Vogelgezwitscher war von weiter weg zu hören. Es musste noch früh sein, denn das gedämpfte Morgenlicht drang nur spärlich durch die dicken Vorhänge. Außerdem roch es nach Tau, frisch gemähtem Gras und nach reiner, frischer Luft.
An die elektrischen Jalousien hatten wir gestern in unserer Geilheit nicht mehr gedacht. Ich sowieso nicht, weil ich nicht mal wusste, dass es sie gab. Und Chris nicht, weil seine Eier zu platzen drohten. Im Nachhinein betrachtet, war das auch gut so, sonst hätte ich diese unverbrauchte Luft jetzt nicht in meine Lungen saugen können.
Alles um mich herum war neu. Auch das Gefühl beim Aufwachen. Schon gestern, als wir diesen erfüllenden Sex hatten kam es mir vor, als ob ich noch auf dem Boot gewesen wäre. Unter mir schwankte es, als würde ich auf einer Luftmatratze über winzig kleine Wellen schweben. Noch immer müde, war dieses Gefühl wieder präsent. Unter mir bewegte sich alles, als ich mich auf den Rücken drehte und blinzelnd an die Decke sah.
Noch nie hatte ich in einem Wasserbett geschlafen, wusste nichts über seine Vor- und Nachteile. Was ich aber sicher sagen konnte war, dass ich wie ohnmächtig darin geschlafen hatte. Sagenhaft schön, tief und erholsam. Chris atmete ruhig und gleichmäßig, auch nicht das leiseste Schnarchen war zu hören. Er sah so friedlich, so glücklich aus, dass ich mich nicht traute, ihn zu wecken.
Ich ließ ihn also schlafen und reckte meine müden Muskeln. Aus den Augenwinkeln nahm ich in dem dämmerigen
Licht eine kleine, kaum zu erkennende Bewegung wahr. Mühsam versuchte ich meine Augen an die schlechten Lichtverhältnisse zu gewöhnen und erkannte dann die Umrisse von Falk, der ganz leise ins Schlafzimmer gekommen war und sich mit seinem Teddy im Arm neben das Bett gestellt hatte.
Auch das war neu für mich, dass ich morgens nach dem Wachwerden in zwei strahlende, Kinderaugen sah. Etwas, woran ich mich in Zukunft gewöhnen könnte, wenn nicht sogar musste.
„Was machst du denn schon so früh auf den Beinen, kleiner Mann?“, flüsterte ich übertrieben leise.
„Ich kuschele morgens immer mit Papa.“, verriet er ebenso leise.
„Der schläft noch. Magst du mit mir kuscheln?“
„Au ja, das wäre prima.“, freute er sich sichtlich.
Mit einer einladenden Bewegung hob ich die Decke an. Das ich darunter völlig nackt war, daran dachte ich keine Sekunde, warum auch, meine Titties hatte er ja sowieso schon bewundern dürfen. Falk kletterte zu mir ins Bett und kuschelte sich sofort eng an mich. Von meiner Nacktheit, nahm er keine Notiz, ihm war nur meine körperliche Nähe wichtig. Ich legte meinen Arm um den kleinen Körper und strahlte Ruhe aus. So gut, dass er in meinem Arm sogar wieder einschlief. Mir selbst fielen bei dieser Stille, auch wohl angesichts der frühen Morgenstunden, immer wieder die Augen zu.
Ich wunderte mich über sanften Druck auf meinen Augenlidern mit dem ich geweckt wurde, die ich langsam öffnete, nachdem die weichen Lippen darauf verschwunden waren, und sah auf das verschlafene, lächelnde Gesicht von Chris. Falk, sein Teddy und ich, bildeten ein Knäuel aus Armen, Beinen, Haaren und Fell, den er kurzerhand komplett mit seinen Armen umschlossen hatte. Nicht nur Falk, oder mich, sondern uns alle, wie eine kleine Familie, seine kleine Familie.
Etwas Heißes, Knochenhartes bohrte sich von hinten zwischen meine Schenkel, als er sich an mich schmiegte. Etwas, was zumindest ich am liebsten direkt umgeleitet und genüsslich in mich geschoben hätte. Gründe, warum das nicht passieren durfte, gab es wenigstens zwei. Falk und die Tatsache, dass er kein Gummi übergezogen hatte. Ein dritter könnte gewesen sein, dass es ihm in diesem Moment auch gar nicht darauf ankam, sein Teil in mir zu versenken, sondern einfach nur mit uns zusammen kuscheln zu wollen.
Je öfter ich ihn in den letzten Wochen beobachtet hatte, verstand ich immer weniger, warum wir Chris damals so sehr auf dem Kicker hatten. Warum wir uns ausgerechnet ihn ausgesucht hatten. Noch mehr ärgerte ich mich über mich selbst, dass ich nicht da schon zu ihm gehalten hatte. Wie konnte man diesen Mann nicht mögen. Müsste ich eine Pro-und-Contra-Liste machen, ergäbe sich ein absolutes Ungleichgewicht.
Pro: einfühlsam, hilfsbereit, offen, ehrlich, charakterstark, liebevoll, zärtlich. Für die Contra Seite blieb nur, dass er mir ein wenig zu steif war. Will sagen, ihm fehlte eine Spur Humor, nahm vieles zu ernst und legte Worte gerne auf die Goldwaage. Das war‘s dann auch schon, wenn ich überhaupt etwas zum rummäkeln finden müsste.
„Wo ist denn das Bad Chris?“
Ich musste so dumm fragen. Gestern konnte ich mir nicht mal die Zähne putzen, weil wir so schnell eingeschlafen waren.
„Es reicht, wenn du durch die Tür da gehst.“, nickte er über seine Schulter nach links.
Meine Blase drückte. Nackt, mit schnellen Schritten ging ich durch die angezeigte Tür. Fast wäre ich auf den Fliesen ausgerutscht, weil mich der Anblick, der sich mir bot, nahezu umhaute. Mich empfing eine moderne Oase, alles vom Feinsten, farblich perfekt aufeinander abgestimmt, mit glänzenden Armaturen als Blickfänger. Eine Badewanne, wie die alten auf gusseisernen Füßen, mitten im Raum aufgestellt. Dieses Haus steckte voller perfekter Überraschungen.
Sollte das so weitergehen, würde ich meine Meinung bezüglich Chris‘ Reichtum wohl überdenken müssen. Dieses
Haus lud förmlich dazu ein, sich wohlzufühlen. Wenn schon in einem Gefängnis mit dickem Stahltor gefangen sein,
dann wenigstens in so einem. Wie in einem Märchenschloss, fehlte nur noch der Prinz auf seinem Schimmel. Aber ich glaube, der war mir schon zugelaufen.
Ich saß schon auf der Toilette und ließ es laufen, wobei mein Mund vor lauter Staunen nicht zugehen wollte. Ich musste mir dringend abgewöhnen, mich über den gehobenen Standard zu wundern.
Aus sagenhaften neun Düsen berieselte mich danach die Dusche, wobei die auf Höhe des Rückens als Massagedüsen ausgelegt waren. Traumhaft!
Den Abschluss bildete dann der Bademantel, der auf einem Bügel an der Wand hing. Ein namhafter Designer hatte sein Logo hineinsticken lassen. Ich dachte immer, so groß könnte der Unterschied zwischen Designerware und gutem Klamottenladen nicht sein. Aber als ich hineinschlüpfte, wusste ich, dass ich damit falsch lag.
Darin eingehüllt lief ich auf Fußspitzen die Treppe hinunter, wollte weiter in den Keller, wo ich meine Reisetasche mit meinen Sachen vermutete, und auch unsere Badesachen zurückgeblieben waren. Doch auf dem Weg durch die große Halle wurde ich von einer freundlichen Stimme gestoppt.
„Guten Morgen Josie, hast du gut geschlafen? Ach, … trinkst du Kaffee, lieber Tee oder besser Kakao zum Frühstück? Und wie möchtest du deine Eier? Und wie viele Brötchen darf ich dir aufbacken? Und …“
Mit einem schnellen Satz stand ich vor ihr und legte meinen Zeigefinger auf ihren Mund. Sofort war sie still!
„Hallo Franzi. Kaffee mit einem Schuss Milch bitte, Eier 6 Minuten und mir reichen zwei Brötchen. Viel wichtiger ist mir: Wo sind meine Sachen?“
„Ich habe sie dir in das Ankleidezimmer gelegt und aufgehängt, damit das nicht so kraus wird. Dein Bikini ist ebenfalls trocken und liegt auch dort.“
„In das Anklei … de … zimmer? Es gibt hier ein extra Zimmer dafür?“
„Natürlich! Gleich neben dem begehbaren Kleiderschrank.“
„Natürlich, wo auch sonst. Sag, Franzi … wie groß ist denn wohl der … ‚Kleiderschrank‘?“
„Keine Ahnung. Hab ihn noch nie ausgemessen. Aber so etwa zwanzig Quadratmeter, schätze ich.“
„Wer war denn da so geizig?“, fragte ich mit ironischem Gesichtsausdruck.
„Na ja, das Ankleidezimmer kommt ja noch dazu. Und das hat vielleicht fünfzehn Quadrat.“
„Aha. Und wo finde ich das … üppige Ankleideapartment?“
„Entschuldige bitte. Es ist links von Chris‘ Schlafzimmer. Bringst du deine Männer gleich zum Frühstück mit?“
„Ich versuch’s Franzi!“
Ich also wieder die Treppe hoch. Welche Tür … verdammt, wenn ich mir eben nur gemerkt hätte, aus welcher ich gekommen war. Gestern wurde ich getragen, da hatte ich auch anderes im Kopf, als Türen zu zählen.
Die erste gehörte zu Falks Zimmer. Das allein war schon so groß wie mein Schlafzimmer und Bad zusammen. Bei der zweiten hatte ich dann Glück. Rechts und links an den Wänden waren Regalsysteme montiert, dazwischen Wäschestangen für die Bügelwäsche. Alles verdeckt von schweren, weißen Schiebetüren.
In der Nähe des Fensters stand eine wunderschöne, sicher sehr alte Schminkkommode, mit einem verzierten Kristallspiegel, der von LED- Leuchten rechts und links ausgeleuchtet wurde. Davor eine kleine, mit Schaffell bezogene Bank, auf der meine Reisetasche stand.
Ich war neugierig, das gebe ich gern zu, schob nacheinander die Türen der Schränke auf, fühlte die Stoffe seiner
Anzüge, bestaunte seine umfangreiche Auswahl von schicken Oberhemden, und eine schier endlose Zahl an Krawatten und anderem Halsschmuck.
Dreiviertel der Fächer und Stangen waren leer. Sollte ich meine Anziehsachen da irgendwann mal einräumen, würde weniger als die Hälfte davon ausreichen, um alles zu verstauen, so groß war das alles.
„Wenn der Platz für dich nicht reicht, bauen wir einfach noch an. Platz genug ist ja noch.“, erschreckte mich Chris, als er seine Arme um meinen Bauch legte und an meinen Ohrläppchen knabberte.
„Damit warten wir am besten noch eine Weile. Du denkst an unsere Abmachung?“
„Das schon, aber das hindert uns ja nicht daran, dich auch für hier ein wenig neu einzukleiden. Wenigstens Unterwäsche und Kleidung für eine Woche. Einen Bademantel für dich und Badekleidung, das ist wichtig. Na klar, Schminke, Körperpflege und sowas, brauchst du auch. Am besten, du gehst Montag mal mit Franzi shoppen. Ich gebe dir frei, wie wär’s?“
„Nicht gut! Ich möchte nämlich Montag mit dir zusammen in die Firma fahren und auch mit dir zusammen an Iris vorbeigehen. Am liebsten sogar Hand in Hand, wäre doch eine tolle Show, oder findest du nicht?“
„Stimmt! Auf das dumme Gesicht bin ich gespannt. Und dann können wir die Zeit stoppen, bis das die Runde gemacht hat. Aber Schatz, am Nachmittag machen wir was zusammen, ja? Mit Falk nach Autos sehen, und für dich
was Nettes besorgen.“
„Warum willst du immer Geld für mich ausgeben? Du weißt doch, dass ich mir nichts daraus mache.“
„Ja, das schon. Ich verspreche auch, es nicht zu übertreiben. Ist es dann ok?“
„Du lässt ja doch keine Ruhe. So wie ich das sehe, laufe ich sonst Gefahr, dass du diesen Kleiderschrank ohne mich auffüllst.“
„Da könntest du sogar recht haben.“, grinste er mich im Spiegel an.
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