Tagelöhner

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Tagelöhner

Tagelöhner

A. David

Jeff und die Magd zogen ein paar Meilen gemeinsam durch die Nacht, dann trennten sich ihre Wege. Das Mädchen verabschiedete sich von ihm und bedankte sich noch einmal. Sie wollte versuchen, in Manchester Arbeit als Zimmer- oder Hausmädchen zu finden.

Jeff wollte Richtung Hafen und dort sein Glück versuchen.

Die Industrialisierung war in vollem Gange und fast täglich gab es neue Erfindungen, über die die Zeitungen berichteten. Eine Zeitung war für Jeff unerschwinglich, aber die Zeitungsjungen brüllten in den Gassen die Schlagzeilen heraus und berichteten oft über bahnbrechende Neuerungen.

Nach fast 10stündigem Fußmarsch erreichte der Tagelöhner das Hafengebiet. Er schlenderte mit seinem kleinen Bündel an den Kais entlang. An einem Schiff namens Esmaralda entdeckte er ein kleines Schild: Looking for work? Come in“ stand da in krakeliger Schrift. Jeff ging an Bord und klopfte an die Tür der kleinen Brücke, dem Steuerstand eines jeden Schiffes.

Sie wurde geöffnet und ein dicklicher Mann mit Bart und Kaptänsmütze schaute heraus. „Ich komme wegen des Schilds, Sir“ sagte Jeff etwas unbeholfen.

Der Käpt‘n musterte den 26jährigen. Dann erklärte er ihm den Job. „Also, ich pendle meistens zwischen Liverpool und Manchester. Ich nehme Ladung auf, die oft von Hand verladen oder gelöscht wird. Du kannst hier an Bord wohnen, du bekommst ein kleines Frühstück und eine warme Mahlzeit am Tag. Ich zahle dir 2 Pfund und 20 Pence die Woche, für Essen und Schlafen gibst du mir 50 Pence. Unterm Strich hast du also 1 Pfund und 70 Pence.“

Das war glatter Wucher. Bei seinem letzten Job hatte Jeff 3 Pfund pro Woche bekommen und Essen und Schlafen waren ebenfalls mit dabei, ohne dafür zu bezahlen. Aber der Tagelöhner hatte Angst, dass der Großgrundbesitzer, den er niedergeschlagen hatte, die Polizei auf ihn hetzen könnte, um sich zu rächen. Daher nahm Jeff das Angebot an. Wenn er erst einmal auf dem Schiff unterwegs war, würde die Polizei ihn nicht mehr so leicht finden.

Der Arbeitsvertrag wurde per Handschlag besiegelt und Jeff blieb gleich an Bord. „Ich zeig dir dann dein neues zuhause“ sagte der Käpt‘n, der sich als James Clarke vorstellte. Das Frachtschiff war schon alt und entsprechend unmodern. Der Tagelöhner, der jetzt „Moses“, also der Schiffsjunge, war, folgte seinem neuen Arbeitsgeber unter Deck.

Achtern war ein mittelgroßer Raum. Dort standen ein Tisch, ein Kohleherd und zwei kleine Spinde. Beide standen offen. In dem einen befanden sich ein paar Lebensmittel, in dem anderen Klamotten und ein paar persönliche Sachen. Mitten im Raum stand eine Frau. Vermutlich hatte sie irische Vorfahren, denn sie hatte blass rotes langes Haar, das sie zu einem Knoten zusammengesteckt hatte. Ihr Gesicht war blass und verhuscht, sie war keine Schönheit. Sie wirkte etwas spröde, hatte aber trotzdem eine gewisse Anziehungskraft. „Das ist Marie, meine Frau“ sagte Käpt’n Clarke „ und hier ist dein Reich.“

Er ging neben zwei Matratzen, die auf dem Boden lagen und als Bett dienten, auf eine Wand zu. Er öffnete zwei Türen, die wie übergroße Fensterläden aussahen. Sie waren aus Holz. Dahinter wurde ein etwa 2,5 qm großer „Raum“ sichtbar. Der größte Teil wurde von einer Art Schrank eingenommen. Er bot ein paar Ablagefächer und in der Mitte war eine große Aussparung. Das war sein Schlafplatz. Es waren noch Regalbretter über der Aussparung angebracht, Jeff musste aufpassen, sich nicht den Kopf zu stoßen beim Aufstehen. Clarke deutete auf das Bündel in Jeffs Hand und sagte ihm, er möge sich einrichten. Dann sollte er sich an Deck einfinden, um das Ablegen zu erleichtern, sie würden bald den Hafen verlassen. Dann drehte er sich um und ging.

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