Spargelessen

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Spargelessen

Spargelessen

Kastor Aldebaran

Endlich war es wieder soweit. Was hatte ich mich auf diese Jahreszeit gefreut. Im Winter genoss ich Grünkohl, der Frühling war für Spargel reserviert. Dabei kam es mir auf die Zubereitungsform nicht an, ob klassisch weiß mit Sauce Hollondaise, kleinen Frühkartöffelchen und Schinkenwürfeln oder Grün gebraten mit Pinienkernen und Butter, für manche Menschen nur vollständig mit kleinen Schnitzelchen. Ich brauchte das alles nicht. Einfach den weißen Spargel mit ein wenig Salz und Zucker in den Topf, Pellkartoffeln und Butter dazu, fertig. Einfacher ging es nicht, sah man von dem Schälen ab. Entsprechende Geräte, mit denen es besser ging, hatte ihre Vorteile. Genau diese Zeit war nun gekommen und ich ging auf unseren Wochenmarkt, brauchte nicht lange suchen, um die Stangen aus der Region zu finden. Oft verkaufen die Bauern der Gegend ihre Produkte direkt, frisch, knackig und geschmackvoll, nicht wie das Zeug, das es billig in den Supermarktregalen zu kaufen gab, bei denen man aufpassen musste, dass sie nicht vertrocknet waren, besonders die Schnittkante. Diese war meistens nicht zu sehen, entzog sich einem kontrollierenden Blick. Selbst für eine Suppe taugten sie nicht mehr.
Es war gutes Wetter, daher machte ich mich früh auf die Socken um besonders frische und dicke Exemplare zu ergattern. Die dünnen Dinger mochte ich nicht, machten zu viel Arbeit, die ich möglichst gering halten wollte.
Eine halbe Stunde später war ich auf dem Wochenmarkt angekommen, steuerte einen Stand an, bei dem ich seit Jahren den Spargel kaufe, sozusagen der Händler meines Vertrauens. Seine Ware war immer frisch, das konnte man sehen und auch hören, wenn man die Stangen aneinander rieb. Sie quietschten herrlich, zeigten mir damit ihre Qualität an.
An diesem Tag wollte ich mir das erste Mal im Jahr einen Happen gönnen, daher brauchte ich mehr als nötig. Sollte etwas übrig bleiben, konnte ich davon eine herrliche Suppe machen. Entweder zum Essen für den nächsten Tag oder einfrieren. Sie im Winter auftauen war eine wunderbare Abwechslung.
In der Frühe waren nicht viele Käufer unterwegs und ich hatte den Stand fast für mich alleine. Lediglich hinter mir reihte sich eine Frau ein, die sich anscheinend nicht dazu entschließen konnte, ob sie welchen kaufen sollte. Sie sah neben mir in die Kunststoffboxen und betrachtete die angebotene, lose Ware.
„Sind die gut?“, hörte ich sie auf einmal und ging davon aus, dass sie die Frage an den Verkäufer gerichtete hatte. Erst Sekunden später wurde mir klar, dass sie mich angesprochen hatte. Es hatte auch wenig Sinn den Anbieter zu fragen. Welche Antwort sollte er schon geben, eine negative wäre dumm gewesen.
Ich drehte mich zu ihr hin und betrachtete sie innerhalb von zwei Sekunden, empfand ihren Blick, die wachen, hellen Augen sowie die Sommersprossen um die Nase als angenehm. Die relativ helle Haut passte zu ihren rotbraunen, gewellten Haaren, die ihr wallend um den Kopf standen. Ansonsten war an ihr nichts Besonderes, durchschnitt, alter schwer zu schätzen, sicher älter als ich.
„Ich kaufe hier seit Jahren, bin nie enttäuscht worden. Die Ware ist zu empfehlen!“, erklärte ich kurz und bestellte drei Kilo von den Jumbos, die der Verkäufer gewissenhaft abwog, danach in den Beutel gleiten ließ, den ich für diesen Zweck mitgebracht hatte.
„Sie kaufen aber ganz schön viel, sicher für ihre Familie oder?“, fragte sie mich und ich wusste nicht, was sie das angehen würde. Trotzdem wollte ich nicht unfreundlich sein.
„Nein, alles für mich. Beim ersten Mal im Jahr muss es soviel sein, dass es auf alle Fälle reicht. Wenn ich nach dem Essen Magenknurren habe, habe ich was falsch gemacht.
Sie nickte, betrachtete mich kurz und möglichst unauffällig von oben bis unten.
„Ich bin auch am Überlegen, ob ich mir welchen machen soll, aber für mich alleine macht das keinen Spaß. Gesellschaft ist mir dabei lieber!“
„Es isst sich immer besser, wenn man nicht alleine ist!“, musste ich ihr zustimmen. Sich beim Essen zu unterhalten, durchbrach die Eintönigkeit und daher schmeckte es besser. Daher kam mir eine Idee.
„Wenn sie Lust haben, können sie heute Nachmittag zu mir kommen. Wir könnten zusammen die erste Ernte des Jahres genießen. Was halten sie davon?“
Schon als ich den Satz aussprach, hatte ich das Gefühl, eine dumme Frage gestellt zu haben. Warum sollte eine fremde Frau, deren Familienstand ich nicht kannte zu mir, einen unbekannten Mann zum Essen kommen. Sicher interessant, in der Praxis unwahrscheinlich. Daher war ich überrascht, als sie mein Angebot sofort annahm.
„Das ist ja reizend, dass sie das für mich machen wollen. Diese Einladung kann ich nicht ablehnen!“, ging sie auf meinen Vorschlag ein und zückte ihr Handy, sah mich fragend an.
„Ich bräuchte noch ihre Adresse, Name, und wenn es geht, Telefonnummer, sonst kann ich sie nicht finden!“
Damit hatte sie natürlich recht, und ich gab ihr meine Daten. Die Überraschung war ihr gelungen und sie verabschiedete sich von mir, kaufte zuvor ein weiteres Kilo und übergab es mir.
„Wein bringe ich mit!“, waren ihre letzten Worte, bevor sie sich mit einem süßen Lächeln umdrehte und in aufkommenden Trubel des Marktes verschwand.
Der Verkäufer grinste mich breit an, hatte unser Gespräch mitbekommen und nickte mir zu.
„Gute Wahl. Die hätte ich auch gerne bei mir zum Essen!“, meinte er und lachte kurz, wendete sich danach einer anderen Kundin zu, die inzwischen an den Stand getreten war.
Ich ging nach weiteren Einkäufen nachdenklich nach Hause, hatte weitere Zutaten gekauft. Guten Schinken sowie ein Fertigprodukt der allgemein bekannten Sauce, aß sie selber nicht, kaufte sie für den Fall des Bedarfs.
Zuhause angekommen machte ich das Radio an, schälte die Stangen dabei, die dieses Jahr besonders dicke waren, daher kam ich schnell voran, brauchte weniger Zeit als gedacht. Danach warf ich die Schalen in einen Topf, kochte sie eine halbe Stunde aus, um den guten Geschmack der in ihren vorhanden war, in das Kochwasser zu bekommen. Es schmeckte nachher intensiver und die Suppe, soweit etwas übrig blieb, wurde besser. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.
Eine Stunde vor unserem Treffen ging ich duschen, zog mir bessere Klamotten an. Wenn sich Besuch ankündigte, mochte ich diesen nicht im Jogginganzug empfangen. Dies hätte meine Respektlosigkeit ausgedrückt.
Danach machte bereitete ich das Essen vor, deckte den Tisch für zwei, band mir eine alte Schürze um, die mich vor Unfällen auf meiner Kleidung schützen sollte. Sie war alles andere als modisch, erfüllte jedoch ihren Zweck und darauf kam es an.
Jetzt setzte ich die Töpfe auf, schaltete Pellkartoffeln an, die Spargelstangen und quetschte die Sauce in ein kleineres Gefäß. Zur Verfeinerung kamen frisch gepresster Orangensaft und ein paar gehackte Kräuter hinein. Es wertete den Geschmack um einiges auf.
Während das Wasser anfing zu kochen, schnitt ich den Schinken in Würfel, hatte danach nichts mehr zu tun, lauschte dem Radio und überblickte den Esstisch, der in der Küche stand. Meine Wohnung war leider nicht groß genug, um ein Esszimmer einzurichten. Aber darauf kam es auch nicht an, die besten Essen und Feiern hatten immer in den Küchen stattgefunden.
Fünf Minuten vor der Zeit klingelte es an meiner Tür und ich ging hin, drückte auf den Summer und öffnete meine Wohnungstür. Zum Glück wohnte ich im zweiten Stock, daher war sie nicht aus der Puste, als sie die Treppe herauf kam. Ihre Haare zeigten mir an, dass sie es war.
„Oh hallo Frank, da bin ich. Ich hoffe dir machte es nichts aus, wenn ich dich duze. Wenn wir zusammen essen, finde ich diese persönliche Anrede besser. Ich heiße übrigens Simone. Entschuldige, dass ich mich dir vorher nicht vorgestellt habe, es kam alles so plötzlich!“
„Alles gut, komm rein!“, versicherte ich ihr, dass sie damit auf meiner Welle lag. Sie stellte die angekündigte Flasche auf eine Ablage und ich half ihr aus der Jacke.
„Nett hast du es dir und übrigens, die Schürze steht dir gut!“, setzte sie nach und mir wurde klar, dass ich vergessen hatte, sie auszuziehen. Dies wollte ich sofort ändern, doch Simone hielt mich davon ab.
„Lass sie ruhig an, ist manchmal besser so. Ich kenne das von mir, klecker sogar mit einem trockenen Brötchen!“
Also ließ ich es und führte sie in meine Küche. Hier sah sie sich kurz um, schnupperte in der Luft und steuerte den Platz, an den ich ihr zuwies.
„Riecht lecker. Ich hoffe, ich habe dich heute Morgen nicht zu sehr überfahren. Ist schon seltsam, wenn einen ein unbekannter Mensch anspricht und sich zum Essen einladen lässt. Im Nachhinein war es mir sogar etwas peinlich!“
Ich zuckte mit der Schulter, ging zum Herd und übersah die Situation, kam zum Schluss, dass es noch ein paar Minuten dauern konnte. Die Kartoffeln waren zu fest, der Spargel ebenfalls.
„Dauert noch etwas!“, kündigte ich an und Simone nickte.
„Lass dir Zeit, es kommt nicht drauf an. Erstens bin ich zu früh, was an sich schon unhöflich ist und zweitens braucht ein gutes Essen eine angemessene Aufmerksamkeit, wie vieles im Leben!“
Simone hatte eine weiche Stimme, die mir gefiel. Sie tat in den Ohren nicht weh, wie bei vielen anderen Frauen. Kreischende Stimmen waren mir zuwider.
Während ich die Sauce erhitzte, mehrmals mit einer Gabel den Garzustand der Kartoffeln überprüfte, schaute Simone mir dabei zu, schien sich für alles zu interessieren, was ich dort machte.
„Kochst du gerne?“, fragte sie zwischendurch und ich nickte.
„Wenn ich Zeit und die dafür nötigen Zutaten habe, ja. Kommt aber nicht oft vor, leider!“
„Kenne ich, ist alles so stressig in unserer Zeit. Daher bin ich froh hier sein zu dürfen. Ich weiß gar nicht, wie lange es her ist, dass ich Spargel gegessen habe, sicher drei oder vier Jahre!“
Ich sah sie erstaunt an und schüttelte meinen Kopf.
„Das hätte ich nicht ausgehalten. Solcherlei Genüsse sollte man sich gönnen, sonst weiß man nicht, wozu man täglich ackern geht, sein Geld zusammenhält!“
Simone nickte, bekam mit, wie ich die Kartoffeln abschüttete und mir mehrmals beim Pellen die Finger verbrannte. Auch wenn ich das Ergebnis liebte, ich hasste die Ausführung. Zum Glück waren die Knollen relativ groß, daher ging es schnell vonstatten. Danach holte ich mit einem Sieb den Spargel aus dem Topf, richtete ihn an, mit der obligatorischen, fein gehackten Petersilie, und brachte alles zum Tisch. Sauce und Schinkenwürfel folgten. Danach band ich die Schürze ab und setzte mich auf meinen Stuhl, übersah die dampfenden und duftenden Schalen, die sich meinem Blick präsentierten. Mir lief das Wasser im Munde zusammen, als ich es betrachtete.

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