Stoaalm

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Stoaalm

Stoaalm

Michael Müller

Die beiden Männer verabschiedeten sich von einander und er begann die letzte Etappe seiner Wanderung.
In etwa drei Stunden sollte er einen Bergsee in der Nähe der in der Karte als verfallen bezeichneten "Stoaalm" erreicht haben. Dort wollte er Rasten und eine Mahlzeit kochen. Dann rechnete er noch mit rund fünf Stunden um den Gipfel zu erreichen.
Wenige hundert Meter von der Hütte entfernt begann der Weg steil anzusteigen. Dem Gelände folgend wand sich der Bergpfad dem Plateau auf dem der See lag zu. Bald schon lag die Baumgrenze hinter ihm. In südliche Richtung, dem Verlauf des Weges entgegensetzt, öffnete sich das Tal. Wenn er kurz anhielt und sich umwandte bot sich ihm ein beeindruckendes Bild der Bergmassive dar. Schneefelder leuchteten in der Sonne und die Luft war klar und roch würzig nach den erblühenden Blumen.
Schon seit längerem hatte er das Almgebiet hinter sich gelassen. Der Klang der Glocken der weidenden Leittiere – Rinder und Schafe aber auch einige Ziegen – war nicht mehr zu hören. Dafür pfiffen jetzt Murmeltiere ihre Nachrichten von Bau zu Bau und Dohlen zogen krächzend ihre Kreise.
Der Bergsee lag nun vor ihm. Die letzte Strecke des Weges führt leicht abfallend in die Senke. Nach einem Blick auf seine Uhr stellte er zufrieden fest, dass der Aufstieg keine, so wie er gedacht hatte, drei Stunden gedauert hatte. Es war kurz nach halb elf, also hatte er den Weg in rund zweieinhalb Stunden geschafft.
Er suchte sich einen Rastplatz nahe des Ufers, zog seine Schuhe und Socken aus und watete in den See. Das Wasser war eisigkalt und er hielt es nur wenige Minuten darin aus. Dann packte er das Kochgeschirr aus und bereitete sich ein Fertiggericht.
Nach dem er gegessen hatte holte er neuerlich Wasser um sich noch Tee zu kochen.
Nach der ersten Tasse legte er sich ins Gras, sah den Dohlen am Himmel nach und bemerkte plötzlich, das er von totaler Stille umgeben war.
Kein Murmeltierpfiff, kein Dohlengekrächze. Auch das leise Säuseln des Windes war nicht mehr zu hören. Sein Blick folgte einem Bussard, der sich von der Thermik in weiten Kreisen aus dem Tal immer Höher tragen ließ. Von dem hellen Licht ermüdet, schloss er seine Augen.
"Hallo! Ich werde sie doch nicht etwa aufgeweckt haben?"
Überrascht setzte er sich auf. Die Stimme kam von einer Frau in Arbeitskleidung. Hose und Jacke waren aus dem grünen Stoff, der auch für die Jagdkleidung verwendet wird, die Schuhe waren derbe Arbeitsstiefel. Es war ihnen anzusehen, dass sie schon einige Jahre und viele Schlechtwetterperioden erlebt hatten.
Am meisten überraschte ihn aber, dass die Sonne schon tief im Westen stand. Noch einige Minuten und sie wird hinter dem vor ihm liegenden Berggrat versunken sein. Er sah auf seine Uhr: fast 5 Uhr! Offenbar war er eingeschlafen und hat gute fünf Stunden hier am Ufer des Bergsees gelegen!
"Sie scheinen mir aber recht verstört. Haben sie Angst vor Menschen?"
"Nein – natürlich nicht. Ich kann es nur nicht fassen, dass ich fünf Stunden verschlafen habe. Um 5 Uhr wollte ich schon den Abstieg vom Gipfel beginnen und nun liege ich hier am Ufer des Sees. Keine Ahnung wie lange ich noch weiter geschlafen hätte, wären sie nicht gekommen.

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