Swenja

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Swenja

Swenja

Jürgen Lill

Swenja tauchte vor mir auf und im selben Moment blitzte hinter ihr der erste Sonnenstrahl über den Horizont, so dass ich geblendet wurde und sie kaum sehen konnte. Ich rang noch schwer nach Atem und hätte gerne irgendetwas gesagt, irgendetwas, das mich selbst davon überzeugt hätte, dass das eben Erlebte ein Produkt meiner Fantasie gewesen war. Aber das konnte ich nicht. Also wartete ich darauf, wieder zu Atem zu kommen, während ich, noch geblendet von der Sonne, in Swenjas Gesicht zu lesen versuchte. Sie schwamm lächelnd aus der Sonne, so dass ich sie wieder erkennen konnte. Das Grün ihrer Augen funkelte wie Smaragde, als sie sagte: „Du fühlst Dich gut an!“
„Wie alt bist Du, Swenja?“ platzte es jetzt aus mir heraus und meine Bedenken müssen mir deutlich anzusehen gewesen sein, denn Swenja sagte beruhigend: „Keine Sorge Josh, ich bin zwanzig, alt genug, um zu wissen, was ich tue und alt genug, um es auch zu dürfen!“
„Zwanzig?“ fragte ich ungläubig, denn ich hätte sie drei bis vier Jahre jünger geschätzt. Swenja lächelte mich an und antwortete: „Ich nehme das wieder als Kompliment. Danke!“
‘Es scheint so, als würde ich heute sehr viele Komplimente machen’, dachte ich mir, blickte an mir hinunter und stellte beruhigt fest, dass zumindest meine Erektion nach dem unerwarteten und dabei so unglaublich intensiven Orgasmus nachzulassen begann.
Ein Blick zum Strand zeigte mir, dass Selina inzwischen wach war. Sie stand am Ufer und winkte uns, als sie bemerkte, dass ich zu ihr hinsah. Ich winkte zurück, sagte zu Swenja „Selina ist wach“ und schwamm im nächsten Moment schon dem Ufer zu. Swenja schwamm neben mir her, als wenn es das Natürlichste der Welt wäre.
Selina lief uns entgegen. Das Wasser spritzte unter ihren Füßen und ihre Brüste hüpften im Takt ihrer Schritte. Ich liebe diesen Anblick und genoss ihn daher auch jetzt. Als Selina bis zur Hüfte im Wasser war, ließ sie sich nach vorne fallen und schwamm uns entgegen. Als sie uns erreichte, fielen wir uns in die Arme und küssten uns.
„Guten Morgen, mein Schatz!“ sagte ich und fragte gleich weiter: „Hast Du gut geschlafen?“
„Wie ein Stein“, antwortete sie, wünschte auch uns einen „Guten Morgen!“ und fragte dann Swenja: „Willst Du mit uns frühstücken, Swenja?“
„Danke“, antwortete Swenja, „heute sage ich nicht nein.“  
Nachdem Selina und ich unsere Morgentoilette erledigt hatten und uns wieder frisch fühlten, bereiteten wir das Frühstück vor; Kaffe, Tee, Orangensaft und ein paar Brötchen, die ich schnell noch im Ort besorgt hatte, mit Wurst, Käse und ein paar gekochten Eiern. Ich hatte mir zum Einkaufen meine Shorts angezogen und ließ sie jetzt zu meiner eigenen Sicherheit noch an.
Wir bemerkten, dass hinter der nächsten Düne Aufbruchstimmung herrschte. Die zwei großen Igluzelte der nackten Tänzerinnen vom Vorabend wurden abgebaut und ich befürchtete durch diesen Umstand schon, dass Swenja unsere Einladung zum Frühstück doch noch ausschlagen würde. Aber da kam sie über den Kamm der Düne spaziert. Sie war noch immer nackt, was mir sofort wieder einen erregenden Schauer über den Rücken und andere Körperpartien jagte, trug aber einen großen, Rucksack, der viel zu schwer für sie zu sein schien, auf ihrem Rücken. Ich lief ihr entgegen und nahm ihr den Rucksack ab, ohne zu fragen, ob das nötig gewesen wäre. Sie dankte mir mit einem bezaubernden Lächeln.
„Was ist da drüben bei Euch los?“ fragte ich neugierig. „Brecht ihr schon auf?“
„Die anderen, ja“, antwortete Swenja. „Gestern war eigentlich unser letzter Abend. Deswegen haben wir auch so ausgelassen gefeiert und getanzt.“
„Dann wirst Du die Insel heute auch schon verlassen?“ fragte ich besorgter, als es mir selbst bewusst war. Und Selina meinte: „Das wäre schade!“
Aber Swenja erwiderte: „Eigentlich wollte ich heute auch los. Aber ich hab noch ein paar Tage Zeit und habe mich deswegen entschlossen, meinen Urlaub noch ein wenig zu verlängern.“
„Und was sagen Deine Freundinnen dazu?“ erkundigte sich Selina, während sie Swenja mit einer einladenden Geste einen Platz auf unserer Decke vor dem Zelt anbot. Swenja nahm Platz und antwortete nach kurzem Überlegen: „Um ehrlich zu sein, hatten wir eine kleine Auseinandersetzung deswegen.“
„Dann solltest Du vielleicht doch mit ihnen gehen“, beeilte ich mich vorzuschlagen. Ich muss allerdings eingestehen, dass ich innerlich hoffte, dass Swenja nicht auf diesen Vorschlag eingehen würde. Und insofern war ich auch erleichtert, als sie darauf erwiderte: „Ich habe diese Option erwogen, mich aber anders entschieden!“
„Und weshalb, wenn ich fragen darf?“ forschte Selina nach.
Swenja blickte zuerst lange mich an, bevor sie sich an Selina wandte und antwortete: „Wegen der Magie!“
„Tee oder Kaffee?“ fragte Selina völlig ohne Zusammenhang.
„Tee bitte“, antwortete Swenja. Selina schenkte ihr ein und meinte dabei: „Dann war das also keine Einbildung gestern Abend!?“
„Sieht nicht so aus“, erwiderte Swenja und ich verstand eigentlich gar nichts mehr, da mein rationaler Zynismus alles Übernatürliche leugnete und mein Geist eifrig daran arbeitete, all das, was er nicht verstehen konnte, zu verdrängen. Offensichtlich verriet mein Gesichtsausdruck meine Verwirrung. Selina forderte mich daher auf, mich ebenfalls zu setzen und flüsterte mir, nachdem ich dieser Aufforderung nachgekommen war, mit einem Anflug von Sarkasmus ins Ohr: „Und Du bist mal wieder der Einzige, der gar nichts versteht!“
Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern. Aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, was ich darauf hätte sagen können. Ich verstand nichts. Was war denn so Besonderes? Am Abend zuvor hatten ein paar nackte Mädchen um ein Feuer getanzt. Und der Anblick hatte mich fasziniert. Da fühlte ich Swenjas Augen auf mich gerichtet und hörte ihre Stimme in meinem Kopf sagen: ‘Ich weiß, dass Du es auch gespürt hast!’
‘Nein!’ leugnete ich in Gedanken, während ich selbst noch überzeugt war, dass mir meine Fantasie einen Streich spielte. Aber da fragte mich Swenjas Stimme schon: ‘Und wieso kannst Du dann meine Gedanken hören?“
„Das kann ich gar nicht!“ platzte ich jetzt heraus. Selina sah mich fragend an und Swenja erwiderte mit einer Stimme, in der sich Neugier mit Euphorie mischten, darauf: „Wie Du siehst, kannst Du es!“
Ich sah sie an und fühlte mich geblendet vom grünen Feuer ihrer Augen, wusste aber nichts zu antworten.
Nach einer Sekunde wendete ich mich Selina zu und erklärte, als ob es die normalste Sache der Welt wäre: „Wir haben uns nur grad per Gedanken unterhalten!“
Ich hätte mit allem gerechnet; damit, dass Selina mich für verrückt erklären oder hysterisch lachen würde (obwohl ich sie noch nie hysterisch erlebt hatte). Aber sie erwiderte nur mit dieser lakonischen Art, die mich manchmal so verunsicherte: „So fängt es meistens an!“
„Aaaaha!“ machte ich und zog das erste A dabei sehr lang. Dabei versuchte ich zwar ein kluges Gesicht zu machen, aber eigentlich sagte ich nichts anderes damit, als dass ich immer weniger verstand.
Selina war meine Freundin und ich beabsichtigte nicht, an diesem Zustand etwas zu ändern. Swenja war nur ein Mädchen, das nackt um ein Feuer getanzt war, als ich es zum ersten Mal gesehen hatte. Ich konnte nicht leugnen, dass es eine eigenartige Faszination und Anziehungskraft auf mich ausübte. Aber ich wollte dem keine übertriebene Bedeutung beimessen.
Okay, ich hatte letzten Abend ihre Augen aus dreißig oder vierzig Metern Entfernung ganz deutlich gesehen, oder zumindest hatte ich mir das eingebildet. Und gut, sie hatte mir im Wasser mit einer einzigen zarten Berührung ihrer Finger einen unbeschreiblichen Orgasmus beschert. Aber was bedeutete das schon? Abgesehen davon lasse ich mir beim Sex sowieso lieber Zeit! Also gab es keinen Grund, irgendetwas Geheimnisvolles oder Übernatürliches in unser Zusammentreffen hineinzuinterpretieren. Und für die Sache mit dem Gedankenlesen gab es sicher auch eine plausible Erklärung; ‘So etwas wie überreizte Nerven’, dachte ich mir. Aber da hörte ich schon wieder Swenjas Stimme in meinem Kopf. Und sie sagte: ‘Du wirst schon sehen!’
Ich sah ihr in die Augen, um darin zu lesen. Aber der einzige Effekt, den das hatte, war, dass sich meine Shorts auszubeulen begann. Und als ich meinen Blick dann gewaltsam wieder losriss und er über ihren nackten Körper wanderte, machte es das nicht besser. Ich bemerkte, dass Selinas Blick fasziniert auf die Beule in meiner Hose gerichtet war, sagte errötend „Ich will kein Wort hören“, trank meinen Kaffee aus und erklärte, während ich schnell aufstand: „Ich geh ein Stück am Strand laufen!“
Laufen war immer gut. Es brachte das Blut in Bewegung und konnte peinliche Blutstaus lösen.
Selina stand ebenfalls auf, gab mir lächelnd einen zärtlichen Kuss und sagte leise: „Du kannst ihr sowieso nicht davonlaufen, zumindest nicht, solange Du nicht weißt, was Du willst.“
Auch Swenja war aufgestanden und sagte schnell: „Ich komme mit!“
Aber Selina hielt sie zurück, indem sie sie bat: „Lass ihn Swenja. Ich glaube, Josh muss erst mal allein sein.“
Weiter hörte ich nichts. Hinter einem Busch zog ich mich schnell aus, lief dann nackt zum Strand und im nassen Sand am Ufer entlang. Mein erigierter Penis wippte dabei wie der Taktstock eines durchgeknallten Dirigenten und klatschte mir bei jedem Schritt gegen den Bauch. Ich beschleunigte meinen Sprint und versuchte dabei, meine Gedanken zu sammeln, ohne dass meine Erektion sich davon beeinflussen ließ.
‘Was ich will?’ fragte ich mich.
‘Ich weiß doch, was ich will!’ dachte ich mir. ‘Ich will ein paar schöne Tage mit Selina am Strand verbringen!’
‘Aber warum hast Du dann befürchtet, dass Swenja heute abreist?’
‘Weil, …  weil, … na ja, weil Selina hat doch gemeint, ich soll sie fragen, ob ich Fotos von ihr machen darf.’
‘Oh Du Heuchler!’
‘Ja, okay, sie gefällt mir!’
‘Und?’
‘Und was?’
‘Was empfindest Du für sie?’
Ich blieb mitten im Laufen plötzlich stehen und stützte mich mit meinen Händen schwer atmend auf meinen Knien auf. Mein Penis stand noch immer hart wie ein Laternenpfahl.
„Dich hat keiner gefragt!“ sagte ich, während ich auf ihn hinunterblickte. Ich richtete mich wieder auf und blickte über das Meer, auf dessen Wellenbergen Schaumkämme tanzten.
„Was empfinde ich für Swenja?“ fragte ich in den Wind.
„Nichts!“ antwortete ich mir nach einigen Augenblicken darauf. „Ich kenne sie doch nicht einmal!“
Ich blickte mich um. Der Strand war fast menschenleer. Nur weit hinten sonnten sich ein paar Leute. Ich atmete tief durch und streckte mich. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, mich nackt und mit zwar ungewollter Erektion, die sich aber trotzdem gut anfühlte, völlig ungezwungen und frei zu bewegen und den salzigen Wind, der vom Meer her wehte, auf meinem Körper zu spüren.
Das wollte ich! Ich wollte mich so frei und ungeniert völlig nackt der Sonne und dem Wind hingeben, ich wollte meine Nacktheit und auch meine Erregung genießen, Sonne und Wind und auch das Meer auf meiner Haut spüren. Ich wollte mich nicht verstecken müssen, weil mein Körper auf äußere Einflüsse vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ansonsten doch völlig normal reagierte. Ich wollte Selina nackt sehen, nicht so, wie zuhause in den eigenen vier Wänden, sondern völlig ungehemmt im Freien, ich wollte die Sonne und das Salz der Luft auf ihrer Haut riechen und mich daran berauschen, ich wollte Selina berühren, sie spüren und unter freiem Himmel lieben.
Aber wie passte Swenja in dieses Bild? Selinas Verhalten ließ keinerlei Eifersucht erkennen. Ich hätte fast vermuten können, sie wollte Swenja und mich verkuppeln, wenn ich ihre Liebe zu mir nicht so deutlich gespürt hätte. Sie hatte am Abend zuvor gesagt, sie hätte die Magie gespürt. Und jetzt, als ich allein am Ufer des Meeres stand und eine Böe feinen Gischtregens mich benetzte, konnte ich auch selbst nicht leugnen, dass da irgendetwas gewesen war. Ich hatte keine Ahnung, was es war, aber es war stark. Und es verband Swenja und mich durch irgendeine geheimnisvolle Macht. Swenja war wunderschön, sah aber verteufelt jung aus. Aber konnte ich leugnen, dass mir das gefiel? Nein, das konnte ich nicht. Und jetzt, wo ich wusste, dass sie älter war, als sie wirkte, war das auch gar kein Problem mehr. Das, was Swenja und mich verband, oder zu verbinden schien, hatte ganz offensichtlich auch Swenjas Interesse an mir geweckt. Aber im Gegensatz zu mir ging sie ganz selbstverständlich mit dieser Situation um, während sich mir der Kopf drehte und mein Penis zur Kompassnadel meiner Begierde mutierte. Aber was wollte Swenja? Was dachte sie selbst über die ‘Magie’? Was dachte sie von mir? Und was erwartete sie? Diese Fragen konnte ich nicht beantworten. Das konnte nur sie selbst. Und ich musste mir über mich klar werden.
Also was wollte ich? Ein Shooting mit Swenja? Aktfotos von ihr am Strand und im Meer machen? Eigenartigerweise empfand ich diesen Wunsch im Moment gar nicht als so vorrangig. Und das war sehr befremdlich für mich, da sich mein ganzes Denken normalerweise nur darum drehte, genau solche Fotos zu machen, natürliche und ästhetische Outdoorakte von hübschen Models. Und jetzt war ich noch dazu an einem traumhaften Strand und das potenzielle Model war von fast überirdischer Schönheit. Aber ich wollte nicht die von der Kamera geschaffene Distanz zwischen mir und ihr haben. Ich wollte sie berühren, wollte jeden Zentimeter ihres Körpers mit meinen Fingerspitzen und meinen Lippen erkunden, ich wollte wissen, wie sie riecht und schmeckt. Das alles wollte ich, ohne dabei aber auf Selina verzichten zu müssen.
Mir fiel der Besuch von Selinas Freundin Rahel zu Beginn des Sommers wieder ein. Auch von Rahel war ich vom ersten Moment an fasziniert gewesen. Und doch hatte ich bei ihr nur daran gedacht, sie zu fotografieren. Bei Swenja war alles anders. Swenja hatte mich schon beim allerersten Blickkontakt in ihren Bann gezogen. Und die Anziehung zwischen uns war absolut eine körperliche.
Welche Magie auch immer Swenja und mich auf dieser Insel zusammengeführt hatte und wohin das ganze auch führen mochte, ich konnte mich dem nicht entziehen. Ich musste mich darauf einlassen, wenn ich mir nicht für den Rest meines Lebens vorwerfen wollte, ein Geschenk des Schicksals zurückgewiesen zu haben, ein Geschenk, wie ich es wohl nie wieder bekommen würde.
Selina hatte gespürt, dass es eine ‘magische’ Verbindung zwischen Swenja und mir gab, und sie hatte es akzeptiert. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, wie weit ich gehen konnte oder durfte, ohne dass jemand von uns dreien verletzt wurde.

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