„Ja, das wäre wirklich schön. Wir würden sowieso noch gerne mit dir reden. Wir bräuchten noch ein paar Ratschläge von dir. Besser gesagt, ich. Ich möchte nämlich eine Kampfsportschule eröffnen, die Selbstverteidigungskurse für Frauen anbietet. Vielleicht kann ich dadurch helfen, Frauen vor Schicksalen, wie Ela es ertragen musste, zu schützen.“
„Das ist eine super Idee. Sag Bescheid, wenn du was brauchst. Das Projekt unterstütze ich gern!“
„Darauf komme ich gern zurück, Brüderchen. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
Shiva hüpfte kurz vor Freude, klatschte leise in die Hände und fiel Chris um den Hals. „Danke" murmelte sie, und tanzte aus der Küche.
„Ich fahr dann auch eben. Mal sehen, was Freya tun kann.“
„Kannst ja gleich zusagen. Wegen der Hochzeit, meine ich.“, lachte Chris.
„Bringst du mich denn nicht ins Bett, Mama?“, fragte Falk mit gezogener Schnute.
„Nein Falk, heute nicht! Aber Morgen, das verspreche ich! Heute muss ich was mit Tante Freya besprechen.“
Noch ein knappes Küsschen und ein geflüstertes ‚Danke‘ für Franzi, noch eines für Chris, dann fuhr ich los.
****
„Hi Jo, alles im Lack?“, begrüßte mich eine strahlende Nadine.
„Na, du bist ja gut drauf!“, lachte ich zurück.
„Stimmt! Aber ich war vorhin auch schon gut drunter, falls du verstehst. Mario macht mich immer fertig.“, zwinkert sie.
„Ist Mama auch da?“, wechselte ich besser das Thema.
„Keine Ahnung, denke schon. Hab die letzte Stunde nicht viel mitbekommen. Hatte zwischenzeitlich andere Dinge im Kopf und in … das wolltest du bestimmt nicht hören, oder Jo?“
„Nicht wirklich Nadine! Aber ich freu mich für dich, wenn’s so gut läuft.“
„Laufen … ja, gutes Stichwort. Ich laufe aus. Sorry, setz dich schon mal ins Wohnzimmer, Mum müsste auch da sein.“
Freya hatte sich allerdings von hinten an Nadine angeschlichen. Mit breitem Grinsen schüttelte sie den Kopf und fasste sich an die Stirn. Nadine drehte sich um und lief ihrer Mutter direkt in die Arme.
„T’schuldige Mum, hab’s eilig.“, drängte sie an Freya vorbei und weg war sie.
„Hallo Josie, schön dich zu sehen. Was treibt dich her?“
„Ich muss mit dir reden! Heute ist was passiert, womit ich schwer klarkomme.“
„Klingt übel, komm mit durch. Leon ist auf so ´ner dämlichen Versammlung in der Firma. Wir haben also Zeit!“
„Nadine ist ‘n ganz schönes Früchtchen geworden!“
„Ich sag’s dir! Seit sie ihren Freund hat, dreht die ganz ordentlich auf. Und Sprüche hat die drauf, da werde sogar ich noch rot.“, lachte Freya,„Möchtest du ein Gläschen Roten, ich halte mich doch lieber an Fruchtsaft?“
Meine Freundin setzte sich mir gegenüber und hörte sich geduldig an, was ich ihr zu erzählen hatte. Über eine Stunde schwieg sie und ich erzählte.
Ich war vorne angefangen, hatte ihr mit roten Wangen von meinem Dreier erzählt und wie kläglich die Aktion in die Hose gegangen war. Auch, dass ich drohte, süchtig nach diesem Pimmel zu werden und sogar, wie ich mich Sven an den Hals geworfen hatte. Freya brauchte die Informationen, um die ganze Geschichte zu verstehen.
Dagegen erschien es fast lustig, wie mir an dem einen Wochenende meine Beziehung, mein Fernseher, mein Auto und mein Job um die Ohren flogen. Für mich immer noch das Karma, weil ich den Dreier entgegen jeder Vernunft durchgezogen hatte.
Na ja, ich endete damit, wie Chris mich auffing und ich dadurch Ela aus den Augen verloren hatte. „Freya, mein Gewissen macht mir das Atmen schwer, weil ich Ela von dem dicken Rüssel erzählt habe, und dass sie ihn doch auch mal probieren müsste. Dass sie dann tatsächlich von der Bande zur Prostitution gezwungen, der Freiheit beraubt und von denen gefoltert wurde, daran bin ich nicht ganz unschuldig, verstehst du?“
„Wow Josie, starker Tobak!“, kommentierte sie zunächst knapp und nachdenklich.
Dann quetschte sie mich aus. Wollte alles über die Bande, den Club und über Ela wissen. Wie sie so war, bevor sie den Machenschaften zum Opfer fiel, ob sie vorher schon psychisch angeschlagen war, stellte Fragen zu ihrem Selbstbewusstsein und auch zu der Befreiungsaktion. Aber am meisten interessierten sie die Verletzungen, die Art der Folter.
Freya riss erschrocken die Augen auf, als ich von den unzähligen Brandwunden auf ihrem Oberkörper berichtete, von der abgetrennten, halben Brustwarze und von der Sektflasche, die man ihr mit Wucht in die Möse gerammt hatte.
Freya wurde weiß im Gesicht. Es hatte ihr die Sprache verschlagen. „Wie kann man Menschen so etwas antun und dabei Lust empfinden?“, sinnierte sie vor sich hin.
„Verstehe ich auch nicht.“, antwortete ich, obwohl ich nicht direkt gemeint war.
„Das ist ja fürchterlich, grausam, wenn ich mir vorstelle … oh mein Gott, was geht in solchen Köpfen vor? Ich kann verstehen, was jetzt in dir los ist. Wie soll ich denn dabei noch professionell bleiben? Allein vom Zuhören tun mir schon die Brüste und die Mumu weh!“
„Du hast sie ja erlebt, als du sie dir im Krankenhaus angesehen hast, man hat ihr die Seele geraubt. Zuletzt war sie nur noch eine Hülle, hatte kaum noch was Menschliches an sich. Heute Morgen, die riesige Blutlache, die Tablettenschachteln…, wie sie dalag, so entwürdigend, erniedrigend, blutleer, vollgepisst und mit voller Hose, ihre Augen, leblos, dunkel und leer. Davon träume ich bestimmt heute Nacht!“
„Vielleicht müssen wir uns gegenseitig therapieren, Josie! Das wäre auch für mich das erste Mal. Normalerweise bin ich immer der Profi und weiß, was ich sagen muss. Aber in diesem Fall wird es mir schwerfallen. Weil ich auch eine Frau bin, auch Brüste habe und ein Loch, in das man was reinstecken kann. Mir wird grad schlecht, Josie. Und wenn wir das zusammen aufarbeiten, wärst du für das Experiment offen?“
„Ja, auf jeden Fall! Du bist und bleibst der Profi! Auch, wenn es dir nicht leichtfällt, ist es immer noch besser, wir versuchen es zusammen, als wenn ich allein davorstehe. Du würdest mir damit sehr helfen.“
„Josie man, das ist doch wohl selbstverständlich! Natürlich werde ich mit dir daran arbeiten, ich bin doch deine Freundin.“
„Und weil das so ist, kann ich auch so offen mit dir darüber reden. Entschuldige, dass ich solche Kraftausdrücke benutzt habe!“
„Macht nichts, wir sind beide alt genug dafür. Aber sag mal, ist der wirklich so groß? Der Schwanz von dem Sven?“
„Noch größer, als du es dir gerade vorstellst. Es tut weh, wenn er so richtig loslegt. Dann denkst du, es zerreißt dich innerlich und er haut dir den Muttermund beulig. Ich hatte zwei Tage danach noch Unterleibsschmerzen.“
„Oha, nein danke! Das ist nichts für mich. Früher dachte ich auch öfter mal daran, wie es wohl mit einem richtig großen wäre. Aber heute bin ich mit dem zufrieden, was der liebe Gott für meinen Leon vorgesehen hatte.“
„Heute bin ich auch klüger, das kannst du mir glauben. Ich finde sogar, es macht viel mehr Spaß, wenn’s besser passt.
Apropos passen: Natürlich kommen wir zu eurer Hochzeit, das möchte ich auf keinen Fall verpassen!“
„Ich mag gar nicht dran denken, was da noch alles zu organisieren ist. Wir wollten es dann doch kurzfristig machen, damit ich auch noch was davon habe. Du weißt doch, wie gern ich tanze. Und mit ´ner dicken Kugel ist das nicht so dolle.“, lachte Freya und strich versonnen über ihren Bauch.
„Ich bin fast ein bisschen neidisch. Ihr seid so ein schönes Paar.“
„Wart’s ab Josie, dein Chris ist ein kleiner Romantiker, das kommt schon noch, da bin ich sicher.“
„Dein Wort in Gottes Ohr.“
Freya und ich machten noch einige Späße über die männliche Anatomie. Wurden nach einer Weile aber wieder ernst und führten tiefenpsychologische Gespräche über den – ich nenne es mal ‚Ela-Vorfall‘. Mit ihr zu sprechen, tat mir gut. Keine Ahnung wie sie das geschafft hatte, mit welchen Fragen sie, welche Knöpfe in mir gedrückt hatte, aber nach nur einer Stunde fühlte ich mich schon viel besser. Die Bilder in meinem Kopf und das schlechte Gewissen waren zwar noch nicht weg, aber immerhin war ich zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht schuld am Tod und der Folter von Ela war. Sie hätte rechtzeitig aussteigen können, oder sich von mir helfen lassen. Aber nein, es war ganz allein ihre Entscheidung, diesen Weg vom Anfang bis zum entwürdigenden Ende zu gehen, anstatt sich Hilfe zu holen.
Es wurde schnell spät und wir beide entsprechend müde.
„Ich will dann auch wieder los. Telefonieren wir morgen, wann wir uns das nächste Mal treffen?“
„Ne warte, ich sehe gleich nach.“
Zur gleichen Zeit in der Villa: … Wo Chris sich zu Franzi ins Wohnzimmer gesetzt hatte. Falk baute undefinierbare Figuren aus Lego und Franzi zog sich eine dieser nervigen Navy-Krimis rein, NCIS- irgendwas.
„Franzi, kann ich dich was fragen?“, begann Chris vorsichtig.
„Sicher, was hast du denn auf dem Herzen, mein Junge?“
„Weißt du, ich – nein, eigentlich Josie – hat sich gefragt, wie du dir deine Zukunft vorstellst. Ich meine, nein, sie meint, wie sehen deine Pläne aus, wenn du in Rente gehst?“
„Wollt ihr mich loswerden, oder was?“
„Nö, im Gegenteil, wir machen uns Sorgen.“
„Na, was soll ich schon machen?! Mein ganzes Leben spielte sich in deiner Familie und bei dir ab. Du hast ja alles für mich bezahlt, also konnte ich das meiste von meinem Lohn sparen. Ist mittlerweile ein ganz ansehnliches Sümmchen zusammengekommen. Ich werde mir wohl eine Wohnung mieten und dann langsam alt werden.“
„Wenn du die freie Wahl hättest, was wäre dir lieber: Ein Haus im Grünen oder in der Stadt, oder eine Wohnung.“
„Darüber habe ich nie wirklich nachgedacht. Auf jeden Fall darf das nicht so weit weg von hier sein.“
„Du hast Angst vorm Alleinsein, oder?“
„Und wie!“, atmete sie tief ein.
„Das brauchst du nicht! Wir werden immer für dich da sein. Ich frage deshalb, weil ich die Wohnung in Monaco verkaufen werde. Josie will sie nicht, fühlt sich dort auch nicht wohl und wenn ich ehrlich bin, nutzen wir die Wohnung viel zu wenig. Sie hat mir klar gesagt, dass sie da nicht wieder hin möchte.
Ich würde das Geld aus dem Verkauf gerne hier in Berlin anlegen. Einen Teil davon für dich, damit du für die Zukunft abgesichert bist. Das bin ich dir schuldig.“
„Ich brauch doch nicht viel, möchte nur Falk und eure Kinder aufwachsen sehen. Und ich wäre gern die liebe ‚Oma‘ für die Kinder. Die, die man darum bittet aufzupassen, wenn ihr mal was vorhabt.“
„Aber Franzi, das bist du doch sowieso für uns! Aus den Augen, aus dem Sinn - das gibt es bei mir nicht! Nicht nach allem, was du für mich getan hast! Und Josie mag dich wie eine Mutter. Wahrscheinlich hätte ich den größten Streit mit ihr, wenn ich dich fallenlassen würde. Was hältst du davon, wenn ich an die Villa eine abgeschlossene Wohnung für dich anbaue, oder noch besser, ein kleines Häuschen dicht am See. Dann hättest du dein eigenes Reich und deine Ruhe, könntest aber immer bei uns sein, wenn dir danach der Sinn steht. Kannst auch jederzeit Pool und Sauna nutzen, mit uns Bootstouren machen. Wie wäre das?“
„Das klingt traumhaft! Aber ich möchte euch keinesfalls zur Last fallen.“
„Das tust du nicht, keine Sorge!“
Chris küsste seine Ersatzmama auf die Stirn und rieb ihr beruhigend die Oberarme.
„Du gehörst doch zur Familie, Franziska. Du wirst hier immer einen Platz haben, das verspreche ich dir, auch im Namen von Josie. Und du kleiner Mann räumst jetzt zusammen und dann geht’s ab ins Bett.“
Tiefen und Höhen
Josie
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