„Wenn du das Licht sehen möchtest,
darfst du nicht ins Dunkel schauen.
Wenn du das Licht erkennen möchtest,
musst du das Dunkel verstehen.“
Irgendwie lässt mich dieser Gedanke nicht los. Seit heute mittag geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Nur gut, dass auch dieser Tag vorbei ist. Ein grauer, trüber Novembertag wie man ihn eigentlich viel lieber unter der Bettdecke verbringen würde. Eine furchterregende Mischung aus Regen und Schnee peitscht gegen die Frontscheibe. Der übliche Feierabendverkehr quält sich an Baustellen und Raststätten vorbei ins ferne Ungewisse.
„Wenn du das Licht sehen möchtest . . .“
Richtig, ich schalte das Abblendlicht meines Wagens ein. Wieder eine Baustelle. 100, 80, 60 . . . aha, Zeit für den Tempomaten. Mit einem Knopfdruck entledige ich mich der Angst, meinen persönlichen finanziellen Beitrag zum nächsten Polizeiball leisten zu müssen . . . Beim Anblick des unfreundlichen Schneematsches im Scheinwerferlicht durchfährt mich eine unangenehme innere Kälte. Also die Klimaanlage auf 25°C gestellt, und ein warmer Luftzug im Auto läßt die unfreundliche, nasse Kälte ausserhalb des geschlossenen Schiebedaches. Ein prüfender Blick auf die Schiebedachsteuerung - ja, alles zu. . .
Hey, der hängt ja bald in meinem Kofferraum. . . Ja, es ist eintönig und eben fast unmenschlich eben viele Kilometer durch eine Baustelle mit 60 fahren zu müssen, auf der du niemanden siehst. Gut, er lässt wieder abreissen, oder ob es eine sie ist, die vielleicht mit ihren Gedanken, ganz woanders? Was ist das überhaupt für ein Auto? Nichts zu erkennen . . . aufgetunt bis zum abwinken . . . tiefer, schneller, geiler. . . nun ja, bei diesem Wetter sicher eine Grenzwertbetrachtung . . .
Geschafft, noch ein Schlenker und die Baustelle ist vorbei. Drauf auf den Pinsel, die zweihundert Pferde unter der Motorhaube kurz wiehern lassen und dann bei 130 wieder ein Klick auf das Knöpfchen des Tempomaten. Es wird Zeit, eine CD zur Entspannung erklingen zu lassen. . . Vivaldi, der Frühling – welch’ wohltuender innerer Kontrast zum grausigen Wetter da draussen.
Oha, was ist das da neben mir? Ah, mein Freund aus der Baustelle. Sieht aus, wie ein A8 . . . Hey, was hat der da in der Fahrertür? Hat der sein Toupet abgenommen und auf den Beifahrersitz geschmissen? Ideen haben die Leute. . . Oh, schau an, ihm ist doch nicht nach fliegen zu mute. Er zieht kurz vor mir wieder rein. Ja das gibt es doch nicht. Ein Italiener in einem bis zum Überfluss getunten A8. Und dann das: . . . nein, das glaub ich nicht, soetwas habe ich ja noch nie gesehen. Ja, dann ist das in der Tür wohl auch nicht sein Toupet. Auf der Oberkante seines Fahrersitzes versucht ein zierlicher, wohl weiblicher Fuß unter seiner Kopfstütze halt zu finden. Ein anderer zierlicher Frauenfuß wackelt rechts vom Tacho über dem Radioplatz auf dem Armaturenbrett . . . Das ist ja absolut. Da zieht einer mit jenseits der 200 durch den Schneematsch, und blättert so ganz nebenbei auf seinem Beifahrersitz in den ihm freudig entgegengeöffneten feuchten Seiten eines Gebetsbuches . . .
Waaas, 200 ? Bin ich den wahnsinnig? Ein verdammt feuriger Italiener, oh ja, was für ein Typ . . . Zum Glück konnte ich mich noch rechtzeitig von diesem Schauspiel losreissen. . . wie ein Magnet zog mich dieser Anblick in seinen Bann, und mein mit modernster Elektronik vollgestopftes Auto trabt ihm wie am Abschlepphaken hängend hinterher. Wegen zweier entgegengesteckter bittender und bietender Damenfüsse . . . blöde Elektronik.
Noch 5 Kilometer, dann wartet meine süße Sue auf mich. Mal sehen, was wir heute abend unternehmen? Wir wollten über unsere Urlaubswünsche sprechen. * Nach dem gemeinsamen Dinner geht Sue mit den Kindern ins Bad. Ich räume das Geschirr in die Spülmaschine, füttere den Kühlschrank mit den übrigen Köstlichkeiten und öffne das Stubenfenster zum Lüften.
Derweil die Kinder im Badezimmer versuchen dem direkten Wasserstrahl zu entkommen und auch sonst sehr lautstark die Rangordnung beim Einseifen und Abduschen diskutieren, gehe ich in den Keller, einen Wein für Sue und mich zu holen.
„Wenn du das Licht erkennen möchtest, musst du das Dunkel verstehen . . .“
Ein guter Rotwein, ich wähle spontan einen „blauen Zweigelt“ halbtrocken. Damit kann ich Sue begeistern. Unsere Urlaubswünsche, ja – ich glaube sie zu kennen. Sie möchte gern in die Tropen zum Schnorcheln und Relaxen. Ich dagegen würde gern in die schneesicheren Berge zum Skifahren und Relaxen. Eigentlich kein großer Unterschied. In jedem Fall Relaxen. Nur mit der Schnorchelausrüstung ausgestattet, fällst du spätestens am Skilift auf. Und ob sich die Fische im Korallenriff von meinem neuen Karvingski beeindrucken lassen, wage ich zu bezweifeln.
Ja, ich glaube der Rotwein – ein österreichischer „blauer Zweigelt“ - wird bei meiner Sue eher die Assoziation an Hüttenzauber und Bergromantik erwecken, als sie in das Korallenriff zu ziehen.
Wieder in der Wohnung angekommen, stelle ich fest, dass die Kinder schon still im Bett sind. Sue erklärte mir freudestrahlend, dass morgen die Oma mit den beiden in das Spielzeugmuseum gehen möchte . . . aber nur mit artigen Kindern. Ich wünsche den beiden noch eine Gute Nacht, und erzähle ihnen eine kurze Schlafgeschichte über die Figuren im Spielzeugmuseum. Oh, wie leicht sind doch Kinder von etwas Schönem nachhaltig zu überzeugen. * Es klingelt. Wer mag das sein? Eigentlich erwarten wir niemanden. Sue geht zur Tür, und empfängt ihre beste Freundin Bell. Schon im Korridor höre ich, dass unser abendliches Programm sich soeben geändert hat. Mit einem freundlichen Kuss auf die Wange begrüße ich Bell. Sie hat Rotz und Wasser geheult. Liebeskummer, aha, nichts für schwache Männernerven . . .
Also setzen sich die beiden Freundinnen in der Wohnstube in unsere gemütliche Sesselecke. Zur intimen Plauderrunde zünde ich ihnen einige Kerzen in der Stube an, lege Sues Liebslings - CD mit Kuschelmusik auf und schenke den beiden ein Glas Wein ein. Auf dem Beistelltisch steht eine Vase mit drei langstiekigen Baccararosen inmitten dreier Kerzen. Mit einem tiefen Schluchzen beginnt Bell ihr Herz auszuschütten.
Auf leisen Sohlen ziehe ich mich in mein benachbartes Arbeitszimmer zurück. Die Schiebe - Glastür zwischen beiden Zimmern schließe ich nur halb. Mit einer Flasche Bier setze ich mich hinter den Berg von Arbeit, der sich im Verlauf der Woche auf meinem Schreibtisch angesammelt hat. Irgendwie finde ich aber keinen Faden, auch nur eines der Schreiben ernsthaft durchzuarbeiten. Beim Öffnen der Flasche Bier schweift mein Blick vom Schreibtisch durch Zufall zur Glastür. Durch den Türspalt sehe ich auf Bell. Oh ja, eine Frau, für die ich schon einmal meine gute Erziehung vergessen würde. Eine temperamentvolle Brünette, mit einladenden Kurven. Irgendwie ist sie sich ihrer Reize bewusst. Mich würde doch glatt mal interessieren, wievielen interessierten Männern sie schon ernsthaft den Kopf verdreht hat.
Prima . . . das war’s dann. Bei meiner Betrachtung von Bells Auffälligkeiten habe ich es geschafft, das Bierglas überlaufen zu lassen. Also gehe ich leise in die Schlafstube und hole ein Handtuch aus dem Schrank. Aber nasse Briefe brauche ich nicht zu beantworten, nasse Seiten . . .wieder kommt mir die Erinnerung an die Heimfahrt heute. Was mag das für ein Pärchen gewesen sein? Hat er sich eine Nutte für die Fahrt gekauft, oder war das so ein heisses Geschoss von einer Freundin, dass er ihr den Übergang von Berg und Tal an Hand ihres eigenen Paradiesgärtchens mit seinen gierigen Fingern erklären musste?
Nein, die Briefe sind jetzt alle so unbrauchbar zum Lesen und Beantworten, dass ich mich doch dazu durchringe, mich nur noch meiner Phantasie hinzugeben. Bei diesem Gedanken wandert mein Blick wie von selbst zu Bell. Eine bildschöne Gestalt von einer Frau. Ihr kurzer fescher Haarschnitt, ihr lausbubenhafter Blick, ihr ansteckendes Lächeln, ihre unwiederstehlichen Argumente hinter den Brustwarzen . . . und dann, wie sie jetzt im Gespräch mit Sue völlig versunken die Beine so leicht nebeneinanderstellt, dass meiner Phantasie keine Zügel mehr anzulegen sind . . .
Es übersteigt die Leistungsfähigkeit meines Bremssystems. Ich trinke im Stehen mein Glas Bier auf ex aus. Irgendwie hat dieser Schluck meinen festgeklebten Gaumen wieder zu lösen vermocht, aber eine Kühlung meines Bremssystemes auf Betriebstemperatur hat er nicht bewirken können.
Also gehe ich gelassen um meinen Schreibtisch herum, und programmiere mir meine Lieblingsmusik – klassische spanische Gitarrenklänge - in die Anlage, stecke die Kopfhörer an, und beschließe, mich auf der Liege neben meinem Schreibtisch ein wenig hinzulegen. Ich schalte die Leselampe über dem Kopfende der Liege ein und lösche das Deckenlicht im Raum.
In diesem Moment gießt Sue gerade für sich und ihre Freundin den nächsten Schoppen aus einer weiteren Flasche Rotwein ein. Sie wirft mir einen dankbaren, vielsagenden Blick zu. Mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen setzt sie sich wieder in ihren Sessel, um ihre Freundin über die tragischsten Momente danach hinwegzutrösten.
Noch ein Buch mit erotischen Geschichten aus dem Bücherregal greifend, lege ich mich auf meiner Liege zur Ruhe, und setze mir die Kopfhörer auf. Zwei Kissen unter dem Kopf ergeben ein geruhsames Polster. Irgendwie fühle ich mich angenehm und wohl. Ja, so ist das: „Um das Licht zu begreifen, musst Du die Dunkelheit gespürt haben...“
Mein Blick wandert von der Zimmerdecke auf die halboffene Schiebetür. Jetzt schaue ich genau auf meine Sue. Es ist nur meine Sue, die ich von dieser Position aus erkennen kann. Ein prickelnder Traum von einer Frau. Ihr langes blondes lockiges Haar fällt verführerisch auf ihre Schultern. Sie trägt meine Lieblingsbluse. Dunkelroter Samt in einem (Aus) - Schnitt, der ihr in anmutigster Weise auf den Leib geschneidert scheint. Ihr knielanger Wickelrock bedeckt oder zeigt alles, was sie braucht um mich zum folgsamsten Schoßhündchen der Familie zu machen. Wie ich sie so versonnen betrachte, treffen sich unsere Blicke. Ein Feuerwerk an heißer Sehnsucht bricht sich Bahn durch die halb geöffnete Tür.
Scheinbar entspannt lehnt sie sich in ihrem Sessel zurück. Mit ihrem linken Zeigefinger streichelt sie sich sanft und versonnen um die sich abzeichnende Brustwarze ihrer linken Brust. Mit einer geschickten Körperdrehung dreht sie sich ein wenig nach rechts zu Bell und entblöst ihren linken Oberschenkel. Der Wickelrock rutscht ihr wie zufällig zwischen die Schenkel. Sie scheint sich noch angeregt mit Bell zu unterhalten, derweil die Finger ihrer linken Hand scheinbar spielerisch über ihren Schoß wandern. Das ist nun zuviel für meine strapazierte Phantasie. . . * Ich schließe die Augen und versuche die Bilder der Emotionen in einen laufenden Film zu bringen. Eine sanfte Schwere umfängt mich. Die Gedanken formieren sich zu einem Traum, und scheinen den träge ruhenden Körper zu verlassen.
„Dunkelheit spüren, um das Licht zu begreifen . . .“
Die spanische Gitarre fordert den Torero mit einem wilden Tremolo zur Show. Zwei wütend schnaubende Stiere werden in die Arena geführt. Der Gitarrist schafft es, in einem wirbelnden Staccati diesen Anblick zu unterstreichen. Durch einen wunderbaren Übergang aber gelingt ihm darauf die Eröffnung des melodiösen Teiles des Stückes. Und gleichzeitig, wie durch ein Wunder, werden aus den beiden wild schnaubenden Stieren zwei wunderschöne Elfen. Auch die grauen Mauern des Stadions lösen sich in wehenden Staub auf und lassen eine sanfte, romantische Athmosphäre entstehen. Mir ist so warm, dass ich fühle, im Adamskostüm auf einer Matte inmitten von Schmetterlingen, Blumen und sanften Klägen zu schweben.
Die beiden Elfen tanzen lächelnd auf mich zu. Sie tragen kleine Masken vor dem Gesicht. Ihr ganzer Körper ist mit federleichten zarten bunten Bädern geschmückt. Sie tragen nichts als die herllichen Bänder um die Schultern und die kleinen Masken um ihre Augen. Beide sehen allerliebst aus. Die eine brünett und mit kurzem Haar singt mit einer glockenreinen Stimme, dass es mir den Atem verschlägt. Es scheint als würden alle Vögel der Sommerwiese beim Klang ihrer Stimme ehrfurchtsvoll ihren Gesang aussetzen. Die andere Elfe, ein Fabelwesen mit blondem, langem, engelsgleichen und wallendem Haar spielt auf einer Gitarre die wunderbarsten Melodien. Sie scheinen so mit ihrem wunderbaren Spiel beschäftigt, dass sie mich offensichtlich überhaupt noch nicht wahrgenommen haben. Der Tanz der Brünetten ist das Zauberhafteste was ich mir an körperlichem Ausdruck zum Klang einer Gitarre nur vorstellen kann. Bei jeder Drehung wehen die Bänder und geben einen Blick auf ihren traumhaften Körper frei. Mein Pulsschlag beginnt zu traben. Auch die Blonde, engelsgleiche legt ihre Gitarre zur Seite und beide tanzen miteinander einen Reigen, wie ich ihn sinnlicher und anmutiger noch nicht gesehen habe. Die ganze Wiese ist erfüllt von lieblichstem Gesang und wunderbarstem Gitarrenklang.
Der Tanz der beiden Schönheiten scheint in die nächste Phase zu gehen. Mit zarten gegenseitigen Berührungen lösen sie sich die federleichten Bänder von dem Band um ihre Schultern. Als beide sich in spielerischer Zuneigung füreinander auch das letzte Band von den Schultern gezaubert haben, stehen sie einige Schritte weiter vor einem einladenden Badesee. Es ist wie ein Szenario im Theater. Die eben noch klingenden und gezupften spanischen Gitarrenseiten werden durch angeschlagene Klavierseiten der sanftesten Klänge eines Chopin abgelöst. Nicht nur Chopin, nein auch Adaptionen von Händels Wassermusik geben dem Bild einen die Sinne schmeichelnden Rahmen. Die Elfen schwimmen, sich wie fröhliche Kinder tummelnd, im seichten Wasser des Badesees.
Ich glaube meinen Augen nicht zu trauen, die beiden sehen der Bell und meiner süßen Sue so etwas von ähnlich, dass es mir schwindelig wird. Ich glaube meinen Sinnen nicht trauen zu können. Ich reibe mir die Augen, und versuche nocheinmal genau zu schauen. Kein Zweifel, die beiden, die sich eben wie vom warmen Sommerwind aus dem See gelockt neben mir niederlassen, sind Bell und Sue. Aber warum nehmen sie mich nicht zur Kenntnis? Ob sie mich nicht sehen?
Wie in einem himmlischen Konzertsaal klingen packende Rhythmen eines argentinischen Tangos zu mir herüber. Auch die beiden spüren diese Klänge und beginnen einen Tanz, der an Anmut und prickelnder Erotik nicht herrlicher sein könnte. Mal sind es die zarten, synchron schwingenden Berührungen der beiden Oberkörper und im nächsten Moment die gemeinsamen festen Schritte in zielsicher Richtung die eine liebliche Harmonie der beiden Tänzerinnen ausdrücken. Ich bin absolut fasziniert.
Mit dem aufkommenden sanften, warmen Sommerwind beenden die Feen ihren Tanz. Sie lassen sich auf der blühenden Sommerwiese nieder. Durch zärtliches Streicheln scheinen sie sich gegenseitig ihre Sympathie füreinander zu beweisen. Mit ehrfurchstvollem Fingerspiel streicht Bell der Sue zärtlich durch das blonde Engelshaar. Diese wirft neckisch ihren Kopf zurück, und genießt die Geste der Wertschätzung ihrer Freundin. Auch Sues Hände erweisen dem Körper der Bell ihre Ehrerbietung. Sie streichen ihr sanft über die roten Lippen und die rosigen Wangen. Auch Bell zeigt mit geschlossenen Augen und leicht seitlich geneigtem Kopf, wie angenehm ihr dieser Moment mit ihrer Freundin ist. Sues Hände wandern über die traumhaften Brüste ihrer Gespielin hinab zu ihrem Schoß und von dort wieder den Rücken hinauf zu den Schultern und dem Haaransatz.
Wie auf ein Zeichen eines Kapellmeisters setzt in diesem Augenblick ein orgelgleicher Klang der Insekten und Vögel, der Wiederhall des lauen Sommerwindes in den Blättern der Bäume und Sträucher und das Rauschen eines kleinen, nicht sichtbaren Wasserfalles ein. Die Natur scheint unsere sich Liebenden zu bewundern, und setzt ihrerseits einen wunderbaren Aktzent. Die Feen wirken von der Ursprünglichkeit und vielfältigen Harmonie des Ganzen inspiriert, und versinken in einem wunderbaren Kuss. Ihre sich berührenden zarten Lippen zeigen eine gemeinsame Sprache gefunden zu haben, deren Ausdruck nicht das Wort sondern nur ein inniglicher Kontakt zu sein scheint. Die hinter dem Badesee sanft versinkende tiefglutrote Abendsonne taucht das phantastische Bild der beiden für immer in meine Erinnerung.
Ich schließe meine Augen, und genieße die eben erlebte Zuneigung zweier Wesen denen ich mich so unmittelbar nah glaubte, und die doch so unerreichbar fern etwas gefunden zu haben scheinen, dass für mich nie ganz nachvollziehbar sein wird. Ich stelle mir nun vor, mit den beiden gemeinsam einen Tanz der Harmonie und Freude aneinander und miteinander vollführen zu können. Ich sehne mich danach, sie beide zu berühren, ihre Reize Haut an Haut zu liebkosen und zu spüren.
Es wird weniger der Takt des Tanzes sein, der uns bewegt. Vielmehr wird es ein Spiel körperlicher Nähe, in dem jeder alles zeigt und mitteilt, was für alle anderen bestimmt und von Bedeutung sein soll.
Der warme Sommerwind weht sanft über meinen Körper. Ich spüre die Nähe der beiden, ohne die Augen öffnen zu wollen. Es ist die Angst, nur einen Traum zu träumen, der mit beim öffnen der Augen sofort zu Ende wäre.
„Willst du das Licht verstehen, muss das dunkel erlebt haben.“
Also ergänze ich die fehlenden sichtbaren Eindrücke durch Wahrnehmungen meiner anderen Sinne. Ein Duft nach Wiese und Sommer lässt mich tief einatmen. Der Klang der einzigartigen Sommersymphonie einer Wiese vermischt mit dem neckischen Lachen von Sue und Bell erreicht meine Ohren. Ich spüre, wie sich zarte Hände in wohltuenden Kreisen über meinen Körper bewegen. Aber es sind mehr als nur zwei Hände. Mein Atem beginnt meinem Herzschlag in einem Wettlauf zu folgen. Nein, ich öffne die Augen nicht. Ich genieße die Chance des Augenblickes. Auf meinen Lippen spüre ich die Berührung einer sanften weichen Wärme. Eine Zunge streicht leicht über den Spalt meiner Lippen, und bittet um Einlass zu weiteren Berührungen. Oh ja, gern folge ich dem Wunsch dieser Bitte. Die Unterhaltung der beiden Zungen gestaltet sich zu einem Dialog der an Zuneigung und innerer Verbundenheit kaum zu übertreffen ist. In diesem Moment spüre ich nicht nur ein zweites Paar warmer Hände über meinen Körper wandern, auch ein zweites Paar sanfter Lippen sucht sehnsüchtig einen Gesprächspartner.
Mein Atem ist schon so heiss und tief und schnell geworden, dass er auch einen Bären von Gestalt unmöglich im Schlaf belassen würde. Nein, ich schlafe nicht. Ich träume. Und ich möchte den Traum geniessen.
Inzwischen sind auch meine Kräfte zu einer unter die Haut gehenden Vitalität erwacht. Das Blut pulst mir mit aller Macht durch die Adern. Der Stolz meiner Männlichkeit erwacht zu erhabener Pracht und Schönheit, was sicher der zielsichern Ansprache durch zwei verspielte Lippen zu verdanken ist.
Die Unterhaltung meiner Zunge mit dieser anderen wunderbaren Botin der Sehnsucht hat jetzt auch einen inniglichen Verlauf genommen. Keine Sprache der Welt kann in einer solchen Intensität und Wärme Gefühle zum Ausdruck bringen, wie diese Art der Konversation. Unsere Lippen scheinen zu einem geschlossenen Ganzen verschmolzen, in dessen Innerem die zwei einen Tanz zelebrieren, zu dem noch kein Komponist die Noten auf das Papier gebracht hat.
Einen kurzen Augenblick haucht der angenehme Abendwind mir ein Gefühl der Schwerelosigkeit über die Haut. Wo eben noch Hände und Lippen Hoffnungen und Wünsche zum Ausdruck brachten, streift der Atem des Sommers über meinen Körper, als wöllte er sacht die Seiten eines Buches umblättern.
Was ist das? Ein seltsames und doch wunderbares Gefühl. Meine Hüften und mein Brustkorb sind wie von sanften Barrieren fixiert. Ich kann mich nicht rühren, obwohl ich von innen heraus in tiefste Wallung versetzt bin. Ein erregender Duft mischt sich unter den Geruch der Sommerwiese, der eine wunderbare erotische Erregung zum Ausdruck bringt.
Nein, ich öffne die Augen nicht. Nur jetzt nicht den Traum beenden.
Zwei Lippen berühren die meinen. Ein zartes feuchtes Willkommen empfängt meine Zunge auf der Suche nach einem Ziel der Möglichkeiten. Ein Tropfen der Zuversicht rinnt meine Zunge hinab, als würde er auf den Quell der Wollust aufmerksam machen wollen.
Der Status meiner Männlichkeit zeigt sich von dem ihn umwehenden Sommerabend wenig beeindruckt. Aber irgend etwas scheint sich auch in seiner Umgebung zu ändern. Zwei gierige Lippen fixieren ihn, und weisen ihm den Weg in den Abgrund der Träume. Bis zur Wurzel umfangen wird er allseits umschmeichelt und liebkost. Ein angemehmes auf und ab dieses Paradieses lässt ihn frohlocken und zu ungeahnter Größe erblühen. Wie gern würde ich jetzt an seiner Stelle die Augen öffnen, und eben einen neugierigen Blick in das Paradies werfen.
Aber meine Zunge hat unter dessen ein Ziel gefunden, dessen sanfte Anworten noch einen ausführlichen Dialog erwarten lassen. Es ist ein Punkt inmitten zweier Lippen, der nicht größer als eine Rosine zu sein scheint. Sein Geschmackt ist kaum zu beschreiben. Aber er vermittelt die Illusion einer endlosen angenehmen, geilen Unterhaltung. Bisweilen zieht sich dieser Punkt wie von einem zarten Vibrieren getrieben zurück, um dann um so sehnsüchtiger und heftiger bittend wieder eine Fortsetzung der Unterhaltung zu suchen.
Meine Sinne vereinen sich zu einer Symphonie der Ovationen. Ein tiefer Seufzer drängt aus den Tiefen meines Zwerchfelles hervor. Mein männlicher Freund öffnet sich in der Wärme und Geborgenheit des ihn umgebenden Paradieses.
Meine Hände greifen nach oben, als wöllten sie den Takt der Wollust dirigieren. Auf ihrem Weg in den Himmel der Wollust berühren sie zwei andere Hände. Sanft vergraben sich die Finger ineinander, und bringen mit ihrem Druck alle Gefühle und Sehnsüchte füreinander zum Ausdruck. Eine sanfte Stimme, wie durch Wattewolken geflüstert erreicht mich, und ruft: „Marc, ich möchte mit Dir ins Bett gehen. . ., ich möchte mit dir schlafen gehen . . .„
Was war das? Oh ja, sicher, die Stimme meiner liebsten Sue. Mit einem Klang wie Engelstrompeten in der orgelgleichen Harmonie aller Töne rief sie mich so aus meinem Traum zurück. Langsam öffne ich die Augen. Jetzt nur keinen Filmriss riskieren. Ich blicke in das wunderbare, verführerische Lächeln meiner Sue. „Du warst wohl ein wenig eingeschlafen.“ Vorsichtig nimmt sie mir die Kopfhörer von den Ohren, und haucht mir zärtlich einen Kuss auf meine Stirn. Ich schaue schlaftrunken in ihre lieblichen blaugrünen Augen, und entdecke in ihrem Blick jenen Funken, mit dem sie bei mir jederzeit das Feuer für sich entfachen kann. „ Ja“ sage ich, „Ich war wohl ein wenig eingeschlafen.“ . . . „Aber, ich hatte einen wunderbaren Traum.“ . . .
Auf dem Weg in unser Schlafzimmer beginne ich ihr, von meinem wunderbaren Traum zu erzählen . . .„Wer die Wärme spüren möchte,
darf nicht in die Kälte greifen.
Wer die Kälte verstehen will,
muss die Wärme gespürt haben.“
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