Timo - Kapitel 8

Julchen

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Timo - Kapitel 8

Timo - Kapitel 8

Gero Hard

Meine Schritte hallen laut über den Krankenhausflur der gynäkologischen Abteilung, in meiner Hand ein kleiner Strauß Blumen. Überall frisch verliebte Pärchen, frisch gebackene Eltern mit ihren Säuglingen, Großeltern, die staunend in die gläsernen Wiegen schauen und Menschen, die durch eine große Glasscheibe die neuen Erdenbürger bewundern und darüber diskutieren, wem die Wonneproppen denn nun am Ähnlichsten sehen.

Einzelne Wartebereiche, hübsch hinter Glaswänden angelegt, lasse ich rechts oder links liegen. Aus den Augenwinkeln kann ich mir einen flüchtigen Blick in die kleinen Räume dennoch nicht verkneifen.

Fast bin ich an einem davon vorbei, lässt mich ein Bild scharf abbremsen und zwei Schritte zurückgehen, bis ich den Raum voll einsehen kann.

Sandra, eindeutig und unverkennbar, auf dem Schoß eines jungen Mannes, den ich nicht kenne, die Zungen wild züngelnd miteinander verknotet. Durch ihre Erregung haben sie den Rest ihrer Umwelt total ausgeblendet. Und sogar ein Teil ihrer Hemmungen scheinen sie verloren zu haben. Ich kann seine Hand genau beobachten, die er unter ihr Shirt geschoben hat und mit der er ihren offenbar nackten Busen bearbeitet. Ich kann erkennen, dass er ihre harten Brustwarzen mit den Fingern vollends aufblühen lässt.

Sie hingegen schiebt sich etwas von seinen Beinen, um die freigewordene Lücke mit ihrer Hand zu füllen. Ich weiß genau, was sie dort tut. Oft genug hat sie mit ihren Händen in meiner Badehose das gleiche getan. Ich kann es nicht fassen, was ich sehe. Und beinahe ist es so, als könnte ich ihre Hand an meinem Gemächt fühlen, wie sie mich streichelt und drückt, bis ich sie nur noch vögeln möchte. Ich ahne, wie es dem jungen Mann jetzt gehen muss.

Die Blumen in meiner Hand werden plötzlich schwer wie Blei. Langsam sinkt der Arm nach unten, so dass die hübschen Blüten ihren Kopf nach unten hängen lassen müssen. Ihnen geht es wie mir, der ich traurig vor mir in den Raum sehe. Ich kann nicht wegsehen, obwohl ich es gern machen würde. Die Hände des jungen Paares werden immer forscher, frecher, unvorsichtiger. Vielleicht sogar noch angestachelt, weil sie beobachtet werden könnten.

Dass ich es allerdings bin, der sie bei ihrem lüsternen Treiben bespannt, ahnen sie bestimmt nicht.

So wie ich die zwei sehen kann, könnten sie auch mich sehen. Aber sie bemerken mich nicht.

Sandra hat sicher nicht so früh mit mir gerechnet. Sie konnte ja nicht wissen, dass Julia erst schlafen und dann mit den Kindern schwimmen wollte. Und eine Nachricht hatte ich Sandra auch nicht mehr zukommen lassen.

Augenblicklich habe ich die Bilder von dem knutschenden Paar im Kopf, was ich vom Spielplatz aus beobachtet hatte. Es war der gleiche junge Mann, der nun seine Zunge tief im Mund meiner Freundin und seine Hand auf ihren Titten hat. Also hatte ich doch recht mit meinen Vorwürfen. Sollte sie nicht sogar dreigleisig gefahren sein und ich mich nicht ganz täuschen, dann müsste das da Franjo sein, der seine Ex offensichtlich doch zurückgewonnen hat.

Natürlich versetzt es mir einen Stich, die beiden so zu sehen. Und natürlich bin ich traurig. Aber noch viel mehr bin ich enttäuscht und innerlich aufgebracht von der Schamlosigkeit und Niedertracht Sandras.

Es ist Zeit, die Situation aufzulösen. Leise drücke ich die Türklinke nach unten, schiebe mich so leise wie möglich in den Raum und räuspere mich laut. Erschrocken fahren die Köpfe auseinander und seine Hand schießt unter ihrem Shirt hervor. Steif drücken ihre langen Nippel durch den Stoff.

„Franjo nehme ich an? Sie können gleich weitermachen, dann dürfen Sie die Titten der jungen Dame weiter massieren.

Und du? Warum hast du mich so mies angelogen. Der Spielplatz, du erinnerst dich? Ich hatte also doch recht. Ich packe dann mal deine Sachen zusammen. Ich hab dir gesagt was passiert, wenn du mich verarscht.“

Sowohl Franjo als auch Sandra sitzen mit offenem Mund da und starren mich an, als hätten sie einen Geist gesehen.

„Es ist nicht so wie es aussieht.“, versucht Sandra sich aus der Situation zu retten. Franjo sagt nichts, er tut auch wirklich gut daran den Mund zu halten, wenn er keine Tracht Prügel kassieren will. Aber an ihm werde ich mir ganz bestimmt nicht die Hände schmutzig machen.

„Es ist nicht so wie es aussieht? Was bitte … hat er nicht gerade deine Möpse in der Hand gehabt? Hattest du nicht gerade deine Finger an seinem Schwanz? Was bitte schön, ist jetzt nicht gewesen, wie es ausgesehen hat?“

Ich kann meine Wut nur sehr schwer zurückhalten. „Dann sei wenigstens jetzt ehrlich.“, fahre ich sie scharf an.

„Ja, es stimmt, du hast Franjo und mich gesehen. Er hat sich so sehr um mich bemüht, da bin ich schwach geworden.“

„Hast du mit ihm geschlafen, seit wir zusammen waren?“

„Ja, zweimal.“, sagt sie mit gesengtem Kopf.

„Dann ist ja wohl alles gesagt. Du sollst wissen, ich war mir nie ganz sicher mit dir. Und jetzt bestätigt sich alles, was ich mir in meinen Grübeleien schon ausgemalt hatte. Sandra, ich bin mehr als enttäuscht von dir. Bitte hole deine Sachen in den nächsten Tagen bei mir ab. Es wird wohl das Beste sein, ich stelle alles auf den Hof, dann brauchst du mir dabei nicht mehr ins Gesicht sehen, wenn es dir lieber ist. Und du Franjo, kannst sie gern wiederhaben. Tut mir leid, dass ich den Gebrauchsgegenstand benutzt habe. Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft. Und jetzt sofort her mit meinem Hausschlüssel, aber dalli.“

„Der ist im Zimmer.“

„Ok, dann sofort und ungefragt, wenn du deinen Plunder abholst. Und das bitte so schnell wie möglich. Leb wohl.“

Mit einem letzten Blick in ihre noch immer roten Gesichter, lege ich die Blumen auf einen Tisch und gehe ohne mich nochmal umzudrehen aus dem Raum.

Im Auto sacke ich zusammen. Ich muss zugeben, die Trennung, so schmerzlich sie im Moment auch sein mag, tut gut. Es ist eine zenterschwere Last, die mir von den Schultern genommen wurde. Na ja, dass sie es mir so leicht machen würde, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich atme einmal scharf aus, um auch den letzten Druck von der Brust

loszuwerden.

Mein Handy vibriert. Sandra: „Es tut mir wirklich leid, das musst du mir glauben. Ich liebe dich wirklich, du bist ein ganz wunderbarer Mann. Aber Franjo war so lieb und er tat mir so leid. Bitte verzeih mir.“

Überflüssig, jedes Wort von ihr, ich antworte nicht. Sie hat es nicht verdient, so schäbig, wie sie mich hintergangen, fast ausgenutzt hat. So fühlt es sich gerade an. Mies. Anscheinend ist sie doch nicht so reif, wie ich dachte, sondern eher naiv und dumm. Nein, jedes weitere Wort wäre zu viel, aus meiner Sicht ist alles gesagt.

Irgendwie erleichtert, wähle ich die Nummer von Enzo, meiner Lieblingspizzeria. Ich habe Glück, die Mittagsschicht ist noch da: „Schüttler … ja genau, Timo … bitte einen Tisch für 4 Personen … heute Abend. So gegen halb 7? … Prima. Bis heute Abend dann.“ Zufrieden lehne ich mich einen Moment in meinen Autositz. Ich habe noch etwa eineinhalb Wochen Urlaub und die werde ich mich gut um Julia und die Kinder kümmern, das verspreche ich mir selbst.

Barfuß, nur in Badeshorts, schleiche ich mich auf die Terrasse und bleibe einen Moment, leicht versteckt hinter einer großen Blume, stehen. Julia ist mit den Kindern im Pool und Emma zeigt ihr stolz, was sie bei mir gelernt hat.

„Das weiß ich alles von Onkel Timo“, prustet sie nach Luft schnappend.

„So, so, von Onkel Timo weißt du das?“

„Ja, er hat mich unter dem Bauch gestützt und dann war es ganz leicht.“ 

Ich muss grinsen, denn meine Wahrnehmung zu ihrer Geschichte war dann doch ein klein wenig anders. Aber Spaß gemacht, hat es allemal.

Julia badet in T-Shirt und BH. Das dunkelblaue Dessous zeigt sich unter dem durchsichtig gewordenen Shirt. Was sie untenherum trägt, kann ich nur ahnen, denn Badekleidung haben wir für sie nicht mitgebracht.

Peter entdeckt mich als erster, krabbelt aus dem Wasser, läuft auf mich zu und springt mir in die Arme.„Na ihr Wasserraten, ist das nicht zu kalt im Wasser?“

„Nein, es ist herrlich.“, sagt Peter. Die Gänsehaut auf Emmas Armen spricht eine andere Sprache. Auch bei Julia sieht man es deutlich.

Erschrocken mich zu sehen, versucht sie ihre Blöße mit den Armen zu verstecken. Im Grunde unnötig, weil sie ja fast angezogen ist. Nur ganz fein, kaum sichtbar, schimmern die dunkleren Brustwarzen durch den Stoff. Nichts, wofür sie sich schämen müsste. Nur ihr Slip ist nahezu durchsichtig geworden und zeigt überdeutlich die Form ihres Venushügels und ihrer Schamlippen. „Oh mein Gott hast du mich erschreckt, was machst du denn schon hier?“ Mit ihrem Arm vor den Brüsten und der flachen Hand vor ihrer Scham steht sie mit verärgertem Blick vor mir. „Ich habe Schluss gemacht.“, zucke ich mit den Schultern.

„Was hast du gemacht?“, fragt sie mit aufgerissenen Augen.

„Schluss, mit Sandra, aus und vorbei. Und nun nimm doch mal den Arm da weg, ich guck dir schon nichts weg.“

„Da ist ja auch nichts zum Weggucken.“

„Das stimmt doch gar nicht. Ich weiß es besser, glaub mir.“, zwinkere ich ihr zu.

„Doofmann“, lächelt sie, geht aus dem Pool an mir vorbei und wickelt sich draußen in einen Bademantel. Den von Ulrike, den auch Sandra schon ungefragt angezogen hatte. Damit macht sie es sich auf einer Liege am Pool gemütlich und beobachtet uns beim Plantschen und Toben.

„Was ist passiert?“, fragt sie völlig unvermittelt. Die Kinder sind so laut, dass ich Schwierigkeiten habe, sie zu verstehen.

„Wie bitte?“

„Was passiert ist, möchtest du drüber reden?“, wiederholt sie.

„Viel ist da nicht zu sagen. Sie hat es vorgezogen, mich zu verarschen. Vor ein paar Tagen mit ihrem Ex und heute wieder im Krankenhaus.“

„Wie, verarschen?“

„Ich habe sie letztens mit ihrem Ex gesehen, knutschend. Natürlich hat sie alles abgestritten. Von wegen, ich war das nicht und sowas. Und heute habe ich sie erwischt, wie sie bei dem gleichen Macker auf’m Schoß sitzt, sich von ihm die Hupen massieren lässt und sie ihm schön die Kronjuwelen verwöhnt. Na ja, zur Krönung hat sie dann zugegeben, dass sie es doch war, die ich gesehen habe und dass sie in den letzten Tagen schon zweimal mit ihm … du weißt schon.“

„Wow, so ein durchtriebenes Stück. Hätte ich ihr nicht zugetraut, dass sie so schwanzgeil ist. Sorry, ist doch wahr.“

„Sie hat mal gesagt, das würde an den Hormonen liegen, dass sie ständig scharf ist.“

„Das ist doch Quatsch, ja, kann vielleicht sein, ein bisschen, aber so dolle? Niemals. Ich find’s schäbig von ihr. Da läuft es ein paar Tage nicht so mit ihrem Typen, sie heult sich bei dir aus, lässt sich von dir knallen und dann sowas.

Timo, alles ok mit dir, oder möchtest du reden?“

„Julia, das ist wirklich lieb von dir. Aber darüber muss ich nicht mehr reden. Ich hatte sowieso schon meine Zweifel, wie du weißt. Ich packe ihre Klamotten zusammen und stelle sie raus, dann ist die Affäre endgültig Geschichte.“

„Soll ich dir helfen, beim Packen mein ich?“

„Musst du nicht, so viel ist es nicht. Ruh dich aus und genieße die Sonne. Ach übrigens: Heute Abend habe ich uns einen Tisch beim Italiener bestellt. Du magst doch italienisch?“

„Lecker, da war ich ja ewig nicht. Aber ich hab doch kein Geld.“, sagt sie traurig.

„Ich weiß das doch. Ihr seid eingeladen, zur Feier des Tages.“ 

„Was feiern wir denn?“

„Es ist deine Willkommensparty und der Abschied von Sandra. Kann ich dich ne Weile mit den Kids allein lassen?“

Sie nickt. Das ist mein Startschuss, um die Polizistin aus meinen Räumen zu verbannen. Fast zwei Stunden und eine Flasche Wasser später, stehe ich wieder völlig nassgeschwitzt am Pool.

Ich ertappe Julia dabei, wie sie meinen Körper scannt. Ich kann nicht erkennen, bei welcher Körperstelle ihr Blick ins Stocken gerät, aber auf jeden Fall wandern ihre Augen über jede einzelne meiner Poren. Mit einem Hechtsprung ins kühle Nass entziehe ich mich ihrem Blick, der mich aber spürbar verfolgt.

Ich übe mit Emma schwimmen, während Peter seine Fähigkeiten im Tauchen verbessern möchte. Die Zeit vergeht wie im Flug und es wird bald Zeit, sich zum Ausgehen fertig zu machen.

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Der Wecker projiziert dicke rote Zahlen an die Decke. Bei mir im Schlafzimmer wabert noch ein Rest der Wärme des Tages. Ich kann nicht schlafen, obwohl meine Augenlider den Drang zum Zufallen haben.

Kein Wunder, schließlich ist es schon 23.12Uhr und der Tag war eine echte Herausforderung an meine Kondition.

Die letzte Nacht war viel zu kurz, wegen der Aufregung um Julia. Dann die Szene mit Sandra, das anschließende Zusammensuchen und Packen ihrer Klamotten mit der elendigen Schlepperei der Kartons …

Ich müsste eigentlich völlig fertig und ausgelaugt sein. Aber ich bin aufgedreht wie ein Aufziehhund. Immer wieder sehe ich Julia vor mir. Ihre Freude, als sie die Girlande gesehen hat, nass im Pool mit dem durchsichtigen Shirt, das ihren schlanken Körper in aufregender Weise verhüllte, einfach wunderschön.

Unser Abendessen, wie locker, offen und aufgeschlossen sie war. Wir haben Pläne für die nächsten Tage geschmiedet, wollen einkaufen, spazieren gehen, Badesachen aus ihrer Wohnung holen. Und ja, sie hat mir verraten, wie peinlich ihr

die Szene im Pool war.

Es half auch nichts, dass ich ihr versicherte, wie wenig es mich gestört hatte, im Gegenteil, dass mir sehr gefallen hat, was ich sehen durfte. Auch mein Argument, dass ich beruflich doch sehr häufig mit nackten Menschen zu tun habe, machte die Sache nicht besser.

Ich wundere mich sowieso, dass sie sich nach der kurzen Zeit unseres Kennenlernens schon traut, mich in den Arm zu nehmen oder mich zu küssen. Soll mir nur recht sein, ich hab nichts dagegen. Ich werde ihr alle Zeit der Welt lassen, sich an mich zu gewöhnen. Sie hat mir ja schon verraten wie schön sie es findet, Nähe zuzulassen. Und ich weiß auch, dass sie in den letzten Jahren viel zu wenig davon bekommen hat. Ich jedenfalls werde sie so gut ich kann unterstützen.

Weint da jemand? Bestimmt ist es Emma, die ihre Schmusedecke nicht finden kann oder schlecht geträumt hat. Nein, dass Weinen kommt von links und da ist nur noch das Gästezimmer von Julia. Julia, von der Peter mir schon gesagt hat, dass er sie öfter weinen hört. Immer nachts und immer dann, wenn die Kinder eigentlich schlafen müssten.

Soll ich sie weinen lassen und sie mit ihren Problemen allein lassen, so, wie sie es schon lange kennt? Oder soll ich zu ihr gehen, sie trösten, ihr sagen, dass alles gut wird? Dazu müsste ich wissen, warum sie weint, wo genau ihre Probleme sind.

Die Blase drückt, zufällig, ich schwöre. Eine gute Gelegenheit mich leise am Zimmer von Julia vorbei zu schleichen und zu lauschen. Vielleicht beruhigt sie sich ja auch schnell wieder.

Aber nein, sie weint noch immer leise vor sich hin. Wie es sich anhört, dämpft sie das Schluchzen mit ihrem Arm oder einem Kissen.

Vorsichtig klopfe ich an, leise, kaum hörbar. Dennoch hört das Weinen auf. „Ja bitte?“, antwortet sie leise.

Leise gehe ich zu ihr. Im schwachen Licht des Mondes, dass dünn durch die schweren Vorhänge scheint, sehe ich ihr verweintes Gesicht. „Alles ok, geht es dir nicht gut?“

„Doch, alles ok. Es ist nichts.“

„Warst du es nicht, die mich übers Knie legen wollte, weil ich gesagt habe, dass nichts ist?“

Ein kaum zu definierbarer Laut aus lachen, weinen und schluchzen, entfährt ihr. „Ja, du hast recht.“, weint sie.

„Darf ich mich zu dir legen? Ohne Hintergedanken, kein Bedrängen. Einfach nur zum Trösten in den Arm nehmen?“

„Kannst du das denn, ohne mir an die Wäsche zu gehen?“

„Ja Julia, das kann ich.“

„Aber ich trau mich nicht, weil du der …“

„… der erste Mann nach dem Tod deines Mannes bin, ich weiß. Du brauchst keine Angst haben, dir passiert nichts, versprochen.“

Sie rückt ein klein wenig zur Seite und macht mir Platz. Ich lege mich auf die Seite, meine Front zu ihr und wische ihr mit dem Finger die Tränen aus den Augen. Dann öffne ich meine Arme. Nur zögerlich schiebt sie sich an mich. Gerade dicht genug, dass ich meine Arme um ihre Schultern legen kann. Aber nicht zu dicht, als dass ich ihren Körper spüren dürfte.

Sie beruhigt sich tatsächlich langsam und ihr Atem wird gleichmäßiger. Auch der Abstand unserer Körper wird kleiner, bis sie es schafft, sich ganz an mich zu drücken. Sie gibt im Halbschlaf ihre Deckung auf, legt ihren Arm um mich und ihren Kopf dicht zu mir.

Mein Körper zeigt keinerlei sexuelle Reaktion, was auch gut ist, um den kleinen Vertrauensvorsprung von ihr nicht gleich wieder mit Füßen zu treten. So dauert es nicht mehr lange, bis sie tief schläft. Allerdings weiß ich jetzt immer noch nicht, warum sie geweint hat.

Es ist schwer eine Nacht zu beschreiben, in der man dicht neben einer Frau liegt, die man sehr gern hat und die gerade in wilden Träumen gefangen zu sein scheint. Oft fallen mir die Augen zu und ich schlummere vor mich hin. Aber sobald auch nur der kleine Finger von ihr zuckt, bin ich hellwach. Und glaubt mir, irgendein Körperteil von ihr zuckt ständig. Also ist an Schlaf nicht zu denken.

Aber etwas hat sich im Laufe der letzten Minuten und Stunden grundlegend verändert. Und zwar die Schlafstellung von Julia und mir.

Ich liege auf dem Rücken, meine rechte Hand unter meinem Kopf vergraben, mit Blick auf die nachtschwarze Zimmerdecke. Sie liegt jetzt ganz dicht bei mir, fest in meinen Arm eingekuschelt, ihre Schulter in meine Achsel geschoben und ihrem Kopf auf meiner Brust. Ihre Beine hat sie angewinkelt, so dass ihre untere Körperhälfte doch einigermaßen weit weg liegt. Das Beste an dieser Position ist, dass wir uns jetzt gegenseitig im Arm haben.

Die aktuelle Szene erinnert mich an Sandra, mit der ich auch schon einige Male im Bett gelegen habe und die ich auch schon vielfach im Arm hatte. Vom Typ her hatte ich die Frauen schon öfter miteinander verglichen. Und bei jedem Mal hat Julia gewonnen. Zusammengefasst könnte man sagen, Sandra ist eine ganz wilde, eben junge Biene, offen, hemmungslos und ohne Tabu’s. Julia hingegen ist sanftmütig, ruhig, zurückgenommen und scheint viel sinnlicher und feinfühliger zu sein, was Sandra ein wenig abgeht.

Beide Frauen sind hellblond, langhaarig und sehr schlank. Darin sind sich beide sehr ähnlich. Nur Sandra hat vom Sport und ihres jungen Alters geschuldet, den festeren Körper.

Julias Körper zu beschreiben, ist nicht so einfach. Würde ich sagen, sie ist ‚weicher‘, dann wäre das absolut falsch.

Und doch ist es so. Sie ist eben mehr ‚Frau‘ in meinen Augen. Nicht ganz so knochig wie Sandra. Julia gewinnt auch diesen Vergleich mit großem Abstand.

Ich kann nicht anders, ich muss dieses feine Gesicht einfach küssen und diese Frau, die mir auf so wundersame Weise

in die Hände gefallen ist, noch ein bisschen fester an mich ziehen. Julia lächelt im Schlaf und fasst sich im Schlaf auf die Stelle, wo meine Lippen einen kurzen Augenblick lagen und schiebt ihr Bein über meinen Oberschenkel.

Ob sie im Unterbewusstsein wahrnimmt, wie eng sie bei mir liegt und wie sehr ich sie in meinem Arm habe?

Die Minuten ziehen mühsam durch die Nacht. Irgendwann muss ich doch in einen leichten Schlaf gefallen sein, denn ein tiefes Schluchzen von Julia lässt mich aufschrecken, aber sie schläft tief und fest.

Langsam, sehr langsam und super vorsichtig, schiebe ich ihren Arm von meinem Brustkorb und ihr Bein von meinem Oberschenkel. Nur keine hastigen Bewegungen. Ich möchte, dass sie weiterschläft, bis sie ganz von allein wach wird.

Nachdem ich sicher bin, dass ich sie nicht geweckt habe, schleiche ich mich in mein eigenes Bett zurück.

Es ist kurz vor 5 Uhr morgens, vielleicht gelingt es mir doch noch ein paar Stunden zu schlafen.

  1. Emma ist die Erste, die mit ihrer Puppe Nicole in mein Bett krabbelt. Die Nacht war alles andere als erholsam. Ich fühle mich wie gerädert, müde und schlapp. Es ist wie eine süße Folter, dass mich das kleine Mädchen wach hält: „Schläft Omi noch?“ Ich bin noch zu verschlafen, als dass ich begreife, dass der kleine Engel erst zu mir gekommen ist, bevor sie ihre Oma belagert hat. Und dann dauert es auch nicht mehr lange, bis auch Peter unter die warme Decke schlüpft.

„Es ist schön, euch beide bei mir zu haben. Ich hab euch lieb. Wollen wir die Omi ausschlafen lassen?“ Natürlich wollten sie, was für eine Frage.Wie eine kleine Familie stehen wir in der Küche und bereiten das Frühstück vor. Die Kinder möchten es Julia besonders schön machen und pflücken ein paar kleine, niedliche Gänseblümchen vom Rasen. Der Raum duftet nach gebratenem Speck, Rührei und würzigem Tee.

Es ist knapp halb 10, als die Tür aufgeht und Julia mit zerzausten Haaren, in ihrem halb durchsichtigen Nachthemd reinkommt. Entweder, sie ist noch zu müde und hat es nicht gemerkt, oder es ist ihr heute egal, dass man ihre Unterwäsche leicht durchschimmern sieht. Ein dunkler BH und ein, im Vergleich zu Sandras Höschen, etwas altbackener Schlüpfer. Täusche ich mich, oder sind da sogar kleine rosafarbene Blümchen drauf? Selbst für ihr Alter nicht unbedingt typisch.

Nachdem sie Emma und Peter sehr lieb begrüßt hat, steht sie vor mir, mit gesenktem Kopf und nervösem Fingerspielen.

„Bitte verzeih mir“, sagt sie schüchtern, „und danke, dass du mich getröstet hast.“

Ich mache diesen einen letzten Schritt auf sie zu und ziehe sie wortlos in meine Arme: „Das hab ich sehr gern gemacht Julia und würde ich jederzeit wieder machen.“

Sie lässt die Umarmung nur ungern zu und drückt mich wieder von sich: „Aber Timo, es ist so anders … so … ach ich weiß ja auch nicht, was mit mir los ist. Es tut mir leid.“ 

„Julia, lass uns doch erst mal frühstücken, dann sieht die Welt gleich ganz anders aus. Dann fahren wir in deine Wohnung, holen noch mehr von deiner Wäsche und dann sehen wir weiter ok? Und wenn du magst, reden wir heute Abend über alles, wenn die Zwerge im Bett sind. Na wie wär das?“

„Das klingt ganz wunderbar.“

Mit einem zarten Kuss auf die Wange und einem „du verwirrst mich“ löst sie sich von mir. Ich sehe eine Träne in ihrem Auge. Einen Grund dafür, kann ich nicht erkennen. Irgendetwas muss sie emotional sehr mitnehmen.

Sie ist während des Frühstücks auffallend still, auch den Kindern gegenüber. Allerdings entgeht mir nicht, dass sie mich

oft von der Seite aus den Augenwinkeln ansieht. Sie versucht, nicht den Kopf dabei zu drehen und doch sehe ich die feinen Bewegungen. Auch ihr Appetit scheint nicht der größte zu sein.

Es ist unser erster gemeinsamer Tag, nach ihrer ersten Nacht in meinem Haus. Gestern war sie noch so fröhlich und gut drauf. Aber heute ist sie ganz anders, verschlossener, still und introvertiert.

Das ändert sich auch den ganzen Tag nicht. Wie ferngesteuert geht sie neben mir, spielt mit den Kindern oder tobt mit ihnen im Pool, nachdem wir gefrühstückt und noch einiges an Kleidung aus Julias Wohnung geholt hatten.

Ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass sie versucht, mir heute aus dem Wege zu gehen, obwohl sie die Kinder nichts davon spüren lässt.

Offensichtlich nagt etwas an ihr, vielleicht die Nacht in meinen Armen, die ihr im Nachhinein doch mehr als nur peinlich ist, oder fühlt sie sich vielleicht nicht mehr wohl bei mir, möchte sie lieber wieder in ihre Wohnung zurück?

Ich beschließe, sie in Ruhe zu lassen und mache es mir mit meinem Fitzek auf einer Liege gemütlich. Wenn das in meinem Urlaub so weitergeht, werde ich mit dem Taschenbuch nie fertig. Auch jetzt kann ich mich kaum auf das konzentrieren, was in verdammt kleinen Buchstaben gedruckt ist. Ich kann einfach nicht anders und beobachte die kleine Familie über den Rand des Buches hinweg.

Mir gefällt was ich sehe. Die Art, wie sie mit den Kindern umgeht, wie stark sie ist. Dass sie noch vor ein paar Tagen an einer Beatmungsmaschine gehangen hat, davon ist nichts mehr zu spüren. Sie ist in vielen Dingen meiner Exfrau sehr ähnlich. Schon deshalb entspricht sie meinem Beuteschema. Das klingt jetzt etwas herablassend, aber es ist so.

Nur, dass Julia viel erwachsener als Ulrike ist. Und besser aussehen tut mein Julchen auch noch.

Ich will sie. Nicht wie eine Beute oder Trophäe. Nein, ich will sie als eine Freundin. Als MEINE Freundin um genau zu sein. Das wird mir mit jeder Szene, die sich vor meinen Augen abspielt, klarer.

Julia braucht mich, wie ich sie brauche. Nur jeder auf seine eigene Weise. Sie mich, weil sie noch schwach und

gesundheitlich nicht auf der Höhe ist.

Ich sie, weil sie mein Leben in einer Weise bereichert, die ich jetzt noch nicht beschreiben kann. Ich weiß nur, dass sie mein Haus, zusammen mit den Kindern komplett macht.

Ich weiß, dass es ihr Gesicht ist, in dass ich sehen möchte, wenn ich von der Arbeit komme. Und dass es ihr Körper ist, den ich liebkosen und verwöhnen möchte, den ich gern streicheln und mit dem ich schmusen möchte. Es ist ihr Körper, den ich erobern und mit dem ich höchste Freuden der Lust erleben möchte. Ich möchte sie nicht mehr missen.

Sie plantscht mit den Kindern im Pool herum. Einen Bikini hat sie nicht, das hat sie mir schon in ihrer Wohnung verraten. Aber der Badeanzug, den sie jetzt trägt, passt ihr wie angegossen. Schlanke Beine mit muskulösen Oberschenkeln, flacher Bauch mit vorstehenden Beckenknochen, ausgeprägtes Schambein, schmale Schultern, mittelgroße Brüste vom Typ „ich bin eine Mutter“, dünne Arme mit ausgeprägten Bizeps. Sie muss die Kinder oft und lange getragen haben. Aber das Schönste an ihr, ist das von hellblonden, langen Haaren umrahmte Engelsgesicht.

Es gelingt mir nicht, den Blick von ihr abzuwenden. Das Buch in meinen Händen mutiert zur absoluten Nebensache. Es könnte die spannendste aller jemals geschriebenen Geschichten enthalten, es würde mich nicht interessieren.

Es ist, als würde mich der Blitz treffen, der berühmte Pfeil Amors mein Herz durchbohren. Ich habe mich in diese Frau verliebt. Schon längst, aber wirklich klar wird es mir erst in diesem Augenblick.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen: Erst hat er ewige Zeiten gar keine Frau, dann stürzt er sich überhastet in eine Liebesaffäre mit einer 25-jährigen und nur, weil die nun weg ist, nimmt er sich die nächst Beste. Aber so ist das nicht. Vom ersten Moment an ging sie mir nicht aus dem Kopf. Wie oft war sie in Konkurrenz zu Sandra getreten und sogar mit Ulrike habe ich sie schon verglichen.

Ich zwinge mich, doch noch ein paar Zeilen zu lesen. Ich lese sie, verstehe aber nicht, was dort steht. Würde mich jetzt jemand nach der Handlung in dem Buch fragen, ich könnte es nicht sagen.

„Lust auf Grillen?“, frage ich laut in Richtung Pool. „Jaaaaa“ höre ich das langgezogene Jubeln der Kinder, unbeteiligtes Schulterzucken dagegen von Julia.

Ich gehe rein und ziehe mir was über. Es ist ein guter Moment, den Kopf auf andere Gedanken zu bringen, leider mit mittelmäßigem Erfolg.

Peter zieht schon den Grill aus der Ecke, als ich wieder raus komme. Emma hockt auf dem Rasen und spielt mit ihrer Puppe. Und Julia? Die geht mit einem kleinen ‚Meidebogen‘ an mir vorbei und murmelt etwas vor sich hin, was sich wie „… ich mach Salat“ anhört.

„Julia, was ist los? Wieso bist du so...“

„Nicht jetzt Timo, nicht jetzt.“, fährt sie mir über den Mund.

Peter geht in seiner Rolle als Grillmeister voll auf. Er ist stolz darauf seiner Großmutter zu beweisen, was er schon alles gelernt hat. Mit den Argusaugen einer besorgten Mutter, wird er von ihr dabei nicht aus den Augen gelassen.

Angespannt, jederzeit bereit einzugreifen, lässt sie ihn machen, auch wenn ihr Blick deutlich zeigt, dass sie damit nicht glücklich ist. Wie ein Tiger auf dem Sprung liegt sie da. Anmutig und schön, aber zu keiner Zeit unaufmerksam.

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