"Wird sie überrascht sein über meine Anwesenheit?"
"Nein, wir haben mit dir gerechnet."
"Ihr habt mit mir gerechnet? Wie meinst du das?"
"Wir wussten, dass heute jemand kommt. Eigentlich haben wir schon vor drei Wochen gewartet."
Er blieb stehen. Das eben gesagte war ihm nicht geheuer. Seine Wanderung wollte er tatsächlich vor drei Wochen unternehmen, musste sie aber wegen der Erkrankung eines Kollegen verschieben. Nun erfuhr er, dass drei ihm unbekannte Menschen auf ihn gewartet haben - auf einer als "verfallen" gekennzeichneten Alm!
"Bleib bitte stehen! Maria, du musst mir erklären was du damit meinst: ihr hättet auf mich gewartet!"
"Komm weiter. Du nimmst meine Worte viel zu ernst. Hier heroben haben wir selten Besuch. Wenn du hier leben würdest, könntest du verstehen, dass wir immer auf Besuch warten."
Die Antwort war nicht wirklich zufriedenstellend für ihn. Er beschloss aber nicht weiter zu fragen.
Kaum 200 Meter entfernt lag das Haus. Zunächst fiel ihm nicht auf, dass das Haus, das vor 16 Jahren verschüttet und anschließend neu aufgebaut wurde, aussah als stünde es seit mehr als 100 Jahren. Erst als er die Küche betrat, die alten Möbel und den Holzherd sah begann seine Verwunderung darüber.
"Vater, Mutter ich bringe unseren Gast" begann Maria seine Vorstellung "das ist Fritz. Ich habe ihn eingeladen die Nacht in unserem Haus zu verbringen."
Der Vater stand auf, schüttelte Fritz die Hand und hieß ihn willkommen. Dann begrüßte ihn die Mutter "Sie können im Dachgeschoss im Gästezimmer schlafen. Das Bett wird ihnen Maria richten. Und zum Essen gibt’s Geselchtes und Sterz."
"Zuerst gehe ich melken. Das Bett richte ich später" sagte Maria und ging in den Stall.
"Kommen sie, bis das Essen fertig ist geht sich noch ein Schnaps aus" lud der Vater Fritz ein.
"Maria erzählte mir, das Haus sei vor 16 Jahren verschüttet worden. Für mich macht es aber den Eindruck schon seit mehr als 100 Jahren an seinem Platz zu stehen. Wie ein neu errichtetes Haus sieht es für mich nicht aus. Auch die Möbel und der Herd scheinen mir älter zu sein" bemerkte Fritz zum Vater mit dem er nun am Küchentisch saß Schnaps trank.
"Nicht alles wurde von den Felsmassen zerstört und einige der Möbel stammen aus anderen Häusern. Ich wollte die Alm wieder so aufbauen als hätte es diese Katastrophe nie gegeben."
"Und es ist gelungen" fühlte sich Fritz veranlasst zu erwidern.
Die Männer unterhielten sich noch einige Zeit über das Leben und Arbeiten auf einer Alm. Fritz war dankbar, einen Gesprächspartner zu haben, der offenbar sein Leben als sehr erfüllt erlebte ohne aber ins romantisieren zu Verfallen.
Ihre Unterhaltung wurde von Maria unterbrochen, welche die beiden Männer in die Küche zum Abendessen rief.
Während des Essens wurde Fritz von Marias Eltern immer wieder nach seinem Leben und seiner Arbeit befragt. Einige ihrer Fragen waren aber so auf ihn bezogen, dass er den Eindruck gewann, mit Menschen aus seinem unmittelbaren Lebensumfeld, und nicht mit solchen, die fast 200km von seinem Wohnort entfernt auf einer Alm lebten, zu sprechen.
Stoaalm
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