VII. Erschrocken sieht Sandra an sich herunter. Ich folge ihrem Blick. Die Innenseiten ihrer Oberschenkel sind voll mit verschmiertem Blut. Und wenn es bei ihr innen ist, dann sollte es bei mir außen …
Ja, ich bin auch rot. Da, wo Sandra steht, sind schon ein paar Tropfen auf dem Laminat. Sie spürt, wie es ihr warm am Bein herunterläuft. Mit weit aufgerissenen Augen sieht sie an sich herunter. „Timo, was ist das, hilf mir“, weint sie mir panisch entgegen.
„Ich kann mir nur vorstellen, dass wir zu heftig… Du musst ins Krankenhaus. Jetzt. Hast du noch Tampons? Dusch dich, anziehen und dann los.“
„Und die Kinder?“„Nehmen wir mit, was sonst.“
„Timo, mir wird schlecht und ich bekomme Unterleibsschmerzen.“
Das wundert mich nicht. Sie blutet schon ziemlich stark, deutlich mehr, als wenn sie ihre Periode hätte.
Nackt wie wir sind, gehen wir zusammen ins Bad unter die Dusche. Ich stütze sie, damit sie mir nicht aus den sprichwörtlichen Latschen kippt.„Timo, das wird peinlich, ich schäme mich so. Der Doc sieht doch genau, dass wir … also ich meine, du hast heftig abgespritzt. Das Zeug ist doch alles noch da drin.“
„Engel, egal ob Mann oder Frau, beide werden wissen, dass Menschen so etwas tun. Und beide werden wissen, dass es dabei auch zu einem Samenerguss kommen kann. Viel schlimmer finde ich, dass wir so unvorsichtig waren. Was muss denn das kleine Mädchen in deinem Bauch von seinen perversen Eltern denken.“
„Blödmann. Du musst ja auch nicht mit gespreizten Beinen vor einem Arzt liegen.“
„Das stimmt, aber ich kann bei dir sein und deine Hand halten, wenn es dich beruhigt.“
„Aber die Kinder, …“
„… werden brav auf dem Flur warten, bis wir wieder nach Hause fahren können.“
„Deinen Optimismus hätte ich gerne.“
„Meiner reicht für uns beide, glaub mir. Und nun beeil dich.“
Sandra findet tatsächlich noch einen Tampon in ihrer Kulturtasche. Wenigstens für den Moment bleibt ihre Unterwäsche sauber.Die Kinder sind nicht besonders begeistert, dass wir sie aus dem Schlaf reißen müssen. Im Auto schlafen sie deshalb auch fast augenblicklich wieder ein.
Den Weg ins Krankenhaus kenne ich wie im Schlaf. Nur, dass ich dieses Mal nicht auf den Besucherparkplatz einbiege, sondern direkt zur Notaufnahme fahre.Emma und Peter kuscheln sich im Wartebereich aneinander und schlafen weiter. Mit einer Wolldecke aus dem Auto decke ich sie liebevoll zu.
Sandra ist aufgeregt. Verständlich. Sie hat sich meine Hand geangelt und zusammen mit ihrer in den Schoß gedrückt. „Ich habe Angst“, flüstert sie. „Ich auch“, flüstere ich zurück.„Wir waren echt hart bei der Sache. Himmel, ich bin gekommen, als wäre eine Atombombe in mir detoniert. Ich glaube, ich war sogar kurz weggetreten. Aber hey, mach dir jetzt bitte keine Vorwürfe deswegen“, sagt sie leise.
„Mach ich aber.“, bin ich besorgt.
„Wir haben beide Schuld. Vielleicht machen wir uns ja auch grundlos Sorgen. Es ist schön, dass du so fürsorglich zu mir hältst.“, kuschelt sie sich an mich.
Ich spreche kurz mit der Schwester, ob sie ein kleines Auge auf die Kinder haben kann, während ich mit Sandra zur Untersuchung gehe. Jetzt, mitten in der Nacht, ist es sowieso ruhig, deshalb verspricht sie es gern. Die Mäuse sind eh im Land der Träume, da wird es ein ‚Kinderspiel‘ für sie.
Die Schwester bittet uns in den Behandlungsraum. Sandra soll sich schon mal untenrum freimachen und auf den Stuhl legen. Die Schwester sieht uns mitleidig an. Ich glaube, sie ahnt schon, was passiert ist. „Wird schon“, sagt sie, als sie Sandras nackten Schambereich mit einem grünen Kliniktuch abdeckt.
Wir haben Pech, es ist ein männlicher Arzt, noch dazu nicht besonders alt. Dann eine Aneinanderreihung peinlicher Momente, die mein Schatz zu ertragen hat, nachdem er sich ihren Mutterpass angesehen hat.
Erst bittet er sie, weiter nach unten zu rutschen. Und als wäre die Position auf dem Gyno-Stuhl nicht schon erniedrigend genug, zieht er nun auch noch den blutdurchtränkten Tampon aus ihrer Scheide und lässt ihn in spitzen Fingern pendelnd in eine kleine glänzende Nierenschale fallen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie beschämt sich eine Frau fühlen muss, der man beim Tamponwechseln mit drei Personen genau zwischen die Beine sehen kann. Vor allem, wenn zwei davon auch noch Männer sind.
Sandra ist puterrot im Gesicht. Sie krallt sich in meine Hand, hat kalten Schweiß auf der Stirn. Ich nehme ein unbenutztes Tempo und tupfe ihre Stirn trocken. Sie sieht mich verliebt an.Scharf zieht sie die Luft ein, als er ihr das kalte Spekulum in die Scheide einführt und sie spreizt, bis sie völlig offen vor ihm liegt. Er sieht tief in ihr Inneres.„Oh, oh“, höre ich ihn sagen, „das sieht nicht gut aus. Der Muttermund ist eingerissen, das verursacht die Blutung.“
„Ach du Scheisse.“ Ich kann mein Erstaunen nicht zurückhalten. Auch Sandra sieht mich erschrocken an.
„Tja“, sagt der Doc, „da sind Sie wohl ziemlich heftig zu Werke gegangen was?“ und lacht. Der Typ lacht uns aus, ist das zu fassen? Ich werde sauer, will ihm in die Parade fahren. Sandra merkt es, zupft mich an der Hand und schüttelt kaum merklich mit dem Kopf. „Tu’s nicht“, sagen mir ihre Augen.„Und es war der geilste Fick des Jahrhunderts!“, zischt sie den Weißkittel an, dessen Lachen sofort zu einer Grimasse gefriert. Jetzt merkt er auch endlich, dass seine Bemerkung wenig angebracht war.
„Entschuldigung“ sagt er, „es geht mich nichts an. Aber bitte, Sie sollten in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Offenbar sind Sie zu gut gebaut für ihre Freundin.“
„Er hat DEN perfekten Schwanz für mich, der passt prima bei mir rein“, zickt sie den jungen Arzt weiter an, der damit auch den letzten Rest seiner Selbstsicherheit eingebüßt hat. „Aha“, murmelt er nur. Mit so viel Information kann er nicht umgehen.Mit einem langen Wattestab trägt er ein blutstillendes Medikament auf die verletzte Cervix und verschreibt ihr ein fötusverträgliches Schmerzmedikament gegen ihre Unterleibsschmerzen.Natürlich kann er sich eine oberlehrerhafte Belehrung nicht verkneifen, dass Sex in der Schwangerschaft grundsätzlich kein Problem sei, aber derart heftiger Verkehr zum vorzeitigen Abort führen könnte.Sandra ist plötzlich ganz still. Mit schmerzverzerrtem Gesicht presst sie ihre Hände auf ihren Bauch und zieht die Beine an. Es ist mehr als klar, dass sie gerade Schmerzen ertragen muss, die wohl schubweise auftreten.Die anschließende Ultraschalluntersuchung und der Wehenschreiber zeigen, dass Sandra vorzeitige Wehen bekommen hat. Viel zu früh und besorgniserregend. „Ich werde Sie bei uns behalten müssen. Sie brauchen absolute Bettruhe. Außerdem müssen wir die Wehentätigkeit laufend beobachten.“
Im Nachhinein betrachtet, waren wir wirklich sehr unvernünftig. Aber in dem ekstatischen Moment haben wir beide die Kontrolle verloren. Jetzt liegt mein Schatz mit dicken Tränen in den Augen vor mir. Ich beuge mich zu ihr herunter und küsse sie. „Verzeih mir“, flüstere ich, selbst mit einem dicken Kloß im Hals. „Wir haben beide Schuld“, antwortet sie und streichelt meine Wange. Ihr Blick ist verliebt, traurig und kein bisschen vorwurfsvoll.
Sandra, gebeugt von starken Unterleibsschmerzen, hängt sie an meinem Arm, als wir auf dem Krankenhausflur stehen. Ich entdecke Emma und Peter, die süß schlafend auf einer Bank liegen. Es tut mir leid, dass ich sie schon wieder wecken muss, aber es hilft nun mal nichts. Der Abschied zwischen Sandra und mir fällt traurig aus. Ich verspreche sie später wieder zu besuchen, aber erstmal müssen die Mäuse wieder ins Bett. Mein Schatz ist hier gut aufgehoben. Und vielleicht tut ihr ein bisschen Ruhe auch ganz gut. Außerdem gibt es mir die Sicherheit, dass sie keine Dummheiten mit Franjo macht. Höchstens schreiben kann sie noch mit ihm. Flirten, oder sich über ihre Beziehung und eine eventuelle Rückkehr zu ihm austauschen.Ihr Handy hat sie ja noch, auch wenn ihr im Moment bestimmt nicht der Sinn nach tiefsinniger Schreiberei mit ihrem Ex steht. Oh Gott, ich hasse mich für diese Gedanken.
Müde falle ich auf die Couch. Was für eine Nacht. Die Kinder sind gar nicht richtig wach geworden und liegen jetzt wieder in ihren Betten. Mir fallen die Augen zu, das war auch für mich eine Spur zu viel.
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Peter rüttelt an meiner Schulter. Ich muss doch noch mal fest eingeschlafen sein und so wirklich wach bin ich nicht.„Papa du musst aufstehen, wir müssen doch ins Krankenhaus.“
Hat er gerade Papa gesagt? Bestimmt habe ich mich verhört.
„Hast du gerade Papa zu mir gesagt?“„Tut mir leid, das ist mir so rausgerutscht. Ich meinte natürlich Onkel Timo.“ Richtig rot ist er geworden, niedlich.
„Ist nicht schlimm, wenn alle Kinder so lieb wären wir ihr zwei, dann wäre ich sogar gern euer Papa.“Es ist schwer heute in die Gänge zu kommen. Gestern Abend körperlich alles gegeben, dann die Zeit im Krankenhaus, die Ungewissheit und das schlechte Gewissen, das hat mich weit über den toten Punkt hinausgebracht.
Mir ist schlecht bei dem Gedanken daran, möglicherweise dafür verantwortlich zu sein, wenn Sandra das Kind verlieren sollte. Das würde ich mir niemals verzeihen können.
Julia mit den Kindern zu besuchen ist schon zur Routine geworden. Aber mit dem Gefolge nun auch noch Sandra, das wird bestimmt langweilig für die Zwerge. Aber es gibt keine andere Lösung.Es ist fast schon Mittag, als wir bei Julia auftauchen. Sie sieht blendend aus und ist bester Laune. Erwartungsvoll streckt sie uns die Arme zur Begrüßung entgegen. „Du auch“, wedelt sie mich mit ihren Händen heran. „Oder darf ich dich nicht drücken?“
Kaum etwas, was ich jetzt lieber täte. Fest drückt sie mich an sich. So viel Kraft hätte ich ihr noch gar nicht zugetraut. Ich glaube sogar, dass sie mich länger festhält, als dass es eine rein freundschaftliche Begrüßung wäre.Es steckt viel Dankbarkeit in der Umarmung, das verrät mir meine Antenne. „Schön, dass du da bist.“, flüstert sie mir ins Ohr.
Der Kampf im Krankenhaus hat sie körperlich geschwächt. Kurz habe ich das Bild ihres nackten Oberkörpers vor Augen. Schlank ist sie sowieso, aber jetzt sind auch die letzten Fettreserven verbraucht. Übrig geblieben ist ein schmaler, sehr fester Körper, der sich aber trotzdem noch fantastisch anfühlt.Sandras Body hat natürlich ihres jungen Alters entsprechend eine andere Spannkraft. Alles an ihr ist runder,weicher geformt, vielleicht sogar etwas harmonischer. Aber was Julia auszeichnet ist ihre innere Stärke, ihre Willenskraft und ihre umgängliche Art. Dass sie dabei, für ihr mittleres Alter, noch eine super Figur hat, bestärkt noch meinen Wunsch, sie näher kennenzulernen.
„Ich kann morgen raus, holst du mich bitte ab?“, strahlt sie mich an, wobei sie ihren Kopf leicht schräg legt. Wenn ich ehrlich bin, gefällt sie mir jeden Tag besser. Ich ertappe mich, dass ich Sandra und Julia vergleiche, wobei ich Julia im Alltag noch nicht erlebt habe. Darauf freue ich mich jetzt schon.
„Sehr gern. Wir sind morgen sowieso wieder hier, Sandra liegt auf der Gyn.“
„Oh Gott, was Schlimmes?“
„Starke Unterleibsschmerzen und plötzliche Wehen.“
„Das hatte meine Tochter auch. Wie geht’s ihr?“
„Ich weiß es noch nicht. Ich habe sie erst letzte Nacht eingeliefert. Ich will sie gleich noch besuchen gehen.“
„Dann lass doch die Kinder eben hier bei mir, das schaffe ich schon. Dann habt ihr einen Moment für euch.“„Echt? Das wäre prima. Den Kindern ist es bestimmt langweilig bei ihr.“
„Nein ist schon ok, geh nur, ich mach das schon.“
Ich muss sie ziemlich blöd angesehen haben. „Na los, hau schon ab.“, stichelt sie lächelnd. Vielleicht eine gute Generalprobe. Und sollte es doch nicht gehen, kann sie immer noch die Schwester anklingeln.
Es ist ganz schön weit von der Kardiologie bis zur Gynäkologie. Genug Zeit mal durchzuatmen. Zig junge Männer kommen mir entgegen. Junge Söhne, vielleicht junge Väter, oder ist vielleicht einer von ihnen sogar Franjo? Langsam fange ich an, diesen Namen zu hassen. Zuviel schlechte Gedanken verbinden sich mit diesem Namen.Aber er gehört leider untrennbar zu Sandra, oder besser zu dem Kind in ihrem Bauch.
Ich weiß genau, ich kann mit Sandra leben und auch mit ihrem Kind. Wir würden das zusammen schon hinbekommen. Aber ob ich auch dauerhaft mit Franjo leben kann, glaube ich eher nicht. Nicht im Moment jedenfalls.
Sandra sitzt im Bett und spielt mit ihrem Handy. Ich bleibe kurz in der Tür stehen um zu sehen, wie sie reagiert.
„Oh hey Schatz, endlich bist du da.“, strahlt sie mich an. „Wo hast du die Kinder? Und warum habe ich noch keinen Kuss von dir bekommen?“
„Wow, das sind aber viele Fragen auf einen Haufen.“
Längst sitze ich auf ihrem Bettrand und habe ihr Gesicht in meinen Händen. Natürlich bekommt sie einen innigen Kuss. Aber ich bin auch neugierig, deshalb löse ich mich schnell wieder von ihr und sehe mir die Kurve auf dem Wehenschreiber an, der neben ihrem Bett steht.
„Erzähl Engel, wie geht es dir?“
„Eigentlich wieder gut. Die Schmerzen sind weg. Aber das mag an dem Schmerzmittel liegen, das ich heute Morgen noch bekommen habe. Und es ist auch nur noch ganz selten ein Tropfen Blut in der Slipeinlage.“
„Und Franjo? Weiß er Bescheid?“
„Ach du meinst, weil ich eben am Handy war? Schatz, ehrlich, ich habe eben mit Sabrina geschrieben. Kannst ja nachsehen, wenn du mir nicht glaubst. Tust du sowieso nicht, weiß ich doch schon. Sie hat mir geschrieben, dass Franjo ziemlich fertig ist.“
Mit einem verächtlichen Blick legt sie mir das Mobil in den Schoß. „Hier, sieh nach. Du gibst sonst sowieso keine Ruhe. 5319 ist der Pin. Na los …“Wenn sie es mir schon so bereitwillig gibt, klar gucke ich dann auch. Sie hat recht, ich würde eh so lange bohren, bis sie nachgeben würde.Ok, mal sehen: Franjo gestern Morgen zuletzt = krasse Abfuhr kassiert = sehr gut.Sabrina, mit ihr hat sie gerade erst geschrieben. Wie’s ihr geht und sowas. Und, wie glücklich sie mit mir ist und wie geil es ist, mit mir zu ficken. Ja, sie hat echt ficken geschrieben. Luder. Interessant fand ich auch, dass sich Sabrina offensichtlich an Franjo rangemacht hatte, weil er ja doch so süß ist.Nach einigem Hin- und Her mit, ‚wie war’s denn und erzähl mal‘, schrieb Sabrina, dass sie Franjo ziemlich betrunken und verwahrlost in seiner Wohnung angetroffen hatte. „Sah schlimm aus“, schrieb sie.Sandra scheint das ziemlich kalt zu lassen, denn ihre Laune hat sie sich davon nicht verhageln lassen. „Zufrieden?“,fragt sie, als ich ihr das Smartphone wiedergegeben habe. „Ja“, antworte ich etwas verlegen.
„Dein Kontrollzwang nervt ziemlich, hätte ich nicht von dir gedacht, ganz ehrlich.“Dass es sie wirklich nervt, erkenne ich an ihren zusammengekniffenen Augen. Mich stört es ja selbst. Und seit gestern gibt sie mir ja auch kein Grund zum Eifersüchtig sein. Im Gegenteil. Alles was ich lese, ist Balsam für mein Ego. Und trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack, den ich partout nicht loswerde.
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