Stella

Verkettete Umstände - Teil 5

71 6-10 Minuten 0 Kommentare
Stella

Stella

Darian Valberg

Es war Nachmittag und die Sonne näherte sich jetzt immer weiter dem Horizont. Dennoch spürte Tom die Hitze des Tages. Der Fahrtwind kühlte die Haut angenehm und fühlte sich weich und geschmeidig an. Tom war es aus Deutschland gewohnt immer seine Lederjacke zu tragen, wenn er sich auf sein Motorrad setzte. Er konnte sich nur an wenige Situationen erinnern, an denen er in Deutschland nur im T-Shirt Motorrad gefahren war. Hier in den USA war das anders. Sehr schnell hatte er sich umgestellt und war schon bald – wie viele hier – ohne entsprechende Lederkleidung auf seiner Harley unterwegs. Einzig die Halbschale, die er als Helm nutzte, war ein Zugeständnis an die geltenden Vorschriften.
Tom hatte derzeit keine Anfragen als Schauspieler und auch Barry hatte momentan nicht genug Aufträge, um ihn zu beschäftigen. Aber tatsächlich stören tat ihn das nicht. Es ging ihm momentan finanziell so gut, wie noch nie.
Vor ein paar Wochen hatte Victoria, seine jüngere Schwester, angerufen und ihm erzählt, dass sein Onkel verstorben sei. Tom hatte das sehr getroffen, weil er Jürgen, den Bruder seiner Mutter, sehr gemocht hatte. Durch Jürgen war Tom zum Motorrad fahren gekommen und Jürgen hatte ihm sein erstes Motorrad geschenkt. Sein Onkel hatte eine IT-Firma aufgebaut und hatte viel Geld gemacht… durch seine Arbeit, aber auch durch den zufälligen Besitz von Bitcoin zu einer Zeit, als niemand dieser Spinnerei Beachtung geschenkt hatte. Ihn eingeschlossen.
Jürgen hatte ihm irgendwann mal erzählt, dass auch er nur durch Zufall an die Bitcoins gekommen war und sie dann jahrelang vergessen hatte. Er erzählte mir mal, dass ein Kunde ihm 2011 eine Rechnung über 500 Euro nicht bezahlen konnte und der hatte ihm dafür 300 Bitcoin gegeben, die der Kunde in seiner Wallet hatte. Damals war ein Bitcoin etwa 1 US Dollar wert. Jürgen hatte das aber über Jahre nicht mehr beachtet und auch nicht verfolgt. Irgendwie hatte er die 500 Euro von der Rechnung voll abgeschrieben und in Gedanken unter Verlust gebucht.
2017 hatte er dann jedoch einen neuen PC eingerichtet, war seinen alten PC durchgegangen und über die Wallet gestolpert. Als er die dann öffnete, die 300 Bitcoin sah und dann recherchierte, was die denn Wert waren, war er schockiert. Tage später hatte er die Bitcoin für fast 4,5 Millionen Euro verkauft und Tom das Motorrad geschenkt.

Jürgen hatte keine eigene Familie und so hatte er alles, was er besaß, seiner Schwester, der Mutter von Victoria und ihm, vererbt. Auch Victoria und er hatten einen nicht unbedeutenden Teil erhalten. Vor zwei Wochen hatte der Notar ihm dann das geerbte Geld überwiesen und plötzlich war Tom sehr wohlhabend.
Tom hatte sich jedoch vorgenommen so weiterzuleben, wie bisher, denn er schätze es, für seinen Unterhalt selbst zu arbeiten. Aber das Erbe gab ihm eine Sicherheit, die er zuvor nicht kannte… und diese Sicherheit hatte etwas sehr befreiendes!
Da in LA derzeit keine Aufträge auf ihn warteten, hatte er kurz entschlossen sein Gepäck gepackt und ist mit dem Motorrad losgefahren. Einfach Richtung Süden… immer der Nase nach!
Eigentlich wollte Tom die Küste entlang fahren, hatte sich jedoch schnell umentschieden. An der Küste dehnte sich LA immer weiter aus und ging dann irgendwann in San Diego über. Zu viele Häuser, zu viele Autos. Tom beschloss daher sich erst östlich zu halten und dann über die dort gelegenen Nationalparks zum Salton Sea zu fahren und dann Richtung Mexico.
Gestern hatte Tom die Grenze in der Nähe von Mexicali überschritten und fuhr nun an der Pazifikküste der Baja California immer weiter nach Süden. Es war ein lange gehegter Traum einfach mal ohne Zeitdruck und ohne ein wirkliches Ziel seine Freiheit zu genießen. Schon lange hatte er vor, die fast 1000 km lange Halbinsel zu entdecken, die durch den Golf von Kalifornien vom restlichen Mexiko getrennt wurde.
Tom kam immer wieder an kleineren Ortschaften vorbei, jedoch war kein Ort einladend genug, um dort zu verweilen und die Nacht zu verbringen. Also fuhr er weiter.
Etwa eine halbe Stunde hinter der letzten Ortschaft sah er plötzlich ein Wohnmobil am Straßenrand stehen und beim Näherkommen bemerkte er eine junge Frau, die sich mit ihrem vollen Gewicht auf ein Radkreuz stellte um eine Radmutter zu lösen. Jedoch vergeblich.
Tom nah Gas weg, stellte sein Motorrad vor dem Wohnmobil ab, stieg von seinem Motorrad runter und hängte seinen Helm an den Lenker.
Als er um das Wohnmobil ging, sah er immer noch die junge Frau auf dem Schaubschlüssel rumhüpfen und hörte sie herzhaft auf Spanisch fluchen.
„Ma’am,“ sprach Tom sie höflich an, “kann ich Ihnen helfen?“
Erst als Tom die junge Frau eingehender betrachtete, sah er, dass sie ihn mit den Bluetooth-Kopfhörern wahrscheinlich gar nicht gehört hat. Da sie jedoch auch mit dem Rücke zu ihm stand, hatte sie ihn wahrscheinlich auch nicht gesehen.
Tom nahm sich die Zeit, sie näher zu betrachten … und er musste gestehen, die Frau verdiente mehr als einen kurzen Blick.
Tom sah sie sich an und wie magisch angezogen, blieb sein Blick auf einen knackigen Po hängen, der in einer hautengen Jeans steckte. Der Po war nahezu perfekt… wenigstens für seinen Geschmack. Runde, kräftige Pobacken füllten die Röhrenjeans wundervoll aus…. Nicht zu groß und nicht zu klein. Die engen Hosenbeine umschlossen schlanke lange Beine, die dann in dunkelbraunen Westernstiefel steckten. Ein breiter, brauner Ledergürtel mit silbernen, ziselierten Beschlägen erzielte einen optischen Abschluss. Über der Jeans kam ein schlanker, gebräunter Rücken. Etwa in der Mitte des Rückens begann ein Jeanshemd, von dem jedoch die Ärmel abgetrennt waren. Die braunen Arme waren ebenfalls schlank und am linken Oberarm konnte Tom eine Tätowierung erkennen. Tiefschwarze Haare fielen in wilden Locken bis zwischen die Schulterblätter, nur gehalten von einem roten Bandana, die sowohl die Haare aus dem Gesicht hielt als auch den Schweiß aufsaugen sollte.
Eine Weile genoss Tom diesen Anblick, bevor er dann jedoch noch einmal versuchte, auf sich aufmerksam zu machen.
Er trat dichter an die auf dem Schraubenschlüssel turnende Frau heran und tippte ihr auf die Schulter.
„Ma’am!“, sagte Tom dieses Mal deutlich lauter, „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ay Caramba!“, schrie die Frau erschrocken auf und sprang von dem Schraubenschlüssel, welcher klingelnd zu Boden fiel. Mit einer geschmeidigen Bewegung drehte sie sich um, bückte sich nach dem Radkreuz und hielt es mit beiden Händen in einer drohenden Position zwischen sich und Tom.
„Te voy a pegar una hostia que te van a salir los dientes de la boca como palomitas!(*)“, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und hob den Schraubenschlüssel schlagbereit etwas in dir Höhe.
Tom trat etwas zurück und hob beschwichtigend die Hände.
„Ich spreche leider kein Spanisch!“, erwiderte er vorsichtig. „Ich wollte nur wissen, ob ich helfen kann!“
Noch immer hielt Tom seine Hände erhoben… auch um zu zeigen, dass er keine Waffen trug. Dennoch stellte er sich etwas offener hin, um zu zeigen, dass er ihr nichts Böses wollte.
Die Frau betrachtete Tom von oben bis unten und entspannte sich ein wenig. Sie ließ das Radkreuz sinken und entfernte mit der freien Hand die Kopfhörer.
„Gringo, wie kannst du mich so erschrecken! Ich hätte beinah einen Herzinfarkt bekommen!“ erwiderte sie mit einem süßen spanischen Akzent. Ihre recht dunkle Stimme trieb Tom einen Schauer über den Rücken. Noch nie hatte Tom eine Frau kennengelernt, bei der allein die Stimme so eine Reaktion bei ihm auslöste. Es fühlte sich an, wie eine Glocke, die angeschlagen wurde und alles in seinem Körper schien sich auf diese Schwingungen einzustellen.
„Ich wollte Sie nicht erschrecken! Ich wollte nur meine Hilfe anbieten! Ich hatte das Gefühl, dass Sie Probleme haben, die Sie nicht alleine lösen können.“
Die Frau schaute ihn mit großen, belustigten Augen an und drehte ihren Kopf suchend nach links und nach rechts und fragte dann: „Wer ist ‚Sie‘? Ich sehe hier keine ‚Sie‘ ! Ich sehe nur mich… Stella!“
Stella betrachtete Tom ganz ungeniert von oben bis unten.
„Madre de dios! Dich hat mir der Himmel geschickt!“ flüsterte sie… jedoch nicht so leise, dass Tom es nicht mitbekommen konnte.
„Ich habe einen kaputten Reifen! Ich muss das Rad tauschen… jedoch bekomme ich die Schrauben nicht los. Es wäre toll, wenn du mir dabei helfen könntest!“, schnurrte sie mit einer Stimme, bei der Tom das Gefühl hatte, der Reißverschluss an seiner Hose öffnet sich von selbst.
„Okay, lass mal sehen!“, antwortete Tom und trat auf sie zu.
Lächelnd schaute Stella zu Tom auf. „Gefällt dir, was du siehst?“, fragte sie keck.
„Mit ‚mal sehen‘ meinte ich den Schaden an deinem Wagen!“, erwiderte Tom, musste jedoch unwillkürlich grinsen und nahm ihr den Schraubenschlüssel aus der Hand.
„Oh, ja… natürlich!“
Tom schaute noch einmal tief in ihre dunklen Augen, die unter langen Wimpern alles Erdenkliche versprachen. Er hatte große Mühen sich von diesem Blick loszureißen und sich an die Arbeit zu machen. Der Tag neigte sich immer mehr seinem Ende und er hatte noch keinen Platz, an dem er heute übernachten konnte.
Der Reifen war relativ schnell gewechselt, der defekte Reifen wurde an der Rückwand des Wohnmobils an die vorgesehene Halterung festgeschraubt und das Werkzeug sicher verstaut.
„Vielen Dank! Wie kann ich mich nur bei dir bedanken?“, fragte Stella und schaute Tom mit einem frechen Lächeln an.
„Ich wüsste da etwas…!“, erwiderte Tom
„Ja..?“, hauchte Stella hoffnungsvoll.
„Du könntest mir vielleicht sagen, wo man hier in der Gegend ein nettes Plätzchen am Strand, etwas abseits von den Straßen, finden kann, damit ich dort übernachten kann. Ich denke, bis zum nächsten Ort möchte ich heute nicht mehr fahren!“, sagte Tom, wohlwissend, dass das nicht die Antwort war, die Stelle erwartet hatte.
Stella schaute Tom etwas verblüfft an und brauchte einen Moment, um eine Antwort zu geben. Sie war sich ihres Aussehens bewusst und noch nie hatte ein Mann etwas anderes haben wollen als ihren …zugegebenermaßen sehr sinnlichen …. Körper!
„Etwa 2 Meilen in die Richtung kommt eine Tankstelle!“, antwortete Stelle kurz angebunden und deutete in die Richtung in die Tom auch fahren wollte.
„Kurz hinter der Tankstelle geht eine schmale Straße rechts ab. Die führt bis an einen sehr schönen Sandstrand. Um diese Zeit ist dort nie jemand. Versuche es mal da.“
„Danke! Das hört sich gut an!“, antwortete Tom, „Gute Weiterfahrt!“
Tom ging zu seinem Motorrad und musste grinsen, als er an das verblüffte Gesicht von Stella dachte. Als er auf seinem Motorrad saß und seinen Helm aufsetzte, konnte er Stella in seinem Spiegel noch einen Moment mit in die Hüften gestemmte Arme hinter sich stehen sehen, bevor sie sich umdrehte, wütend einen Stein wegkickte und in ihr Wohnmobil stieg.
Tom und Stella fuhren beide gleichzeitig los und Tom konnte das Wohnmobil die ganze Zeit hinter sich sehen. Schon nach kurzer Zeit kam die Tankstelle in Sicht, die Stella erwähnt hatte. Tom bremste sein Motorrad ab und bog dann in die kleine Seitenstraße ab. Er schaute noch einmal zum Wohnmobil, hupte kurz und hob seine linke Hand zu Gruß. Er konnte Stella kurz sehen, bevor sie an der Straße vorbeifuhr und ihrem Ziel entgegensteuerte.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 5422

Weitere Geschichten aus dem Zyklus:

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben