Sünde - Der Versuch einer Befreiung - Teil 7

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Sünde - Der Versuch einer Befreiung - Teil 7

Sünde - Der Versuch einer Befreiung - Teil 7

Michael Müller

Der erste Freitag im Mai jenes Jahres, in dem Ulrichs neununddreißigster Geburtstag gefeiert werden würde, war ein sommerlich warmer. Wie an jedem Freitag, so er nicht Überstunden machen musste, verließ Ulrich auch an diesem kurz nach 14:00 Uhr das Büro.
An diesem Freitag hatte er aber beschlossen, nicht sofort nach Hause zu fahren. Er hatte sich vorgenommen noch eine kurze Spazierfahrt mit seinem Auto zu unternehmen.
Die Straßenbahn brachte Ulrich zu dem Platz auf dem er sein Auto die meisten Tage der Woche parkte.
Ulrich kam nur langsam in dem zäh dahinrollende Stadtverkehr weiter. Am Beginn der Auffahrt zur Autobahn stand, offenbar eine Mitfahrgelegenheit suchend, eine junge Frau. Ulrich ignorierte die hinter seinem Fahrzeug laut hupenden Autos und hielt bei ihr an. Ob er sie nach A. mitnehmen könne, fragte sie ins offenen Fenster der Beifahrertüre gebeugt.
Ja, antwortete Ulrich und ließ sie einsteigen. Sie hatte eine große Reisetasche, die sie nun auf ihren Knien hielt. Am Pannenstreifen der Autobahn hielt Ulrich nochmals an und gab ihre Tasche in den Kofferraum seines Wagens.
80 Kilometer trennten sie von A. Während der Weiterfahrt waren beide gesprächig. Sie hieß Ulli, war 22 Jahre alt und Verkäuferin, wohne in der Stadt sei aber unterwegs um ihre Freundin in A. zu besuchen. Sie habe viele Freunde aber keinen "fixen", erst wolle sie ihr Leben noch genießen.
>Vögeln, das ist es was du genießen willst< dachte Ulrich
Ulrich erfand einen Freund, der in einer der Ortschaften nahe der Autobahn eine Gaststätte betreibe und lud Ulli ein, dort mit ihm Nachtmahl zu essen. Nach einigem Überlegen, stimmte Ulli zu. Ulrich fuhr die Autobahnausfahrt ab, einige Kilometer auf einer Bundesstrasse und bog in eine breite Sandstrasse ein.
"Wohin fährst du?" fragte Ulli
Ulrich lächelte: "Wir werden vögeln."
Ulli versuchte aus dem langsam fahrenden Auto zu springen, hatte die Wagentüre schon geöffnet, als Ulrich reagierte.
Er fasste sie am Unterarm: "Keine Angst, wir werden nur vögeln", versuchte er sie zu beruhigen. Die Wagentüre stand offen, als Ulrich kurz das Tempo erhöhte, fiel sie wieder ins Schloss.
Vor ihnen lag ein kleiner Wald auf den Ulrich zu fuhr.
"Nicht in den Wald," bat sie.
"Ich bin gerne im Wald," ließ Ulrich sie wissen.
"Okay, okay," Sagte sie.
Von den Bäumen vor neugierigen Blicken aus vorüberfahrenden Autos verborgen hielt Ulrich das Auto an. Ihr Arm war noch immer von Ulrichs Hand fest umschlossen. Er stieg aus, zog sie an der Hand über den Fahrersitz zu sich, aus dem Auto. Dann, ihren Arm fest umklammert zog er sie noch ein Stück weiter auf der Forststrasse.
"Lass es uns hier machen," bat sie. Ihre Stimme klang sanft, zitterte leicht.
Er sah sie an. Sie hatte Tränen in ihren Augen.
"Gleich hier," bat sie noch ein mal und: "lass meinen Arm los, bitte."
Zögernd löste er seinen Griff.
"Gut," flüsterte sie "sehr gut."
Ihre Stimme war sanft, leise, zitterte. Ulrich war erregt. Sie öffnete den Bund Ihrer Hose.
"Willst du's dir zuerst ansehen?" fragte sie mit dieser zärtlichen, sanften Stimme.
"Knie dich doch nieder," schlug sie vor. Langsam zog sie am Bund, der Zipp öffnete sich. In dem sich immer weiter öffnenden Spalt wurde ihre Unterhose sichtbar.
Ulrich kniete vor ihr. Hatte endlich eine Frau gefunden die ihn verstand. Verstand, dass er vögeln wollte, nur vögeln. Eine Frau die ihm ihre Stelle betrachten ließ. Ihm ihre Stelle betrachten ließ und dann mit ihm vögeln wollte.
Langsam machte sie einen Schritt zurück, eine rasche Drehung in ihrer Hüfte. Ihre Ferse traf Ulrich auf die Stirn, zwischen seinen Augen. Er sank nach vor, stützte sich auf die Knöchel seiner Finger.
Alles vor ihm war verschwommen, unklar. Nur kurz, kaum eine Sekunde, dann sah er, dass sie bereits am Wagen war, daran vorbeilief, zur Strasse.
Ulrich sprang hoch, folgte ihr, schwankte als er lief.
Sie wandte sich kurz um, sah deshalb nicht den Ast der vom Laub halb verdeckt quer über die Strasse lag. Sie verfing sich mit ihrem Fuß, stürzte, schlitterte noch eine kurze Strecke weiter. Ulrich sprang sie an. Sie kam hoch, wollte weiter. Ulrichs Hand hielt sie am Knöchel, riss sie wieder nieder.
Er war über ihr, presste ihre Schultern gegen den Boden. Ihre Finger schossen zu seinen Augen. Im letzten Augenblick konnte er sie abwehren. Er umfasste ihren Hals, hob dabei ihren Kopf , schlug ihn gegen den Boden. Ulrich sah den Stein nicht, der vom Laub verdeckt nur mit einer scharfen Kante aus dem Boden ragte. Den Stein, dessen Kante die Haut an Ullis Hinterkopf durchstieß und kleine Splitter ihres Schädelknochens wie Pfeilspitzen in ihr Gehirn schoss. Ulrich hob sie auf. Widerstandslos ließ sie es geschehen. Er trug sie auf eine kleine Lichtung und es kostete ihm einige Mühe, sie von ihrer engen Hose zu befreien. Lange betrachtet Ulrich ihre "Stelle". Strich zärtlich mit seinem Finger über ihre Spalte.
Dann war er in ihr, ließ seine Sperma in sie fließen und flüsterte: "Ich will dich heiraten."
Sie aber gab ihm keine Antwort.
Ihr Gesicht wirkte ängstlich, als er sie ansah.
"Ich kann gut für dich sorgen," sagte er zu ihr.
Sie blieb stumm.
Er saß neben ihr und erzählte. Von seiner guten Anstellung, von seinem geräumigen Zimmer, von seiner Mutter, die trotz ihres Alters ihn so gut umsorgt.
Er sagte ihr auch, wie glücklich er war, nun endlich eine Frau gefunden zu haben, die ihn verstand.
Sie aber lag nur still, hatte ihre Augen halb geschlossen, gab keine Antwort.
"Warum gibst du keine Antwort? Was ist los? Du wolltest doch vögeln. Also? War's nicht gut genug für Dich?"
Ulrich wurde zornig.
"Bist du auch so eine die mich ignoriert? Zuerst vögeln und dann ignorieren, ist es das? Ja?"
Er stand auf.
"Du bist nicht besser als all die anderen - Nutten! Ja, du bist auch so eine - Nutte! Ich werde jetzt fahren. Sieh zu wie du weiter kommst! Du Nutte!"
Er ging zum Auto fuhr die Forststrasse weiter. Als er an der Stelle vorbeikam an der er Ulli auf die kleine Lichtung getragen hatte, hielt er an und stieg aus. Über das Wagendach schrie er ihr zu: "Ja das bist du, eine
Nutte!" dann stieg er ein fuhr weiter. In den Rückspiegel blickend sah er einen leicht angeschwollenen roten Fleck auf seiner Stirn. Einen Fleck der langsam dunkler wurde, sich blau verfärbte.
Zu Hause sagte er seiner Mutter, er wäre gestürzt. Auch den Kollegen im Büro sagte er es.
Als Ulrich am ersten Samstag im Juni mit seiner Mutter aus dem Supermarkt kam, am Monatsbeginn erledigten sie gemeinsam den monatlichen Grosseinkauf, und das Gekaufte im Kofferraum seines Autos verstauen wollte, lag in diesem eine Reisetasche.
Langsam stieg die Erinnerung an eine Autostopperin in Ulrich hoch. Anfang zwanzig war sie gewesen, ihr Name? Der fiel ihm nicht ein. Jedenfalls haben sie und er im Wald gevögelt, sie wollte aber dann nicht mehr mit ihm weiter fahren.
Er schob die Tasche zur Seite und verstaute die vollen Plastiksäcke aus dem Supermarkt. Auf der Heimfahrt hielt er an einem Sammelcontainer für Altkleider an und entsorgte darin diese Tasche.
Mitte September wurde seine Mutter krank, erholte sich kaum mehr, blieb kränklich. Ulrich pflegte sie aufopferungsvoll, unternahm keine abendlichen Spaziergänge, stellte seine Sonja-Besuche ein. Vier Monate vor seinem einundvierzigsten Geburtstag wurde seine Mutter in einem Pflegeheim aufgenommen. Ulrich besuchte sie täglich, saß an ihrem Bett, las ihr vor oder hielt ihre Hand wenn sie schlief. In die Wohnung kam er nur um zu schlafen, zu duschen, hin und wieder kochte er sich ein Essen. Sieben Wochen war Ulrichs Mutter in dem Heim, sieben Wochen pochte sie mit ihrer nun schon schwachen Hand Einlass heischend an die Pforte des Himmels. Ihr schwaches pochen wurde in den weiten des Himmels aber lange nicht gehört. Erst nach sieben Wochen dürfte irgend ein Engel, vermutlich zufällig, auf ihr leises pochen reagiert und sie eingelassen haben.
Ihr Begräbnis war ehrfurchts- und eindrucksvoll. Fast alle Mitglieder der Pfarre, viele der Nachbarn, Nah- und Weitschichtigverwandte schritten hinter ihrem Sarg um diesen und die darin liegende Leiche Ulrichs Mutter auf dem letzten Weg zu ebendieser Ruhestätte zu begleiten. Der Pfarrer, zu Ulrichs Erleichterung ein junger und nicht der, dem er vor rund dreißig Jahren das erste Ausfließen seiner "Sünde" gestanden hatte, hielt die Grabrede und gab den Trauergästen auch einen Überblick über Mutters Lebenslauf. Das umfangreiche Manuskript in seinen Händen ließ viele der Anwesenden unruhig werden. Nach der Rede ließ Ulrich als erster eine Blume auf Mutters nun schon am Boden des Grabes ruhenden Sarg fallen, schmiss ein Schäuflein Erde nach und nahm dann, am noch offenen Grab stehend, mit seiner Rechten unzählige Hände schüttelnd, mit seiner Linken sich von Zeit zu Zeit Tränen aus den Augen wischend, Worte der Kondolenz entgegen. Diese klangen ebenso auswendiggelernt und inhaltslos als jene die er seit seiner Kindheit freitags als Einleitung seiner Beichte verwendet.
Ulrich verließ den Friedhof erst nachdem er dem Vorarbeiter der Totengräbertruppe, er erkannte ihn daran, dass dieser auf einen Krampen gestützt die Arbeit der beiden anderen beobachtete und kritisch kommentierte, eine Summe Geldes in seine erdverschmierte Hand gelegt hatte, die dessen Augen von berufsbedingter Trauerumflortheit zu leichtem Glanz verführten.
Beim durchschreiten des Friedhoftores fiel ihm ein vergessen zu haben eine handverlesene Gruppe der Trauergäste zu dem, Begräbnisfeierlichkeiten üblicherweise abschließenden, gemeinsamen Einnehmen von Speis und Trank - vulgo: Leichenschmaus - eingeladen zu haben.
Auf seinem Nachhauseweg kaufte Ulrich erstmals eine jener Zeitschriften die schwerpunktmäßig in wenigen Worten, vielen bunten Detailbildern und unter Anderem darüber informieren, wie frei Sexualität auf Personalebene in Spitälern Ausdruck findet und gelebt wird. Drei Tage vor seinem einundvierzigsten Geburtstag rief Ulrich in der Konditorei an in der auch seine Mutter immer angerufen hatte um seine Geburtstagstorte zu bestellen.
"So wie immer?" frug eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
"Ja, so wie immer," antwortete Ulrich.
Als er aber dann die Torte an seinem Geburtstag aus der Schachtel nahm erkannte er, dass seine Bestellung etwas voreilig, vielleicht auch unbedacht erfolgt war. In den kommenden Jahren hatte ein Veränderung, wenn auch eine nur geringe, zu erfolgen.
Es war nicht die Torte die einer Veränderung bedurfte. Die Torte war gut, so wie immer.
Es war die mit weißer Zuckerglasur gemachte Aufschrift die verändert werden musste. Die Aufschrift, die da lautete: /Die besten Wünsche zum Geburtstag, von Deiner Mutter/.
Der Herausnahme der Torte aus der diese schützenden Schachtel ging am späten Nachmittag des Vortages, ca. 17:00 Uhr, deren Abholung aus der Konditorei mit angeschlossenem Kaffeehaus voraus. Übereicht wurde das Konditorerzeugnis bereits durch schützendem Karton den Blicken Ulrichs verborgen mit einem freundlichen Lächeln und Nennung des Wertes der Ware an ihn von einer Dame Mitte dreißig, leicht mollig und beginnendem Doppelkinn, bekleidet mit einer hellgrün und weiß längsgestreiften Kleiderschürze an deren Vorderseite auf der Höhe des Ansatzes ihrer vollen, weitausladenden, linken Brust ein schmaler, vielleicht fünf Zentimeter langer Streifen eines weißen Bandes aufgenäht war und die mit Textilstift angebrachte Aufschrift /Frau Helga/ trug.
Mehr von Frau Helgas Körper sah Ulrich an diesem Tage nicht, da Frau Helga hinter dem Verkaufspult stehend bis weit über ihren Nabelbereich von diesem verdeckt wurde. Frau Helga, so schloss Ulrich mit nun bereits geschultem Blick, war von kleiner Statur.
An seinem Geburtstag, alleine in der nun mutterfreien Wohnung und beim Anschneiden der Torte, tauchte das Bild dieser Frau Helga in Ulrichs Gedanken auf. Mit jedem Stück der Torte, dass sich Ulrich gedankenversunken in den Mund schob, nahm Frau Helgas Phantombild deutlichere Formen an. Ihre weit ausladende, vollen Brüste luden ihn zu Vergleichen mit einem anderen Busen, jenem Claudias, ein. Auch Frau Helga, entschied Ulrich wäre in der glücklichen Lage Neugeborene ausreichend mit qualitativ hochwertiger Nahrung zu versorgen. Ulrich entschied, den zugegebenermaßen extrem flüchtig verlaufenen ersten Kontakt zu Frau Helga nach Ablauf der dafür vorgesehen, einem ungeschrieben gesellschaftlichem Gesetz folgenden Trauerzeit in der Länge von drei Kalendermonaten beginnend am Tage der Beerdigung der Verblichenen, zu intensivieren.
Am ersten, dem der nun abgelaufenen Trauerzeit folgendem Tage, betrat Ulrich, den kürzesten, ihn bekannten Weg zwischen seiner Arbeitsstätte und der Konditorei gegangen habend, das dieser angeschlossenen Cafe. Erleichtert stellte er fest, dass in dem Cafe ein Tisch in der Nichtraucherecke frei war.
Die Servierkraft, ein junges, noch in Ausbildung befindliches Mädchen näherte sich seinem Tisch. Ihr kurzes, schwarzes Röckchen, darüber ein winziges weißes Schürzchen mit Rüschenborten, gab den Blick auf ihre Beine, deren Oberschenkel um ein Spur zu stark wirkten, frei. Aus dem Bund ihres Röckchens bauschte eine Bluse mit rüschenumranktem Ausschnitt. Mehr erahnen denn erkennen konnte Ulrich, seitlich in den Ausschnitt blickend, eine
wohlgeformte, noch jugendlich kleine Brust.
Als sie nach seinem Wunsch frug, teilte ihr Ulrich nur diesen nach einer Tasse Kaffee mit. Andere, in Ulrich durch ihren Anblick entstandene Wünsche verschwieg er.
Ehe noch der bestellte Kaffee vor ihm stand zog sich Ulrich auf die Toilette zurück und verließ diese erst nach Ausfluss seiner Sünde und längerem von
Erfolg gekröntem Versuche, mit pumpenden Bewegungen der in den Abfluss der Toilettenmuschel gesteckten WC-Bürste, diesen zur Veiterleitung der beiden Papierhandtücher, deren Volumen durch die in sie gewickelte Sünde Ulrichs gesteigert worden war.
Er erreichte seinen Tisch in dem Moment wieder, als die Servierein die von ihm bestellte Tasse Kaffee brachte. Den Anlass seines Besuches sah er aber kaum. Nur Frau Helgas dunkler Haarschopf war über den am Verkaufspult stehenden Vitrinen sichtbar. Seinen Kaffee bedächtig schlürfend, ersann Ulrich neue Strategien. Drei Tage darauf kam Ulrich wieder. Diesmal aber nicht mit der Absicht Kaffee zu trinken. Er plante, durch vorgetäuschte Unschlüssigkeit aber fester Kaufabsicht, sich von Frau Helga bei der Auswahl eines Tortenstücks, den begehrlichen Blicken der Kauflustigen hinter den Glasscheiben der Vitrinen dargeboten, ausführlichst beraten zu lassen. Das dabei entstehende Gespräch würde Ulrich so geschickt lenken, dass seine Einladung an Frau Helga doch an einem der nächsten Abende gemeinsam mit ihm und auf seine Rechnung ein Nachtmahl in einem preiswerten Restaurant einzunehmen, als völlig logisches Nebenresultat aus der entstanden Diskussion "Welches Tortenstück können sie mir empfehlen" sich ergeben werde..
Es gelang Ulrich zwar seine Einladung völlig ungezwungen in das Gespräch einfließen zu lassen, diese wurde aber von Frau Helga zurückgewiesen. Ihre Begründung für die Zurückweisung war nicht mangelndes Interesse an Ulrich.
Oh nein, dies betonte sie sofort. Einzig der Umstand, dass sie eben eine Diät einhalte welche Nahrungsaufnahme nach 17:00 Uhr untersage, sei alleinige Ursache ihrer Ablehnung. Bereit wäre sie aber, gemeinsam mit Ulrich nach ihrem Dienstschluss um 19:30 Uhr in einem beliebigem, von Ulrich ausgewähltem Lokal eine Schale ungezuckerten Kräutertees zu konsumieren.
Ulrichs Herz machte einige arhythmische Schläge als er nun Ort und Zeit des Treffens fixierte.
In seinem Innersten tief bewegt ging Ulrich nach Hause um dort feststellen zu müssen, auf den Kauf eines Tortenstückes vergessen zu haben.
Das erste Treffen mit Frau Helga verlief für diese und Ulrich perfekt. Er glaubte mit Frau Helga endlich am Ziel seines Wunsches nach einer Ehegattin angelangt zu sein. Sie, Helga wie er sie von diesem Tage an nennen durfte, war zwar seit fünf Jahren geschieden und somit nicht mehr als jungfräulich zu bezeichnen, hatte aber nach ihrer Ehescheidung bloß zwei kurzfristige Bekanntschaften mit Männern, die letzte endete vor acht Monaten; und konnte deshalb nicht -Ulrichs Ansicht nach - dem von Kurt gezeichnetem Bilde von "sexbesessenen Frauen" zugeordnet werden. Seinen Vorschlag zu vögeln würde sie aber trotzdem sicher freudig und dankbar bei dem nächsten Treffen annehmen, dachte Ulrich. Das nächste Treffen wurde für den kommenden Montag vereinbart. Helga hatte Wochenenddienst in der Konditorei und am Montag ihren freien Tag, Ulrich tauschte sechs Überstunden gegen acht Normalarbeitsstunden und war damit am Montag seiner sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen von Anwesenheit und Mitarbeit im Büro enthoben. Als ihrer körperlichen Vereinigung am besten entsprechenden Platz bestimmte Ulrich die Wiese einer kleinen Lichtung im nahen Walde. Dort angekommen störte ihre Idylle das laut vernehmbare, an- und abschwellende kreischen einer Motorsäge. Dieses wurde zwar immer wieder kurzzeitig unterbrochen. Dann drang aber stattdessen Ächzen und hölzernes Splittern eines stürzenden Baumes zu den beiden Liebenden. Diese Störung nicht weiter beachtend, trat Ulrich, kaum mit Helga an seiner Seite auf der Lichtung angekommen, vor sie, sah ihr liebevoll in die Augen und sprach:
"Jetzt will ich vögeln."
Helga stand steif und versuchte zu lächeln: "Das meinst du doch nicht wirklich!"
"Doch doch," bestätigte ihr Ulrich die Richtigkeit des eben gehörten.
"Ich will vögeln," fuhr er dann fort "und es wird dir sicher gefallen. Alle Frauen vögeln doch gerne," versuchte er Helga sein die Wünsche der Frauen betreffendes Wissen zu vermitteln.
"Ich will sofort von dir nach Hause gebracht werden," war ihre Antwort und sie schickte sich an den eben gekommenen Weg zurück zu gehen. Ulrich hielt sie an ihrem fleischigem Oberarm fest.
Weinerlich klang sein "Glaub mir doch, nur vögeln."
Helga wandte sich zu ihm.
"Lass sofort meinen Arm los!" befahl sie.
Seine Hand taste über ihre Brust. Weiche fühlte sich diese Brust an. Helga schlug auf seine Hand "Du Schwein, lass los!"
Irritiert vom Schlag gab Ulrich Helgas Arm frei. Sie begann zu laufen. Ihre Beine, nicht dafür trainiert innerhalb von wenigen Sekunden die Masse des Körpers in Beschleunigung zu versetzen, noch weniger die erreichte Geschwindigkeit über eine lange Strecke aufrecht erhalten zu können, gaben ihr Bestes, Helga von Ulrich zu entfernen. Der aber holte Helga rasch ein und riss sie an ihren Schultern an sich. Erst jetzt stieß Helga laute und verzweifelte Hilferufe aus. Ulrich wollte ihren Hals umfassen, konnte aber seine Finger nie lange um dessen weiches Fleisch schließen. Wieder und wieder gelang es ihr seinen Griff abzuwehren. Wieder und wieder schrie sie so laut, dass Ulrichs Ohren schmerzten.
Auch gelang es ihm nicht diese Frau zu Boden zu ringen. Stehend trugen sie ihren Kampf aus. Ulrich sah in ihre Augen, erkannte darin ihre Angst aber auch wie sehr sie ihn verachtet.
"Ich will nur vögeln," jammerte er immer wieder.
Als Helga stolperte, schon fast am Boden lag, riss eine kräftige Hand Ulrich an seiner Schulter hoch. Ulrich schwang herum und sah eine gewaltige Faust auf sein Gesicht zurasen. Von diesem nicht vorhergesehen Ereignis überrascht, unternahm Ulrich keinen Versuch dieser Faust auszuweichen oder sie abzuwehren. Ein noch nie von ihm erlebter Schmerz durchraste seinen Kopf als diese Faust sein Nasenbein zertrümmerte, an seinem nun nach hinten geschleuderten Kopf abglitt und dabei noch genug Kraft besaß sein linkes Auge zu verschließen.
Traumloser Schlaf umhüllte ihn augenblicklich. EpilogVon neuen Techniken unterstützt gelang es der Polizei Beweise für Ulrichs Täterschaft in vier noch ungeklärten Mordfällen zu finden. Ulrich gelang es nicht, seinem Richter eine vollständige, detaillierte Schilderung seines Kampfes gegen die Sünde zu geben. Immer wieder wurde er in seinen Ausführungen unterbrochen. Sein Richter stimmte mit im nicht darin überein, dass Ulrich von bösen Mächten in Form von ihn zu sündhaftem denken verführenden Frauen umgeben, diesen alleine und hilflos gegenüberstand. Sabinas kurzer Rock, ihr nacktes Knie, dass sie so hielt, dass er es berühren musste als er mit ihr los fuhr; der wiegende Gang der Frau im Schlosspark, wie sie auffordernd ihre Hüften schwang damals, nach dem sie es so einzurichten wusste knapp vor Ulrich den Kiesweg zur Bushaltestelle zu gehen.
Auch einen vom Gericht zu Rate gezogener Psychiater konnte diese Erklärungen nicht davon überzeugen, dass er, Ulrich, von sündhaft-sexbesessenen Frauen durch deren Schweigen auf seinen ihnen gemachten Heiratsantrag erniedrigt und zum Praktizieren von Onanie verleitet, getrieben wurde. Sein Ziel aber, so erklärte er dem Arzt, war es gewesen, eine Frau aus ihrem sündhaften Leben zu befreien, ihr ein treuer Begleiter und Führer in einem dann gottgefälligen Leben zu sein. In einem Leben als Mann und Frau, verbunden, gebunden durch einen gemeinsamen Schwur vor Gott.
Auch am Ableben der vier Frauen träfe ihn keine Schuld, versuchte Ulrich seinen Richter zu überzeugen. Diese Frauen hätten ihn ignoriert und deshalb hatte er sich von ihnen getrennt. Wieso hat keine dieser Frauen, so frug
Ulrich, nicht seine Naivität erkannt? Dahinter seine ernsten Absichten? Warum hat nicht die Frau im Cafe, die Frau von deren Tisch er sich eine Zeitung holte, warum hat sie nicht einfach aufgeblickt und gefragt: "Willst du bumsen?". So klar sich zu ihren Wünschen bekannt als Sonja es tat, damals am Faschingsdienstag in der Bar?
Wer am Tot der Frauen schuld sei, könne er, Ulrich, nicht wissen. Als er die Beziehung abbrach, alleine zurück zu seinem Wagen ging, hatte er sich nicht mehr umgewandt.
Schuldig fühlte sich Ulrich nur den kleinen Rucksack aus dunkelrotem Kunststoff, den Rucksack den Sabina in seinem Auto vergessen hatte, in eine Abfalltonne geworfen zu haben anstatt diesen ihr zurückzugeben. Schuldig auch, die Reisetasche in einem Sammelcontainer für Altkleider deponiert zu haben. Richtig wäre es gewesen dies am Fundamt zu tun.
Ja, gestand Ulrich, das waren unrichtige Handlungen und dafür gehöre er bestraft.
Der Richter war aber doch ein gnädiger. Er verschonte Ulrich davor, all die Jahre bis zu dem Augenblick wenn Ulrichs Pochen an die Himmelstüre vernommen worden war und er eintreten durfte mit wenigen Männern in einem engen Raum verbringen zu müssen. Mit Männern die Ulrichs Schlaf unruhig machen könnten, seine Nächte schmerzerfüllt.
Davor bewahrte der Richter Ulrich.
Ulrich verbrachte den Rest seiner Zeit auf dieser sündigen Erde in einem hellen Raum in einem, einem Hotel nicht unähnlichem, Gebäude. Wie frei das dort beschäftigte Personal seiner Sexualität Ausdruck gibt und diese lebt, glaubte Ulrich aus Zeitschriften erfahren zu haben.

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