Mich weckte der Duft von Kaffee, und er hatte recht, die Sonne schien in sein Schlafzimmer. Ich stand auf und suchte zuerst meine Kleidung und dann ihn. Er hatte einfach, aber stilvoll auf der Loggia zum Innenhof gedeckt. Es war verlockend, in der Kühle des Morgens im Freien zu frühstücken, denn es war zu ahnen, es würde ein heißer Tag werden. Ich setzte mich in meinem etwas deplatzierten kleinen Hellgrauen und ungekämmt in die Sonne, aber sein Blick verriet, dass ich ihm gefiel. Eigentlich muss ich sagen, Mister Garcia schmachtete mich an. Wir flirteten also das Frühstück hindurch und die Stimmung war sehr sonntäglich, nur war es Donnerstag, ein normaler Arbeitstag. Ich hatte zwar keine Eile, denn es warteten keine Termine auf mich und Johanna war versorgt. Aber ich musste noch nach Hause, um mich umzuziehen und etwas arbeiten sollte ich doch noch heute, bevor ich meine Kleine vorn Kindergarten holte.
Schon im Smalltalk auf der Vernissage, noch bevor er mich zum Tanz aufforderte und es so nachhaltig funkte, hatte ich meinen Status als alleinerziehende Mutter beiläufig einfließen lassen, etwas über die Freude geäußert, doch gelegentlich an solchen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Ich wollte dergleichen stets bereits im Vorfeld geklärt wissen, keinen möglichen Interessenten an der Backe haben, der noch jenseits der dreißig Bauklötze staunt, wenn er merkt, dass Menschen Kinder haben können und diese dann tatsächlich auch zum Leben dazu gehören. Solche endlos Pubertierende finden sich unter den verfügbaren Männern mehr als frau zunächst denkt. Und ich hatte nicht die geringste Lust, eine späte Selbstfindungsphase zu begleiten, so gut könnte der Sex gar nicht sein, um mich darauf einzulassen. Er hatte das Thema aber ohne Verschüchterung aufgenommen, mit leichtem Bedauern bekannt, dass er noch keine Kinder habe, sich für ein paar Einzelheiten des alltäglichen Managements interessiert und damit die erste Vorprüfung zur Zufriedenheit absolviert.
Er wusste also Bescheid. Und: er hatte auch am Morgen noch Interesse. Wie würde es weitergehen? Als es endlich Zeit wurde für mich zu gehen, hätte ich fast verunsichert sein können, so still wie er war. Aber sein Verhalten war nicht zweideutig, seine Augen sprachen nur von Sehnsucht, und dass er es nicht wortreich beschrieb, gab seinem Blick eine Wirkung, die verbal nie zu erreichen wäre. Ja, und verbal kam da auch nix. So stand ich auf, griff ich etwas verlegen zum Smartphone und rief mir ein Taxi. Jetzt war es fix, dass ich aufbrechen würde. Und nun trafen sich unsere Blicke in einer ganz eindeutigen Weise und alles war klar. Er warf all seine charmante Zurückhaltung über Bord und umarmte mich mit wildem Verlangen, dem keine zarte Einfühlsamkeit mehr anhaftete.
Er griff unter mein Kleid in meinen Schritt, zog mein Dekolleté nach unten und küsste gierig meine Nippel. Er drängte mich zur Kommode vor seinem Garderobenspiegel, wo ich mich aufstützen konnte, und schob mein Kleid über meinen Hintern nach oben und meinen Slip nach unten. Mit zittrigen Fingern fummelte ich das letzte Präservativ aus meinem Handtäschchen. Er zog es sich hektisch über und stieß sofort von hinten in mich. Und ich liebte es endlich wieder, endlich wieder so unvermittelt und hart genommen zu werden ohne irgendeine Angst vor Entgleisung im Exzess. Ich hatte es geliebt, wie er mich diese Nacht in zärtlicher Leidenschaft geliebt hatte und diese milde Wildheit hatte mich geöffnet für die ungezügelte animalische Vereinigung. Er hämmerte mich hart und irgendwann drückte er mein Gesicht in den Spiegel wie er mich so umfing, meine Hüften, meine Brüste, meinen Bauch. Doch nichts machte mir Angst, nichts schmerzte mich, ich kam einfach in mehreren Wellen, schnell, schneller als er in diesem schnellen Liebesakt. Als er sich mit heftigen Stößen in mir ergoss, meinte ich, Sterne zu sehen, so sehr rang ich nach Atem und er mit mir. Und während er so keuchend über mir hing, klingelte es, sicher das Taxi.
Jetzt sprudelte es so heraus aus ihm. Er verlangte er sehr bestimmt meine Adresse, meine Telefonnummer, das Versprechen, dass ich wirklich bei Margarete arbeite, und dass wir uns wieder sehen. Gut gelaunt stieg ich nach bereitwilliger Offenbarung beinahe aller meiner persönlichen Daten ins Taxi und im Wegfahren winkten wir uns noch zu. Der alte Taxifahrer schmunzelte, eine zerknüllte Dame im Abendkleid bestellt morgens ein Taxi, da war alles klar. Ich strahlte ihn an und sagte: Ja, es war herrlich! Er lachte, und meinte: Man sieht Ihnen an, dass Sie verliebt sind.
*
Ich wollte ihn haben. Endlich verspürte ich wieder das Verlangen, mit einem Mann dauerhaft zusammen zu sein. Mein Herz war ihm ausgeliefert und für einen kurzen Augenblick mischte sich in mein sinnliches Begehren tatsächlich ein wenig Angst, es könnte wieder so werden wie mit Juan, da mich Alberts selbstbewusst männliches Auftreten sehr in seinen Bann zog. Anders als damals hatte diese Angst nicht nur anregende Wirkung auf mich. Ich wollte nicht noch einmal verletzt werden, ich wollte nicht mehr zu weit gehen, aber eben auch nicht verweilen, wo ich war. Meine Angst erwies sich als unbegründet.
Es wurde wunderbar.
*
Wir sahen uns am selben Tag wieder – am Sandkasten. Er wollte nicht warten, und da ich auf keinen Fall gedachte, meine Kleine zu kurz kommen zu lassen für eine neue Liebe, bot ich ihm nur die Möglichkeit, mich zu besuchen. Er hatte für den Nachmittag keine Verpflichtungen und so fanden wir uns zum netten Geplauder unter johlenden Kindern und den dazugehörigen Eltern und Großeltern in strahlendem Sonnenschein. Er entwickelte keinen hastigen Ehrgeiz als Reservepapi, aber er ging sehr unbefangen mit der Situation um. Wir schlossen einen Besuch im Biergarten an und erst Johannes Müdigkeit beendete diesen geradezu paradiesischen Tag.
Ich neige nicht zur idyllischen Verklärung und für klassische Romantik bin ich nicht sonderlich anfällig. Aber an diesem Tag hatte ich mir erstmals vorstellen können, wie schön es wäre, in einer ganz normalen kleinen Familie zu leben, und es ging mir mehrmals durch den Kopf, wenn ich ihn betrachtete, ihn und sie. In diese Betrachtungen mischte sich die fast körperlich spürbare Erinnerung an seine Berührungen, seinen Geruch, seine Bewegungen, seine Lust, die Muskeln meines Unterleibes begannen zu spielen. Es war noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass dies begonnen hatte, und mein ganzes Leben schien anders geworden.
Er begleitete uns noch bis nach Hause und alles in mir verkrampfte sich, unsicher wurde ich, ich, die immer entschied über die Männer. Da standen wir nun, Johanna krähte übermüdet auf meinem Arm, hatte zu allem Überfluss in die Hose gemacht und ich brachte keinen Ton heraus, wäre ihm am liebsten samt meiner stinkenden, quäkenden Göre um den Hals gefallen. Mister Right lächelte verlegen und fragte: Wann? Ich verstand genau, doch ich wollte nicht vollkommen maßlos sein, überlegte, sagte einen Moment lang nichts. Wäre es zu unverschämt, mich selbst heute Abend zu dir einzuladen? fragte er nach. Heute Abend wäre wundervoll, stimmte ich freudig zu. Er lachte sein schönes Lachen und versprach, bis 20 Uhr dazu sein.
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Ich hatte bereits ein gutes Gefühl gehabt, als ich am Tag zuvor mit in seine Wohnung gegangen war. Nun war ich glücklich, schon in der Freude auf den Abend mit ihm. Etwas nervös sorgte ich für Ordnung, duschte, bereitete eine einfache Nudelsoße vor und öffnete rechtzeitig den Wein. Dann noch ein bisschen Styling, verlockend, aber nicht aufreizend. Das zweite Treffen nach einer spontanen Liebesnacht ist die Gelegenheit der ersten wirklichen Begegnung. Wenn man auf seine Gefühle hört, dann ist das Tor weit geöffnet, denn sonst kommt es gar nicht dazu, es zu vereinbaren. Wenn nur der Wunsch nach Gelingen stark ist, das Urteil der Intuition aber unklar, dann kann es heikel werden. An diesem Abend hielt ich das nicht für sehr wahrscheinlich, aber ein offener Ausgang wäre mir nicht recht gewesen. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch.
Klassisch stand er in der Tür, mit langstieliger Rose und Rotwein. Er wirkte heiterer als am Abend zuvor und ernster als am Nachmittag. Er aß wie ein Genießer, ohne Hast, erzählte etwas von seiner Liebe zu Italien und Frankreich, fragte mich ein wenig aus, ohne indiskret zu sein. War er sparsam mit Worten, so ließ sein Blick keine Zweifel aufkommen. Er war aufmerksam, studierte alles, vor allem aber mich. Er suchte unaufdringlich meine Nähe, fand sie auf vielen Wegen. Es begann eine lange Nacht, mit Liebesgeflüster, Liebesspiel, langsamer Liebe, die die Zeit selbst in der Hitze der Nacht einfrieren lässt. Ich empfand eine Vertrautheit, als wäre er schon unendlich lange bei mir. Es war schön, wieder zusammen einzuschlafen.
Das leise Taptaptap erkannte ich sofort. Johanna weinte leise und kroch zu uns ins Bett. Sie bahnte sich ihren Weg in die Mitte, schmiegte sich an meinen Hals, um meinen Puls zu spüren, wie immer, wenn ihr Schlaf von Träumen geplagt war. Da der freie Platz zu meiner Linken nun belegt war, verschaffte sie sich tretend den gewohnten Freiraum. Albert war tapfer, zog sich nur so weit als nötig zurück, murrte nicht. Das war gut so, denn daran würde er sich einfach gewöhnen müssen.
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So begann es und so ging es weiter. Er ließ sich von gelegentlichen Widrigkeiten und den Schwierigkeiten einer mit einem kleinen Kind notwendigen strengeren Terminplanung nicht abschrecken. Er war einfach da und kam wieder, unspektakulär in den äußeren Umständen, leidenschaftlich und einfühlsam in der Liebe, beständig und bisweilen hartnäckig im Alltagstrubel. Seine vorherigen Beziehungen waren zu stark von Beruf und Freizeitstress geprägt gewesen, hatten dauerhaft keine Mitte gefunden, er schien es zu genießen, eine unkomplizierte, konventionelle Struktur in sein Leben zu bekommen, nicht mehr auf der Suche sein zu müssen.
Johanna eiferte, als ihr der dauerhafte Charakter von Alberts Anwesenheit bewusst wurde, doch er warb sanft um sie, ließ sich nicht nerven. Schließlich lenkte sie ein und versuchte, ihn für sich zu pachten. Er hatte in der Kinderbetreuung kein besonders zupackendes Wesen, warf sich nicht sofort zu ihr auf den Boden. Aber er war hellhörig und entgegenkommend, überließ ihr den aktiven Part und war geduldig, wenn sie trotzte. Juanita, Juanita, so rief ich sie auch gerne nach ihrem Vater, und so sang er sie an. Meist wurde sie ruhig und lauschte seinem leisen Singsang. Nach einigen Wochen stand in seiner Wohnung ein Reisebettchen, das sie schnell akzeptierte. Denn den Park jenseits der Straße liebte sie, so dass die Wochenenden sich zunehmend in Alberts Wohnung verlagerten. Irgendwann beschwerten sich meine Eltern augenzwinkernd, ob Johanna denn plötzlich gar nicht mehr zu ihnen kommen sollte. Das nahmen wir zum Anlass, zusammen Tangounterricht zu nehmen. Es tat uns gut, denn auch der schönste Alltag ist eben nur Alltag und braucht gelegentlich den Ausbruch.
Unsere erotische Beziehung, mit der alles begann und die alles verband zwischen uns, war geprägt von blindem Verstehen. Sein kraftvolles Verlangen zog mich stets ein wenig in den Bereich des Ungewissen, aber es führte kein Eigenleben, war ausnahmslos gerichtet auf mich und meine Befriedigung, nicht meine Unterwerfung oder Demütigung. Ich vertraute ihm zunehmend und konnte mich fallen lassen ohne Angst, mich ausleben ohne Zurückhaltung. Schon nach kurzer Zeit hatte er mich über seinen negativen HIV-Test informiert. Das war mir nach den Exzessen mit Juan, in denen ich jeden Halt verloren hatte, wichtiger denn je. Wer hier bockig ist, hat bei mir schon verloren. Er hatte alles von sich aus erledigt. Von da an konnte ich ihn ganz genießen, seinen ganzen Geschmack, ihm alle Freuden gewähren, die Männer so lieben. Ich spielte die ganze Klaviatur meiner erotischen Neigungen, nicht als Tricks, nicht aus Kalkül, es war mir echte Befriedigung.
Ich ließ ihn Intimstes sehen, bezog ihn in meine Vorbereitungen für die nicht so alltäglichen Spielarten der Liebe ein, gelegentlich überströmte ich ihn, dass lieben mehr Männer als es zugeben. Ansonsten gab ihm meinen Geruch in Form meiner Höschen mit auf den Weg, damit er sich an mich erinnerte, wenn ich nicht bei ihm sein konnte. Meisterlich beherrschte er den Analverkehr und hatte ein hervorragendes Gespür für meinen Lustschmerz. Wenn seine Nägel rücksichtsvoll meinen Nacken, meine Rücken hinunter wanderten, erregend, seine Hände meine Taille, meine Brüste umfingen, seine Zähne meinen Nacken fanden, mich gefügig machten, ohne mich zu verletzen, er langsam meinen Anus eröffnete, dann schmolz ich dahin, war durch und durch erfüllt von Energie, Erregung, Lust. Wortlos konnte er seine Wünsche deutlich machen. War er fordernd, so war sein Blick immer darauf gerichtet, ob mein Blick mein stummes Einverständnis gab. Niemals habe ich ihn zurückgewiesen, denn seine Phantasie war ein Geschenk, das er in Achtung darbrachte.
Um den Gürtel musste ich ihn bitten, um die Fesseln und die Augenbinde auch. Betroffen hatte er gezögert, denn seine Wildheit war nicht von dieser Natur. Aber er verstand das Flehen meiner Augen und erfüllte meine Sehnsüchte mit Bedacht.
Ich hatte niemals Angst.
*
Heirate mich, sagte er nach einem Jahr, das wir wie selbstverständlich miteinander verbracht hatten, in Streit, Versöhnung, Liebestaumel wie alle anderen auch, so, als hätten wir schon immer zusammengehört. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal auf diese Frage ohne zu zögern mit ja antworten würde. Der Umzug in seine Villa schaffte nur Ordnung in dem Chaos, das ein Leben in zwei Wohnungen mit sich bringt. Eine kleine Feier mit unseren Eltern, seiner Schwester und ein paar Freunden wahrte den persönlichen Rahmen dieser für uns sehr intimen Entscheidung. Nach einigen Monaten war ich schwanger, mit Zwillingen. Die Schwangerschaft war beschwerlich, die Geburt der Jungs, Michael und Andreas, aber relativ unkompliziert.
Albert stellte zwei Architekten ein, Jacqueline und Dominik, die er schon als Praktikanten kennen und schätzen gelernt hatte, zwei heiße junge Wilde, die er behutsam zähmte, indem er sie einfach an die Front ließ. War seine Anwesenheit bei Terminen nötig, wenn ich keine Zeit hatte, mussten sie sich um die Kinder kümmern. Das gehörte von Anfang an zum Job, brachte Schwung in den Laden und funktionierte ohne größere Probleme. Er hatte so Zeit für die Kinder und es machte ihm sichtlich Freude. Ich konnte schon nach einem halben Jahr wieder anfangen in Teilzeit zu arbeiten, auch das zum Teil zu Hause.
Es war ein quirliges, buntes Treiben. Wir feierten rauschende Feste zu den üblichen Anlässen, zu erfolgreichen Geschäftsabschlüssen oder einfach so. Mit Hingabe trainierten wir den Tanz, der uns zusammengebracht hatte und gewannen sogar ein paar Turniere.
Wir wachten an den Betten unserer kranken Kinder, auf der Intensivstation, nachdem Andreas von einem Auto angefahren wurde, und am Sterbebett von Alberts Vater. Glück und Unglück gehörten uns gemeinsam.
Das waren die besten Jahre meines Lebens.
Sommerliebe
Tinas Geschichte - Teil 19
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