Timo - Kapitel 4

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Timo - Kapitel 4

Timo - Kapitel 4

Gero Hard

Später, wir hatten zusammen abgeräumt, sind die beiden müde auf dem Sofa eingenickt. Die Abendroutine im Bad war erledigt, warum also auch nicht. Peter schreckt von einem lauten Ton im Fernsehen auf und verabschiedet sich allein ins Bett. Das erste Mal bekomme ich von ihm einen Gute-Nacht-Kuss. Ich drücke ihn, weil ich von dem Moment überwältigt bin. Damit habe ich nicht gerechnet.

Offenbar braucht er ein paar Tage, bis er sich fremden Menschen gegenüber öffnen kann, beziehungsweise Vertrauen gefasst hat. Nicht Emma ist das Sensibelchen, wie ich erst dachte, sondern Peter.

Er liegt schon im Bett, als ich mich zu ihm herunterbeuge und ihm sage, wie verdammt stolz ich auf ihn bin und wie sehr ich ihn mag.

„Stimmt das Onkel Timo? Sonst kümmern sich immer alle nur um Emma, weil sie noch so klein ist. Ich bin dann immer außen vor.“

„Nein Peter, das stimmt wirklich. Ich mag euch beide gleich gern. Aber Emma fordert die Nähe immer ein, du machst das nicht, deswegen dachte ich, du möchtest das nicht so gerne.“

„Doch, ich möchte schon auch gern mal kuscheln, aber dann sitzt Emma schon auf deinem Schoß und dann ist für mich kein Platz mehr.“

„Ok Peter, das habe ich verstanden und es tut mir wirklich leid. Dann habe ich deine Signale nicht richtig gesehen. Ab morgen werden wir das ändern, versprochen.“

Er hat recht. Ich habe mich sehr um Emma bemüht und habe Peters neidische Blicke nicht gesehen. Dachte, er kommt alleine klar. Jedenfalls hat er den Eindruck vermittelt. Wie man sich irren kann. Ich streiche ihm übers Gesicht und lächle ihn an.

„Onkel Timo? Ich mag dich, du bist in Ordnung.“

„Ich mag dich auch Peter und nun schlaf gut.“

Zufrieden kuschelt sich Peter in seine Decke und lächelt mich an. Für ihn ist die Welt wieder in Ordnung. Gut, dass er es mir gesagt hat. „Gute Nacht.“, flüstert er und bekommt vielleicht kaum noch mit, wie ich leise aus dem Zimmer gehe.

Emma ist auf dem Sofa eingeschlafen. Ich hebe sie hoch und trage sie in ihr Zimmer. Ihr Kopf fällt kraftlos an meine Brust. Sie schnarcht kurz und kuschelt sich dann fest an mich. Ich lege sie vorsichtig in ihr Bett und trotzdem wird sie kurz wach.

„Onkel Timo, kann Oma hier auch wohnen?“ Woher nimmt dieses Kind die Fantasie? Obwohl, es klang eher wie der verschlafene Wunsch eines kleinen Mädchens. Wie heißt es: Kindermund tut Wahrheit kund?

Emma hat die Augen aufgeschlagen. Sie ist wach, was bedeutet, dass ihre Frage völlig ernst gemeint ist.

„Prinzessin, natürlich könnte sie das. Aber ich befürchte, sie würde gar nicht wollen. Deine Omi und ich kennen uns doch gar nicht. Außerdem habt ihr doch eure eigene Wohnung.“

„Aber hier bei dir ist es doch viel schöner. Darf ich denn bleiben?“

Die Kleine hat einen sonnigen Humor. Das war die schönste Liebeserklärung eines Kindes, die ich je gehört habe. Ok, es war auch meine erste. Und trotzdem. Sie fragt das mit ernstem Blick. Sie würde ohne mit der Wimper zu zucken, bei mir wohnen wollen.

„Ach Süße, ich bin doch die ganze Woche arbeiten und nur an den Wochenenden hier. Ich hätte ja nichts dagegen, aber alleine geht das leider nicht.“

„Dann frag ich Omi morgen.“

Damit wirfst sie sich auf die Seite, zieht ihre Decke bis ans Kinn und macht zufrieden die Augen zu. Ich bin mir sicher, dass sie sich gerade überlegt, wie sie ihrer Oma beibringen kann, bei mir wohnen zu wollen.

Auch sie bekommt ein Küsschen auf den Kopf. „Gute Nacht Prinzessin.“, flüstere ich und schleiche mich aus ihrem Zimmer.

Es war ein toller Tag, obwohl der Morgen mit Sandras Abschied nicht der beste Einstieg war. Aber der Rest war super. Der Moment in der Klinik, die ersten Worte mit Julia gewechselt, mit den Kindern im Pool, das Grillen. Für mich ein perfekter Urlaubstag, der aber auch an meiner Kondition gezerrt hat. Ich entschließe mich auch dazu ins Bett zu gehen. Es ist noch früh, gerade mal kurz vor 20Uhr. Aber fernsehen kann ich auch im Bett und wenn ich dann einschlafe, ist es nicht so schlimm.

Ein leises ‚Pling‘, so als hätte jemand an ein Glöckchen aus feinem Glas geschlagen, reißt mich aus dem Halbschlaf. Der Sperrbildschirm zeigt neben der Uhrzeit, 20.32Uhr auch eine Vorschau der Nachricht von Julia. „Wir müssen mal in Ruhe reden, ist das ok?“ und gleich darunter eine Sprachnachricht, die ich sofort neugierig abspiele:

„Hallo, hier ist Julia, bitte entschuldigen Sie sie späte Störung. Ich hoffe, die Kinder sind jetzt im Bett. Jedenfalls sollten sie da jetzt sein. Aber ich muss was loswerden: Ich habe meine Enkel in den letzten Jahren selten so fröhlich gesehen. Und ganz nebenbei, Sie haben einen tollen Garten und der Pool erst… traumhaft schön.

Wissen Sie, ich bekomme nur eine kleine Witwenrente, da ist es schwierig, uns drei über die Runden zu bringen.

Ich will ehrlich sein und schäme mich dafür, aber ich kann Ihnen kein Geld für Ihre Mühe bezahlen. Vielen Dank für die Bilder, sie sind wirklich schön. Gute Nacht.“

Julia Berger, wenn du jetzt hier wärst, würde ich dir ja einen Text verpassen. Aber erstens bist du es nicht und zweitens

bist du noch krank. Und dennoch musst du wissen, dass ich überhaupt nichts von dir verlange. Soll ich ihr jetzt antworten? Ja, das kann ich so nicht stehenlassen. Ich muss ihr das schlechte Gewissen ausreden, was sie zu plagen scheint.

„Hallo Julia. Ja, die Kinder sind todmüde ins Bett gefallen. Wir haben lange im Pool geplanscht und dann gegrillt.

Und übrigens: Emma lernt gerade Brustschwimmen. Will mal so sagen, es geht langsam voran, aber immerhin.

Sie sollen wissen, dass ich vom Tod Ihrer Tochter und Ihres Mannes weiß. Und ich war mit der Polizistin in Ihrer Wohnung, habe Anziehsachen für Sie und die Kinder geholt, auch noch ein paar Spielsachen. Es muss Ihnen überhaupt nicht peinlich sein, Sie machen das ganz prima mit den Kindern. Ich ziehe meinen Hut vor Ihrer Leistung. Und das Wichtigste, ich möchte nichts für die Betreuung der Engelchen von Ihnen haben. Die Beiden sind ganz wunderbare Kinder und ihr Lachen ist mir Lohn genug. Ich habe gerade Urlaub und viel Zeit. Morgen werden wir Sie wieder besuchen kommen, ist das ok?“ Die Sprachnachricht ist etwas länger. Macht nichts, sie muss es einfach wissen.

Es dauerte einen Moment, bis ihre nächste Nachricht kam. „Timo, Sie hat der Himmel geschickt. Erst verdanke ich Ihnen mein Leben und dann kümmern Sie sich selbstlos um völlig fremde Kinder. Sind Sie ein Engel?“

„Nein, ich bin Rettungssanitäter.“ An diese Nachricht mache ich einen lachenden Smiley.

Als Antwort bekomme ich ein ‚Umarmungs-Emoji‘ und ein kurzes: „Bin müde, gute Nacht. Bis Morgen. Ich freue mich auf euch.“

Ein Umarmungs-Emoji, schüchtern ist sie nicht. Oder es hat sie einiges an Überwindung gekostet, es zu benutzen.

Dass sie müde ist, wundert mich nicht. Kurz überlege ich, ob ich sie nicht hier bei mir gesundpflegen könnte. Dann wäre sie bei den Kindern und ich wäre da, wenn sie etwas brauchen würde. Wenn sie stabil ist, sollte doch nichts dagegen sprechen. Ich werde morgen mal mit einem Arzt sprechen. Die Kinder würden sich freuen.

Von Sandra habe ich den ganzen Tag nichts gehört. Nur die paar Minuten in der Klinik. Ansonsten keine Nachricht, keinen Anruf, nichts. Gestern zur gleichen Zeit habe ich noch tief in ihrem Körper gesteckt, nachdem sie ihre Beine weit gespreizt hatte und mir ihr Kätzchen wollüstig hingehalten hat. Mit ihr habe ich schönste Stunden süßer Vereinigung erlebt, habe sie sanft geliebt. Ich habe gesehen, wie sie ihre Orgasmen erlebt hat, wie sich ihr Gesichtsausdruck danach veränderte. Und dann war sie nicht einfach wieder gegangen, sondern war nackt in meinem Bett geblieben, hat sich an mich gekuschelt und ist in meinen Armen geschlafen. Sie hat mir gesagt, dass sie sich in mich verliebt hat. Und nun? Nichts ist davon geblieben.

Vielleicht auch ganz gut so. Wenn sie denn wenigstens das Gespräch mit Franjo führen würde, so wie sie es heute Morgen versprochen hatte. Ich hoffe jedenfalls, dass es sich bei ihnen zum Guten wendet.

IV.

Vogelgezwitscher weckt mich. Eine Drossel, mit durchdringendem, aber fröhlichem Gesang. Etwas fühlt sich anders an als sonst. Emma hat sich eng in meine Arme gekuschelt und Peter liegt dicht hinter mir. Klammheimlich haben sich die Biester in mein Bett geschmuggelt. Emma ist nicht allein, sie hat ihre Puppe, die sie Nicole genannt hat, im Arm. Ganz klar eine Premiere, 2 Männer und zwei Frauen in meinem Bett, auch wenn eine davon aus Plastik ist.

Vorsichtig drehe ich mich auf den Rücken und ziehe die Kinderkörper an mich heran, so dass ihre Köpfe auf meiner Brust liegen. Meine Arme lege ich beschützend um sie, obwohl ihnen in meinem Schlafzimmer keine Gefahr droht.

Meine Blase drückt, aber wecken will ich die Zwerge auch nicht, obwohl es durchaus Zeit zum Aufstehen wäre.

Kinder haben eine kurze Zündschnur zum Wachwerden. Von Augen auf bis gleich auf 100 in nur zwei Sekunden.

Emma holt sich ein kleines Küsschen von mir ab, springt auf und hüpft ausgelassen auf der Matratze herum. Genau das Richtige für meine volle Blase.

Peter wacht auch auf, straft Emma mit einem bösen Blick, weil sie ihn geweckt hat. „Dumme Pute“ murmelt er leise, schwingt die Füße aus dem Bett und schlurft verschlafen ins Bad. Ausgerechnet, wo es mir fast aus den Ohren kommt. Wenn ich nicht aufpasse, gibt’s ne knackeharte Wasserlatte, oder ich piesele mir in die Buxe. Alles, nur bitte das nicht, wo doch Emma hier herumturnt.

„Bin gleich wieder da.“, sage ich ihr und gehe nach unten aufs Gästeklo. Was für eine Wohltat, wenn der Druck nachlässt. Mit jedem Tropfen verschwindet der sprichwörtlich, gelbe Schleier vor meinen Augen.

Ich weiß nicht, warum mir gerade jetzt Julia in den Sinn kommt. Vielleicht weil ich gerade Zeit habe, während ich auf der Toilette sitze. Ja richtig gelesen, ich pinkle immer im Sitzen. Wenig männlich, zugegeben, aber schließlich muss ich sie ja auch selbst putzen, die Toilette mein ich.

Die Nacht war wie eine Erleuchtung für mich. Plötzlich ist alles klar, wie ich mit den Frauen in meinem Leben weitermache.

Julia ist meine erste Wahl, natürlich mit Anhang. Bei ihr bin ich mir nur noch nicht im Klaren, wie wir zusammenkommen wollen. Ich habe echt keinen Plan. Dafür kenne ich sie auch zu wenig. Ich denke, ihr einen Platz in meinem Haus für die Dauer der Erholung anzubieten, könnte ein guter Plan sein. So lernen wir uns kennen und können sehen, ob es passt.

Sandra, definitiv meine zweite Wahl. Mit ihr könnte ich mir auch was vorstellen, wenn sie sich von Franjo trennen würde. Aber nur dann. Und mit dem Kind, das sie gerade austrägt, habe ich auch kein Problem.

Warum zweite Wahl? Weil sie eigentlich zu jung für mich ist. Und dennoch könnte man es versuchen. Aber ich möchte nicht mit ansehen, wie sie sich einen Jüngeren sucht, wenn sie meiner überdrüssig geworden ist, weil ich alt geworden bin. Ich werde abwarten, ob sie sich von selbst bei mir meldet, oder ob das gestern Morgen tatsächlich keine Verabschiedung, sondern ein ‚Lebe Wohl‘ war. Dann ist es auch ok. Zweite Wahl eben, damit komme ich zurecht. Ich erschrecke mich vor mir selbst, wie selbstgefällig, naiv und egoistisch ich denke.

Bisher habe ich nur darüber nachgedacht, wie ich reagieren würde, wenn Sandra mich will, oder dass ich eine Beziehung mit Julia eingehen würde.

Keine Sekunde ist mir in den Sinn gekommen, dass sowohl Sandra, als auch Julia, mich gar nicht haben wollen würden.

Bis jetzt …  Was, wenn ich nicht Julias Typ bin? Was, wenn wir uns charakterlich gar nicht mögen, oder ich schlicht und ergreifend nicht ihrem Beuteschema entspreche? Was ist dann mit den Kindern, wir mögen uns, wie würden sie das verkraften? Wenn das mit Julia nichts werden wird, warum auch immer, wäre das eine ziemlich dicke Kröte für die Kinder. Aber auch mich würde das treffen, weil ich sie auch vermissen würde.

Oder Sandra … was, wenn sie mich nur benutzt hat, um ihre Lust zu befriedigen, was Franjo anscheinend nicht tut. Oder was mache ich, wenn sie mich offen um eine Freundschaft-plus-Beziehung oder um eine Affäre bittet? Sozusagen als Zweitmann, Franjo für zu Hause, mich fürs Bett?

Was, wenn ich plötzlich gar keine von beiden bekommen kann, wenn ich wieder allein mein Singledasein in meiner kleinen Welt fristen muss? Was, wenn ich dann merke, wie sehr mir eine ‚Familie‘ fehlt? Was hat mich nur geritten wie selbstverständlich davon auszugehen, dass sich wenigstens eine der Frauen für mich entscheiden wird?

Jetzt sitze ich hier und die Fragen brennen mir Löcher ins Hirn. Panik vor der Ungewissheit kommt in mir auf.

Wieder mal wird mir schmerzhaft bewusst, dass ich niemanden habe, mit dem ich darüber sprechen kann, meine alten Freunde sind alle weit weg und eine Familie habe ich nicht mehr. Aber das ist eine andere, lange Geschichte.

Komische Gedanken, während die letzten gelben Tropfen in das Porzellan fallen. Emma ruft nach mir. Sie erinnert mich daran, dass sie noch immer auf meinem Bett herumspringt.

Peter kommt mir angezogen und gekämmt auf der Treppe entgegen. „Ich decke schon mal den Tisch.“, sagt er. Wohl als versteckte Andeutung gedacht, dass er Hunger hat und ich mit Emma in die Gänge kommen soll.

Emma springt mir mit einem mutigen Hüpfer direkt vom Bett in die Arme, als ich ins Schlafzimmer zurückkomme. Hätte ich nicht so gut reagiert, wäre sie ins Leere gesprungen. Das war knapp.

Mit einem liebevollen Klaps auf den Po schicke ich sie ins Bad. Was für ein liebes Mädchen. Ob sie das der guten Erziehung ihrer Oma zu verdanken hat, oder den guten Manieren ihrer Mutter?

Peter hat das toll gemacht. Der Tisch ist mit allem gedeckt, was man zum Frühstücken braucht. Dass er die Margarine vergessen hat, ist mir auch schon öfter passiert. Wir sitzen und essen, es duftet nach heißem Kakao und schwarzem Tee.

Der Toaster spuckt eine geröstete Scheibe Weißbrot nach der anderen aus. Es ist heimelig, anders kann man das nicht beschreiben. Familienidylle pur.

„Ob Oma bald aus dem Krankenhaus raus darf?“ Peter ist es, der sich Sorgen macht. Sein Gesichtsausdruck ist traurig.

Sie haben gestern gesehen, dass es Julia nicht wirklich viel besser ging.

„Peter ich weiß es nicht. Ihr Herz ist nicht mehr das Beste. Man sagt ja immer gern den Spruch: Es bricht mir das Herz … Aber wisst ihr, eure Omi hat viel Leid ertragen müssen, vielleicht hat es ihr wirklich das Herz kaputt gemacht.“

„Kann das denn kaputt gehen?“, ist Peters Frage berechtigt.

„So wirklich kaputt gehen, wie ein Glas zum Beispiel, kann es nicht. Aber es kann durch Stress und Schmerz einen inneren Schaden nehmen. Man kann ihn messen, aber nicht sehen.“

„Es ist also noch nicht vorbei.“, murmelt er mit gesenktem Kopf vor sich hin.

Emma hat unserer kurzen Unterhaltung zwar zugehört, aber verstanden hat sie nicht viel. Die Worte schon, aber nicht, was sie bedeuten. „Ich will zu ihr Onkel Timo, geht das?“

„Das geht sicherlich Prinzessin, aber erst wird zu Ende gefrühstückt.“

Ich beobachte die Kinder. Emma ist so unbeschwert wie sonst auch. Peter hingegen ist nachdenklich und kaut gedankenverloren auf einem Bissen Brot herum. Mein Handy brummt. Sandra. „Ich muss dich sehen. Wollen wir mit den Kindern zur Burg hoch?“

Das ist eine gute Idee, wollten wir ja gestern schon. Aber erst zu Julia in die Klinik. Ich möchte sie sehen lassen, dass es den Kindern gut geht. Der Text auf meinem Bildschirm, diese wenigen Worte, und doch lösen sie eine Flut an Gefühlen in mir aus. Ich muss schmunzeln, mir wird warm und Freude erfasst mich. Das Kribbeln in meinem Bauch kommt bestimmt von den Schmetterlingen, die nervös aufgeflogen sind.

Mit ihr und den Kindern zusammen auf den Berg, zur Burg, die Aussicht und ihre Nähe genießen. Ich kann es kaum erwarten, meinen Arm um ihre Hüfte zu legen. Aber vielleicht darf ich das gar nicht mehr?

„Ab halb 2 sind wir startklar.“ tippe ich in das Handy. Fast augenblicklich kommt ihre Antwort: „Ich freu mich.“

Gegen halb 11 bin ich mit den Kindern bei Julia. Sie lacht uns an und breitet die Arme für die Kinder aus, die sie auch

gleich fest an sich zieht. Sie versucht den Kinder gegenüber stark zu sein, aber ich weiß es besser.

Die angeschlossenen Geräte verraten mir ein paar andere Details. Noch immer führen einige Kabel in unterschiedlichen Farben von den Armaturen durch den Ärmel ihres Nachthemdes an ihren Körper, um die wichtigsten Daten zu registrieren.

Ihr Blutdruck ist zu niedrig und der Puls als Ruhepuls zu hoch. Das Blut rast förmlich durch ihren angeschlagenen Körper. Man hat ihr einen Tropf angelegt um ihr etwas Volumen zuzuführen. Ich bleibe an der Tür stehen und beobachte das Geschehen. Julia hat zwar die Kinder im Arm, aber ihre Augen sehen mich an, hilfesuchend, fast flehend.

Aber ich verstehe nicht sofort, was ich für sie tun soll, wobei kann ich ihr jetzt gerade helfen?

Nur ein paar Schritte, dann stehe ich hinter den Kindern, in ihrer Reichweite. Sie nimmt meine Hand und drückt sie. Ich spüre, dass sie sich anstrengen muss, etwas Kraft in den Griff zu bekommen. „Danke für alles.“, flüstert sie müde.

Sie ist nicht wirklich müde, aber ihr schwacher Körper vermittelt den Eindruck. Ich nehme ihre Hand, streiche sanft darüber und antworte: „Immer gern Julia.“

„Timo, ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich hier liegen muss und Ihnen meine Kinder zur Last fallen. Und jetzt müssen Sie auch noch die lästigen Besuche ertragen. Es tut mir wirklich leid, wissen Sie?“

„Es muss Ihnen nicht leid tun und Sie brauchen auch kein schlechtes Gewissen haben. Menschen zu helfen ist nicht nur mein Beruf, sondern auch meine Berufung. Ich habe ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Und glauben Sie mir, Ihre Kinder sind alles andere als eine Last für mich. Ich habe selten so gut erzogene, liebe Kinder gesehen. Herzlichen Glückwunsch.“

Sie lächelt. „Danke“ sagt sie. Dann ist ihre Kraftreserve schon verbraucht.

Emma erzählt ihrer Oma, dass wir zusammen mit Tante Sandra zur Burg gehen wollen. „Ich habe ihnen eine warme Brezel versprochen.“, ergänze ich. „Ja, das hat er.“, strahlt das Mädchen.

„Die Polizistin, oder?“, fragt Julia. Ich nicke nur. „Sie ist hübsch.“, stellt Julia fest. „Ja und sie ist total lieb.“ frohlocken Peter und Emma wie aus einem Mund. Ich nicke erneut, bin mir nicht sicher ob es gut ist, wenn ich Sandra noch weiter zum Thema mache.  

Was ich vermeide, übernimmt Emma nur zu gern. „Sie mag Onkel Timo, das habe ich dir schon mal gesagt, als du noch geschlafen hast. Ich hab es gesehen, sie haben schon in einem Bett geschlafen und waren nackt. Und sie küssen sich.“

„Kleine Petze.“, tadele ich Emma. Es ist das erste Mal, dass mir peinlich ist, was sie sagt.

„So, so, tun sie das?“ Ihr Blick ist etwas strafend. „Nackt im Bett, vor den Kindern?“

„Nein Julia, ganz so ist es nicht gewesen. Emma hat uns geweckt. Sandra hatte bei mir übernachtet, weil sie etwas getrunken hatte.“, lüge ich. Mir fällt gerade nichts anderes ein, was einer sinnvollen Erklärung gleich käme.

„Aber ihr wart nackt.“, bekräftigt Emma ihre Aussage. „Uns war warm.“, zucke ich mit den Schultern.

Julia ist eine erwachsene Frau und nicht dumm. Sie braucht nur 1 und 1 zusammenzuzählen. Sie nickt wissend: „Verstehe.“ Sie sieht mich an und mahnt mich: „Können Sie in Zukunft bitte etwas vorsichtiger sein?“

„Natürlich.“, erwidere ich und werde rot wie ein Teenager.

Jetzt ist die berühmte Katze aus dem Sack. Julia weiß jetzt von Sandra und mir. Danke Emma, so war das nicht geplant.

Andersherum ist es auch in Ordnung. Vielleicht gar keine so schlechte Strategie mit offenen Karten zu spielen.

So weiß jeder woran er ist und kann überlegen, wie er damit umgehen möchte.

Bei Julia habe ich ein paar Credits eingebüßt. Das war unzweideutig erkennbar. Ob es der Altersunterschied ist, oder eine aufkeimende Eifersucht, ich weiß es nicht. Es spielt ehrlich gesagt auch keine Rolle.

Wir bleiben noch etwas und spielen „Mensch ärgere dich nicht“. Vielleicht nicht ganz passend für einen Menschen mit einem schwachen Herz. Aber Julia ist mit Begeisterung dabei, als ich die Spielesammlung aus dem Rucksack ziehe.

Wir haben ihr Nachtschränkchen so gestellt, dass auch die Kinder alles gut überblicken können.

Es ist eine fröhliche Runde. Selbst Julia, die eben noch schwach auf ihren Kissen lag, lacht und freut sich, wenn sie einen meiner Steine aus dem Spiel werfen kann.

Es ist komisch, aber das Emma geplaudert hat, nagt an mir. Was muss die Frau von mir denken? Dass ich wie ein notgeiler Pavian mit der jungen Frau nackt durch mein Haus renne? Dass mir die Anwesenheit der Kinder egal ist und ich hemmungslos alles vernasche, was mir vor die Vorhaut kommt?

„Julia, ich muss das richtig stellen. Sandra und ich, es stimmt das wir … Aber es war eine einmalige Sache, wir sind kein Paar. Es hat sich einfach so ergeben. Wir hatten einen schönen Tag mit den Kindern, haben abends zusammen gesessen, und dann, naja …“

„Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig. Hauptsache, die Kinder bekommen davon nichts mit. Das will ich nicht. Ansonsten sind Sie alt genug und ihr Männer steht doch auf so junge Dinger.“

„So ist das nicht…“

„Lassen Sie’s gut sein, ich gönne es Ihnen ja. Sie ist eine schöne Frau, also warum denn nicht.“

Damit ist das Thema fürs Erste erledigt. Obwohl ich mich ihr gegenüber noch weiter erklärt hätte. Aber stimmt natürlich, vor den Kindern mit Sicherheit kein guter Zeitpunkt.

Das Spiel schwächt sie zusehends. Immer öfter legt sie sich erschöpft zurück. Es wird Zeit, dass wir uns verabschieden, damit sie sich ausruhen kann.

Sie wird sicher noch ein paar Tage bleiben müssen, aber dass diese angeschlagene Seele dann mit den Kindern allein

klar kommen soll, kann ich kaum glauben.

Die Verabschiedung fällt unaufgeregt aus. Die Kinder haben sich dran gewöhnt, dass ihre Oma noch bleiben muss.

Umarmung hier, Küsschen da und schon ist das für sie erledigt.

 

Fortsetzung folgt in ein paar Tagen.

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