Ich konnte es kaum fassen, was dort haarklein geschrieben stand. Eiskalt lief es mir über den Rücken, wie knapp ich solch einem Schicksal entgangen war. Nach dem Rauswurf bei meinem Verlobten, und weil ich mich ja sogar als seine neue Geliebte angeboten hatte, wäre ich eine leichte Beute gewesen. ‚Da hast du gerade nochmal Glück gehabt, Josie‘, schlug ich mir selbst vor die Stirn, wie dumm und naiv ich doch war. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, dass auch Ela in diesen Sumpf geraten war, aus dem sie wohl selbst nicht wieder herauskommen würde.
Meine Antwort Chris gegenüber war sowieso, vorher schon, eindeutig und klar. Da gab es nicht den Hauch eines Zweifels. Was ich allerdings noch nicht wusste, wie ich Ela aus dieser Hölle befreien konnte. Ich musste unbedingt einen Weg finden, musste mit Chris darüber sprechen. So aufgebracht, wie er eben über die Machenschaften dieser Bande war, konnte er das doch nicht allen Ernstes gutheißen, was die Frauen dort zu ertragen hatten. Aber das ist eine andere Geschichte …
****
Chris und ich waren zwischenzeitlich nach langen, klärenden Gesprächen zu einer Einheit geworden. Falk kam morgens oft in unser Bett gekrabbelt und wollte sich bei mir seine Schmuseeinheiten abholen. Immer öfter war sein Papa abgeschrieben, wenn ich in der Villa war. Besonders dann, wenn ich an den Wochenenden dort übernachtete.
Es kam sogar häufiger vor, dass er sich verplapperte und mich „Mama“ nannte. Zu Anfang ließ es mich noch rot werden. Meistens kniete ich mich dann vor ihn und versuchte ihm zu erklären, dass ich nicht seine Mutter wäre. Ihn störte das herzlich wenig. Frech wie er war, fiel er mir dann um den Hals, gab mir einen feuchten Knutscher und nannte mich dann grinsend erst recht ‚Mama‘.
Chris und ich fanden auch im Bett immer besser zueinander. Nicht, dass wir den Sex in seiner Gesamtheit neu erfanden, aber es stellte sich heraus, dass Chris genauso experimentierfreudig war wie ich.
An die blöden Gummis konnte ich mich nicht so recht gewöhnen und war mit einer ärztlichen Untersuchung auf alle möglichen Geschlechtskrankheiten einverstanden. Mein Prinz war sich nicht zu schade, sich auch so einer Untersuchung zu unterziehen, so dass wir uns beide sicher sein konnten.
Von da an fühlte sich der Sex gleich noch eine Stufe besser an. Sicher Einbildung, aber selbst dieses hauchdünne Latex versaute mir oft die Lust durch seine reine Anwesenheit. Ohne diesen störenden Mantel, und mit etwas Hilfestellung meiner oder seiner Fingerkuppen, kam ich fast immer zu einem erlösenden Abflug. Oft erst nach unermüdlichen Spielereien an meiner Klit, langen, tiefen Stößen, erst dann, wenn wir die Hoffnung schon aufgeben wollten, und ich mich dann erst richtig fallen ließ. Dann aber so heftig, dass ich danach eine längere Pause brauchte, bis man mich wieder anfassen durfte.
Chris‘ Art, wie er verstand entsprechende Knöpfe an meinen Sensoren zu drücken, wie er meine Titten bearbeitete, meine Nippel liebkoste, war einzigartig. Das allein brachte mich oft an den Rand des Wahnsinns. Seine Zunge, zusammen mit seinen Fingern, erkundeten meine Frucht, suchten die Stellen, an denen ich besonders heftig reagierte. Und immer, wenn er wieder einen gefunden hatte, speicherte Chris seine Eindrücke sorgfältig in seinem Langzeitspeicher ab.
Dabei durfte er sich alles ansehen, weil ich mich meines Körpers nicht schämte. Auch, wenn ich meine Schamlippen hässlich und zu lang fand. Überhaupt gab es jede Menge schönere Pussys als meine.
Chris störte das alles nicht, er nahm es, wie es nun mal gewachsen war. Es machte mich aus, gehörte zu mir und damit war es für ihn wunderschön.
Ich flog an der Zimmerdecke meine Runden, wenn er mich leckte, an meinem Kitzler knabberte und dabei in meine Kirschkerne zwickte. Danach brauchte es dann meist nur noch ein paar tiefe Stöße, bis er mich ins Universum gefickt hatte.
Mit Chris zusammen fand ich den Schlüssel zu dem Geheimnis, was mich bis dahin einiger schöner Orgasmen beraubt hatte. Der Schlüssel hieß Liebe, absolutes Vertrauen, die Möglichkeit, sich dem Partner hinzugeben und sich völlig fallenlassen zu können. Je besser uns das mit der Zeit gelang, desto leichter erlebte ich reihenweise Orgasmen, die nicht selten mindestens denen ebenbürtig waren, die ich mit Sven erlebt hatte. Von da an, gab es kein Geheimnis mehr zwischen uns. Fantasien wurden besprochen, manchmal verrückte Ideen, über die wir nur lachen konnten. Es brachte uns wenigstens einen Schritt weiter. Insofern, dass wir lernten, dass es nichts gab, über das wir nicht reden konnten.
Sogar über meinen Dreier mit Sven und Herpes sprachen wir eines Abends ganz in Ruhe und ziemlich ausführlich. Chris war neugierig, was mich daran fasziniert hatte, welche Beweggründe ich damals hatte. Geduldig hörte er sich alles an, nickte an einigen Stellen meiner Erzählung verständnisvoll, kam am Ende dann aber wie mein Ex zu dem Schluss, dass es dumm und egoistisch war, und er genau wie mein Ex reagiert hätte. Nun wusste ich auch, was mir blühen würde, wenn ich doch mal wieder schwach werden würde.
In meiner Wohnung war ich immer seltener. Oft nur, um mir neue Sachen zu holen. Irgendwann hatte ich dort fast nichts mehr zum Anziehen, weil das meiste längst im begehbaren Kleiderschrank der Villa hing. Was noch fehlte, wurde einfach gekauft. Nicht von mir, natürlich nicht! Entweder Franzi wurde kurzerhand beauftragt, oder wir selbst machten ausgedehnte Shoppingtouren.
Noch vor zwei Monaten hätte ich mir nicht träumen lassen, wie schnell man sich an solch einen Lebensstil gewöhnen könnte. ‚Ich will von deinem Geld nichts‘, tönte ich vor wenigen Wochen noch entrüstet. Und nun machte es mir plötzlich nichts mehr aus, wenn Chris mal wieder über die Stränge schlug.
Chris hatte mich in den letzten Wochen ‚verdorben‘. Es verging kein Tag, an dem nicht irgendeine Aufmerksamkeit auf mich wartete. Eine Blume auf meinem Schreibtisch, eine Schachtel Pralinen auf meinem Kopfkissen im Bett, ein Ring, wenn wir uns beim Italiener verwöhnen ließen. Ein Armreif, wenn er mich mit einem Vorwand in sein Büro gerufen hatte. Eine Kette, weil ich meckerte, dass ich zu einem bestimmten Kleid keinen passenden Schmuck hatte.
Ein Herz, dass er aus einem Stück Wurst zum Frühstück herausgeschnitten hatte, und, und, und …! Die Liste könnte ich endlos weiterschreiben. Die Krönung war dann eine eigene Kreditkarte für eines seiner Konten. Das war der berühmte Tropfen zu viel, der mein Tränenwasser zum Überlaufen brachte.
„Nie wieder sollst du Not leiden, meine Prinzessin.“, flüsterte er mir zu, als er sie mir in die Hand drückte. Meine Tränen küsste er einfach weg. Immer, wenn neue kamen, nahm er sie gleich wieder auf. Keine einzige schaffte es bis an meine Mundwinkel, wo ich sie spätestens selbst abgefangen hätte. Ich lehnte mich an seine Brust, suchte den Schutz seiner Arme, den er mir nicht verwehrte.
„Nicht weinen, mein Schatz! Es ist doch nur Geld.“, küsste er meine Augenlider.
„Du sagst das, als wäre es nichts. Dabei ist es mehr als nur ein Geschenk. Es bedeutet Vertrauen, verlangt Ehrlichkeit. Es ist so viel mehr als nur Geld, verstehst du?“
„Stimmt schon Josie, das ist es. Aber ich weiß, dass du dieses Teil niemals unüberlegt nutzen wirst. Ach übrigens, das Tageslimit beträgt 15.000.“
„Sagtest du ‚Tageslimit‘, Schatz?“
„Ja, ist das zu wenig? Dann rufe ich morgen gleich bei der Bank an.“
„Zu we …, nun bleib mal auf dem Teppich, Liebster. Das ist utopisch viel.“
„Dann lade doch mal deine Mutter zum Shoppen ein. Überhaupt würde ich sie gern mal kennenlernen.“
„Die haben mich verstoßen, nachdem ich aus der Wohnung geflogen war und Thomas wegen des Dreiers die Verlobung gelöst hatte.“
„Dann wird es Zeit, dass ihr wieder zueinander findet. Mittlerweile sollte doch Gras über die Sache gewachsen sein.
„Wenn du meinst? Ich werde sie morgen mal anrufen.“
Chris drückte mir einen letzten, innigen Kuss auf die Lippen und verschwand wieder in sein Büro, aus dem er Minuten vorher gekommen war. Versonnen drehte ich die Plastikkarte in meinen Händen herum.
Es gab so viel, was man mit dem Geld anstellen könnte. Vielleicht könnte man die Frauen damit aus der Knechtschaft von Sven befreien. Vielleicht war es wirklich der Schlüssel zu meinen Eltern, aber wollte ich mich wirklich bei ihnen ‚einkaufen‘?
Was hatte er sich nur dabei gedacht, mich damit auszustatten. ‚… nie wieder Not leiden‘, hatte er gesagt. Ich rief Franzi an, die immer mehr zu meiner besten Freundin, zu meiner Vertrauten geworden war. Mit ihr konnte ich reden, wie mit einer ‚Mama‘. Wir waren zu einem weiblichen Bollwerk geworden, das sich gut gegen die Männerwelt in der Villa behaupten konnte. Egal ob es die Gärtner, der Handwerker oder Chris war, alle bekamen Wind von vorn, wenn es nötig war. Nur Falk hatte verständlicherweise Welpenschutz. Was aber nicht bedeutete, dass er sich alles erlauben durfte.
„Was hat der Bengel getan?“, fragte sie, nachdem ich ihr von der Kreditkarte erzählt hatte.
Na, jedenfalls bestätigte Franzi, dass er noch keiner seiner Ehemaligen eine solche Karte überlassen hatte.
Sowieso schüttelte sie immer öfter ungläubig den Kopf, wenn er es mit einem Geschenk mal wieder deutlich übertrieben hatte.
Wie gesagt, es machte mich selbst nachdenklich, wie schnell man sich an den Luxus gewöhnen konnte und als selbstverständlich erachtete.
****
Noch zwei Wochen später, es war ein Mittwoch …
Franzi: Falk kam wie immer aus dem Kinderhort auf mich zu gerannt. Sein helles Kinderlachen zauberte auch mir ein Lächeln um die Mundwinkel. Er war und ist einfach ein Sonnenschein. Und seit Josie in unserem Familienleben eine Rolle spielte, schien er mir noch eine Spur glücklicher zu sein.
Josie war wirklich ein Segen für uns alle. Das Kind blühte auf, von Chris ganz zu schweigen, und mich entlastete sie auch, wo sie nur konnte. Ich mochte sie. Ihre unkomplizierte Art, kein Stück auf den Prunk und Luxus fixiert, aber besonders ihre Art mit Falk umzugehen, der mir gerade seine Arme um die Beine schlang.
Die Gegend hier war wegen des Kindergartens schon lange verkehrsberuhigt. Aber wie überall gab es auch hier Autofahrer, die sich einen Dreck um Geschwindigkeitsbegrenzungen und Vorsicht scherten. Ich hatte mir angewöhnt, mich immer etwas mehr in Richtung Hauswand zu orientieren, wenn ich Falk abholte. Nur heute war der Junge so stürmisch, dass mich seine Wucht nahe an den Bordstein trieb.
Aus den Augen nahm ich den dunklen Lieferwagen wahr, der auffallend langsam heranrollte, maß ihm aber keine besondere Bedeutung zu. ‚Endlich mal jemand, der wusste was es bedeutete, durch eine verkehrsberuhigte Zone zu fahren!‘, dachte ich noch so bei mir, als ich plötzlich den Aufschrei von Falk hörte, einen festen Schlag auf meinen Hinterkopf spürte und mir schwarz vor meinen Augen wurde. Von da an, weiß ich nichts mehr …
****
Josie: „Sie wacht auf, Chris … endlich!“
Ich zupfte kurz an Chris‘ Zeigefinger, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er war gerade aufgeregt im Gespräch mit dem grauhaarigen Kripobeamten, der mit allem, ihm zur Verfügung stehenden Mittel versuchte, etwas Ruhe in die Situation zu bringen. Ruhe … was bildete der sich ein, wie soll man da als normaler Mensch ruhig
bleiben.
Für ihn war das leicht zu sagen, musste er doch beinahe täglich mit solchen Dingen umgehen. Aber ich wollte ihn mal erleben, wenn es seinen kleinen Jungen erwischt hätte.
Franzi wachte nur langsam auf und nahm die Menschen, den Raum um sie herum, sowie den dicken Verband um ihren Kopf wahr.
„Was ist passiert, wo bin ich, und was sind das für fremde Menschen hier?“
Chris und ich hatten uns neben das Bett gestellt, in dem sie lag. Eines von diesen Eisenbetten, wie es sie zu tausenden im Krankenhäusern gab. Mit einem einzigen Unterschied, dieses war ein Privatzimmer, bezahlt von Chris.
Nicht einen Wimpernschlag hatte er gezögert, die Kosten dafür zu übernehmen, als er erfuhr, dass Franzi mit schwerer Gehirnerschütterung im Krankenhaus lag. Chris hatte den Polizisten noch gefragt, ob mit Falk alles in Ordnung sei, und wo er seinen Jungen abholen könnte.
„Ein Junge? Wir wissen nichts von einem Jungen!“, klärte ihn der Polizist am Telefon auf.
„Das kann nicht sein! Meine Angestellte wollte ihn vom Kindergarten abholen!“
Diese Information passte plötzlich in das unvollständige Puzzle, zu dem, was andere Zeugen zu sehen geglaubt hatten. Dass ein schwarzer Kleinbus langsam heranrollte, dann aber die eigentliche Szene verdeckt hatte. Ob nun ein VW-Bus oder ein Mercedes, konnte niemand mit Sicherheit sagen. Eben nur, dass er schwarz war, schwarz mit verdunkelten Fenstern und ein Berliner Kennzeichen hatte.
Fortsetzung folgt …
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.