ich es will! Ist das klar?“
„Ist klar!“, meinte Bridget. Dann wurde sie von Dimitri an der Hand genommen. Der Mann an ihrer Seite schlug den Weg Richtung Marriot ein.
Nach ein paar Schritten entschied Bridget, Dimitri einen Vorschlag zu machen. „Was hältst du davon, wenn wir erst zu deinem Meeting gehen und dann ins Hotel?“ Sie hatte ja ihren Kopf durchgesetzt und Dimitri zum Einlenken bewegt. Darum fiel ihr nun kein Stein aus der Krone, wenn sie ihm dieses Gegenangebot machte.
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