Nate atmete tief durch. Er hatte das Outfit, dass Bridget in dieser Nacht tragen sollte, bereitgelegt. Seine Hände schwitzen und er fühlte jene Unruhe, die ihn immer überkam, wenn er seiner Frau Bridget beim Brechen von Tabus helfen sollte.
„Ich will mich endlich wieder einmal so richtig spüren!“
Das waren Bridgets Worte gewesen. Nate wusste, was diese Worte bedeuteten: Bridget wollte sich entfalten, aus ihrer eigenen Haut heraus, was Neues erleben, sich fallen lassen, alles bisher Erfahrene überbieten.
„Da muss es doch noch was geben!“
Wenn Bridget sich auf die Suche machte, dann im Sexuellen. Der Hang seiner Frau zum Exzess und zur Ausschweifung waren Stärke und Schwäche gleichzeitig. Schwäche, weil ihr sexueller Hunger und ihre Abenteuerlust unersättlich waren und sie unnachgiebig sein konnte, wenn es um die Suche nach dem nächsten Kick ging. Eine Stärke war ihr ausgeprägter Sexualtrieb, weil er ein unglaublich effizientes Ventil für die Frustrationen des Alltags waren und purer Lebensquell. Nate wusste längst, dass seine Frau ein wahrer Engel war, wenn sie sexuell ausgeglichen war.
Sexuell ausgeglichen war Bridget zurzeit gar nicht: Sie reizte die Möglichkeiten ihrer offenen Beziehung mit Nate in den letzten Wochen weidlich aus: Da waren Timo und Jakob, Frederic und Kilian und natürlich Dimitri. Alle bemühten sich um Bridgets Gemütslage. Doch vergeblich.
Nate stellte seine werte Gemahlin ans Andreaskreuz und verwöhnte sie mit dem Paddel, bis Bridgets Arschbacken wie heiße Kohlen glühten. Er setzte sie, mit Lederriemen fixiert, auf den Sybian und ließ sie gnadenlos die ärgsten Lustqualen durchleben. Seile, Vibratoren, Plugs und Peitschen kamen zum Einsatz – doch keine Lustqual konnte Bridgets Sehnen nachhaltig mildern.
Nate stellte als braver Ehemann all das mit seiner Frau an, was man als braver Ehemann mit einer sexuell unterwürfigen Ehefrau eben anstellte. Doch zugebenerweise war nichts von dem, was in den letzten Wochen im ehelichen Schlafzimmer vor sich gegangen war, wirklich neu gewesen: Ja, so mancher Hieb fiel heftiger als zuvor aus und ja, der eine oder andere Plug war eine Nummer größer gewesen – aber sonst?
Nate wusste, dass es an ihm lag. Bridget liebte den Exzess, fürchtete ihn aber in gleichem Maße. Sie liebte den Tabubruch, ängstigte sich aber auch davor. Der Tabubruch versprach die Befriedigung ihrer Begierden – gleichzeitig bestand immer die latente Gefahr, dass es kein Zurück gab. Denn der sexuelle Exzess war wie eine Wanderung am Rande des Abgrunds: Aufregend, abenteuerlich, intensiv. Was aber, wenn man in das Loch fiel, in die Dunkelheit? Wann immer sich Bridget von ihrer eigenen Sexualität hatte verschlingen lassen, war sie nach einigen Stunden wieder ausgespuckt worden – zurück in ihr „normales“ Leben. Doch Bridget war sich nicht sicher, ob sie nicht eines Tages Gefangene ihrer eigenen Lust bleiben würde…
Bridget schaffte es nicht, sich selbst dieser Gefahr, ihrer sexuell aufgeladenen Angstlust, auszusetzen. Wenn sie also sagte „Ich will mich endlich wieder einmal so richtig spüren“ meinte sie „Sorge endlich dafür, dass ich mich wieder einmal so richtig spüre!“ Und wenn Bridget ihr „Da muss es doch noch etwas geben“ äußerte, hörte Nate „Sorge dafür, dass dieses ETWAS endlich geschieht!“
Nate wusste also, dass es wieder an ihm lag. Darum hatte er beschlossen, Bridget auf einem Sklavenmarkt versteigern zu lassen. Schon öfters hatten Bridget und Nate im BDSM-Club diesen Versteigerungen beigewohnt. „Das mache ich nie!“, bekräftigte Bridget immer. Nate merkte aber, wie sehr Bridget vom Exhibitionismus der Frauen, dem Voyeurismus der Männer und den provokanten Outfits angezogen wurde. Lack, Latex und Leder waren die übliche Verpackung der feilgebotenen Ware. Diese Ware waren die Frauen in ihrer Rolle als Sklavinnen und tatsächlich musste dieses Rollenspiel für unterwürfige Frauen sehr reizvoll sein – wie sonst war es zu erklären, dass sich so viele Damen darauf einließen?
Nate war immer irritiert von diesem Szenario: Meist waren es Frauen aus finanziell gutgestellten Kreisen, die sich auf der Bühne des BDSM-Clubs zum Kauf anboten - die Mitgliedschaftsgebühr im angeblich exklusivsten Club der Stadt war nämlich happig. Ärztinnen, Anwältinnen, Managerinnen und Intellektuelle mit akademischem Hintergrund staksten mit nuttigen High-Heels, Leggings und transparenten Tops, Ouvert-Dessous und Corsagen, Stilettos und Hot-Pants aus Latex über den Laufsteg, um von den potentiellen Käufern begutachtet zu werden.
Die Damen zeigten ihre Beine und Hüften, ihre Ärsche und ihre Möpse, warfen den Männern Luftküsse entgegen oder ließen sich gar zu obszönen Gesten hinreißen. Die Käufer, ebenso aus besten Kreisen, hielten sich ebenfalls nicht zurück. Sie schauten streng, pfiffen anerkennend und machten den Sklavinnen ordinäre Komplimente. Während sie als Familienväter und Firmenchefs auf gewählte Sprache und angemessenes Verhalten Wert legten und darauf achteten, dass gesellschaftliche Benimmregeln eingehalten wurden, gaben sie nun eine ganz andere Seite ihrer Persönlichkeit preis.
Die Stimmung bei diesen Versteigerungen war sexuell, herb, rau, zügellos und ungehemmt.
Die Damen, die den Ehrgeiz hatten, die höchsten Preise zu erzielen, stellten sich nicht nur der optischen Begutachtung. Es war erstaunlich, wie wenige Sklavinnen sich nach dieser ersten Runde zurückzogen. In der zweiten Runde wurde es nämlich handgreiflich: Genüsslich prüften die Käufer die Ware: Das Gewicht der Brüste, die Glattheit der Haut, die Straffheit der Oberschenkel und die Festigkeit der Arschbacken. So mancher Käufer fasste den Damen ans Kinn und drehte den Kopf der Damen zur Seite, um deren Profil einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Die Frauen standen regungslos da und rührten sich nicht. Sie mussten die Käufer gewähren lassen – was blieb ihnen auch anderes übrig? Immerhin waren sie in diesem Rollenspiel die Sklavinnen!
In dieser zweiten Bewertungsrunde ging es nicht nur um die Beziehung zwischen Sklavin und Käufer. Da war noch eine dritte Gruppe, und zwar die Gruppe der Händler. Meist waren es die realen Partner der Sklavinnen. Sie wussten, was ihrer besseren Hälfte zuzumuten war. Und es war erstaunlich, womit sie sich einverstanden erklärten. Das Betatschen von Brüsten und Ärschen war sowieso kein Tabu. Manche Käufer äußerten aber auch den Wunsch, der Sklavin zwischen die Beine greifen zu dürfen, um ihre sexuelle Bereitschaft zu überprüfen. Die meisten Händler ließen die Käufer gewähren, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Jedes Mal aufs Neue war Nate fasziniert von dieser Parallelwelt. Diese Sklavenmärkte funktionierten nach völlig anderen Regeln, die Normen der Welt da draußen schienen komplett außer Kraft gesetzt. Hier kamen Begierden und Sehnsüchte an die Oberfläche, die von mächtigen, manchmal auch dunklen Trieben befeuert wurden. Erstaunlich war, wie sehr sich die Beteiligten auf ihre neuen Rollen einlassen und sich von den Fesseln der sonst üblichen Regeln befreien konnten. Er selbst tat sich damit schwer. Es war nicht so, dass er diese Szenerie nicht erregend fand. Aber trotzdem ertappte er sich die ganze Zeit dabei, wie er das Gesehene soziologisch oder psychologisch einzuordnen versuchte. Doch wer analysierte, konnte nicht genießen. Davon war Nate überzeugt.
Also griffen die Käufer den Sklavinnen lustvoll zwischen die Schenkel. Nate hatte es noch nie erlebt, dass die Hände der Männer danach nicht feucht im diffusen Licht des Clubs schimmerten. Die Geilheit aller Beteiligten war zum Greifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Nate studierte verblüfft die Gesichter der Frauen. Sie standen regungslos da und starrten ohne Fokus in die Tiefe des Clubs. Ihnen war es ohne Erlaubnis ihrer Händler nicht erlaubt, den Kunden in die Augen zu schauen. Die Sklavinnen bemühten sich, unbeteiligt zu wirken. Manchmal zuckte ein Augenlied, wenn der Händler einer eingehenden Überprüfung ihrer Möse zustimmte. Oder es zuckte ein Mundwinkel, wenn sich gierige Männerhände zwischen die Schenkel der Frauen schoben. Die Augen leuchteten immer: Da war Respekt zu sehen, natürlich Lust, Erwartung, Nervenkitzel.
Die Badezimmertür ging auf und Nate wurde aus seinem Tagtraum gerissen. Bridget war fertig mit dem Schminken. Sie war nackt, mit Ausnahme des Halsbands, das ihr Nate umgelegt hatte.
„Unternehmen wir endlich etwas Aufregendes?“, hatte Bridget erwartungsvoll gefragt, als ihr Nate das Choker-Halsband umlegte. Wenn Bridget das Halsband trug, schlüpfte sie in die Rolle der Unterwürfigen. Dann galten andere Regeln für sie. Eine dieser Regeln besagte, dass ihr Nate keine Rechenschaft schuldig war.
„Du weißt genau, dass du als Sub keine Fragen zu stellen hast!“, erklärte Nate folgerichtig. Bridget schluckte. Sie liebte es, wenn sich Nate auf das Spiel mit Dominanz und Unterwürfigkeit einließ. Trotzdem fiel es ihr manchmal schwer, die Zügel und die Kontrolle abzugeben. Zu sehr war sie im Alltag gewohnt, den Ton anzugeben.
„Sie haben recht, Sir!“, sagte Bridget rasch. Am Anfang mussten Nate und Bridget über die geänderten Umfangsformen, die ihr Arrangement vorsah, kichern. Doch nach einer Weile gewöhnten sich die Beiden an die plötzlich herrschende Hierarchie in ihrer Beziehung. Langsam, aber mit Wonne, schlitterte Bridget in ihre Rolle als unterwürfige Dienerin.
„Zieh‘ dich an. Die wirst heute Abend diese Sachen tragen!“ Nate deutete auf die Mode, die er auf dem Ehebett zurechtgelegt hatte. Bridget riss sie Augen auf. Da waren weiße Overknees von Pleaser: Lack, Plateau, Stiletto-Absätze, auffällige Schnürung auf der Rückseite. Provokanter ging es in Sachen Schuhmode nicht. Daneben lag ein schwarzer Body mit transparenten Einsätzen und Reißverschluss im Schritt. Die passenden Armstulpen durften nicht fehlen. Auffallend war auch die weiße Lederjacke im Bolero-Look. Das glänzende Leder, die Riemen, die silbernen Reißverschlüsse und Schnallen versprühten ebenso Rotlicht-Flair wie die restliche Mode. Der Minirock, den Nate gefunden hatte, war absurd kurz und würde kaum ihren Schritt bedecken. Er passte aber perfekt zum Lederjäckchen.
„Das zieh‘ ich nicht an! Damit sehe ich aus wie eine Prostituierte!“, rief Bridget. Beim Anblick der Sachen hatte sie schlagartig die ihr zugewiesene Rolle vergessen.
Nate fühlte sich unbehaglich. Bridget hatte in der Sache völlig recht. Aber darum ging es jetzt nicht. Er hatte den dominanten Part inne und musste in seiner Rolle überzeugend sein. Er musste darauf bestehen, dass Bridget tat, was er ihr sagte. Heute wollte der Dom von seiner Sub, dass sie wie eine Hure aussah. Wenn es ihr überhaupt nicht passte, was mit ihr geschah, musste sie nur das Halsband abnehmen. Dann war das Spiel aus Dominanz und Unterwerfung vorbei.
„Du ziehst an, was ich vorbereitet habe!“, antwortete Nate kühl. Er war erstaunt, wie streng und gelassen er klang – angesichts seiner eigenen Verunsicherung. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor. Bridget schien ähnliches zu empfinden: sie hielt augenblicklich inne, schien erstaunt über die Konsequenz in der Stimme ihres Mannes zu sein. Kurz passierte nichts – es herrschte gespenstische Stille. Gedanken und Gefühle rasten durch den Kopf der blonden Frau.
„Beklage dich nicht! Du bist es, die mit aller Vehemenz deine und unsere Grenzen hinausschieben will! Also jammere nicht!“, sagte Nate streng. In diesem Moment verschwamm die Grenze zwischen der Person, die er im Alltag zu sein glaubte und jener, die er in diesem Rollenspiel war: Nate MEINTE, was er gerade gesagt hatte: Es war Bridgets ewige Begierde, die sie beide stets aufs Neue aus ihrer Komfortzone zwang. Und es war Bridgets Neigung zu sexueller Unterwürfigkeit, die ihn zwang, Initiativen wie diese zu ergreifen. Nate war schon in der Planung dieser Nacht mehrfach über seinen Schatten gesprungen – Bridget zuliebe.
„Meinetwegen. Aber so gehe nicht außer Haus!“, erklärte Bridget trotzig, raffte in einer abwertenden Geste die Kleidungsstücke zusammen und verschwand beleidigt im Badezimmer.
Nate setzte sich. Er atmete tief durch und rieb sich zur Beruhigung mit den Fingern über den Nasenrücken. Lustvoll war dieser Abend bisher nur bedingt, fand er.
Dies änderte sich, als Bridget wenige Minuten später aus dem Bad kam. Das, was er sah, war irritierend und erregend: Die Overknees waren noch perverser, als er gedacht hatte. Bridget war nun fast 1,90 groß, der Saum der Stiefel reichte bis zu ihrem Schritt. Der Minirock war nicht mehr als ein breiter Gürtel, ihr Nabel schimmerte durch das transparente Material des Bodys. Die Jacke war ultrakurz, passte aber perfekt. Der ganze Look schrie „Fick mich!“, aber mit Großbuchstaben und drei Rufzeichen. „FICK MICH!!!“
Fast wäre Nate ein verblüfftes „Himmel!“ entkommen; auch musste er darauf achten, dass ihm nicht die Kinnlade herunterfiel. Mit aller Kraft bemühte er sich um Contenance. Er versuchte, sich seine Verblüffung und Irritation nicht anmerken zu lassen. Ein guter Dom zeichnete sich durch Souveränität aus! Doch Nervosität und Erregung führten dazu, dass seine Kopfhaut juckte. Bridget sah jetzt tatsächlich wie eine Sexarbeiterin aus, aber auf eine viel drastischere und realistischere Art und Weise, wie es Nate je für möglich gehalten hatte. Nate spürte, dass seine Hände einmal mehr feucht wurden. Die Durchblutung seines Schwanzes steigerte sich merklich, gleichzeitig krampfte sich etwas in seinem Magen zusammen. So fühlte sich eine sexuelle Grenzüberschreitung an, schoss es Nate durch den Kopf. Beim Anblick seiner nun so fremd wirkenden Frau fragte er sich trotzdem, ob er nicht zu weit gegangen war.
Nates Zweifel dauerten aber nur wenige Sekunden. Denn Bridget fühlte sich wohl in ihrer Haut.
Nicht, dass sie dies zugegeben hätte: Ihr Gesichtsausdruck vermittelte noch immer gekränkten Stolz. Sie würdigte Nate keines Blicks. Aber das Funkeln in ihren Augen, die Art, wie sie sich bewegte und beiläufige Gesten wie das Zurechtrücken der kurzen Jacke verrieten sie. Sie stellte sich vor den Spiegel, drehte sich zur Seite. Bridget bemühte sich weiterhin um ihren beleidigten Gesichtsausdruck. Das zarte Rot, das auf ihren Wangen entstanden war, verriet jedoch ihre Erregung. Ihr Kopf lehnte ab, was sie sah. Ihr Lustspalte aber signalisierte das absolute, totale, nasse Gegenteil.
„Bist du jetzt zufrieden?“, fragte Bridget trotzig.
„Noch nicht ganz!“, erklärte Nate streng. Dann holte er das winzige Täschchen hervor, das perfekt zur Jacke und zum Minirock passte. Er hatte Kondome, Bridgets Kosmetika und eine Packung Zigaretten samt Feuerzeug in die Handtasche gepackt. Nicht, dass Bridget rauchte. Nate aber fand, dass diese Utensilien zum Klischee passten.
„Du hast also auch ans Nuttentäschchen gedacht! Wie rücksichtsvoll!“, schimpfte Bridget und nahm die Tasche entgegen.
„Ich werde heute mit dir den Höchstpreis erzielen! Alles andere ist mir egal!“, erklärte Nate kühl. „Komm‘ jetzt!“ Dann half er Bridget in einen langen Mantel, der sie auf dem Weg in den Club halbwegs gesellschaftsfähig machte. Bridget wehrte sich nicht, sie lamentierte nicht, sie legte das Halsband nicht ab. Sie tat, was Nate gefordert hatte. Jetzt wusste Nate, dass er Bridget am Hacken hatte…
Sklavenmarkt
50 8-13 Minuten 0 Kommentare
Zugriffe gesamt: 5687
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.