Tina greift durch

Episode 4 aus: Die Mädchen von Schloss Ruteberg

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Tina greift durch

Tina greift durch

Andreas

Hannes scharrte nachdenklich mit dem Fuß auf der Wiese. Er kannte Erwins Vater, einen steinreichen Verleger aus Hamburg. Der Alte machte seinen Filius regelmäßig zur Minna, wenn er ihn überhaupt mal besuchte. Hannes sah auch, dass Erwin mit den Tränen kämpfte. Er fand das nicht schlimm. Seit er mit Erwin im Kino war, durften auch Männer Gefühle zeigen. Ja, sie waren in Rebel without a Cause mit James Dean und Nathalie Wood in den Hauptrollen. Denn sie wissen nicht was sie tun, lautete der deutsche Titel. Die Jungs fanden diese Übersetzung bescheuert, da sie erstens fehlerhaft und zweitens überhaupt nicht dem Inhalt des Films entsprach. James Dean wusste genau, was er tat!

Hannes Vater war wie der Dad von Jim in dem Streifen: schwach, antriebslos. Seine dominante Mutter hatte das Sagen, nörgelte den ganzen Tag an ihrem ältesten Sohn herum. Hannes war froh, ihr entkommen zu sein. Lieber ging er auf dieses Internat, auch wenn die Lehrer stockkonservativ waren. Er legte seinen Arm um Erwin, klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Hannes machte ihm Mut: „Schreib Tina einen Brief, indem du ihr alles erklärst. Sag ihr, dass du sie gern hast. Dass du alles tun willst, um die Sache zu begraben. Ich glaube, dass sie dich auch mag. Aber jetzt ist sie voller Hass auf dich, das ist klar. Charlotte hat mir gesagt, dass Tinchen sechs dicke Striemen auf dem Hintern herumträgt. Mensch Erwin, sechs üble Striemen auf so einem feinen Mädchenpopo! Ist ja klar, dass die nicht begeistert ist. Lass dir was einfallen. Schreib ihr gleich den Brief. Je eher desto besser…“

Erwin versprach seinem besten Freund, er wolle diese Scharte so schnell wie nur möglich wieder auswetzen. Er setzte sich an den Schreibtisch, der in ihrem gemeinsamen Zimmer stand, schrieb sich sein Leid von der Seele. Erwin dachte an Tina, die ihm mehr bedeutete, als er sich anfangs eingestand. Es ging ihm um mehr, als diesem burschikosen Mädchen wieder die jungfräulichen Lippen liebkosen zu können. Hinter Tinas selbstbewusster Attitüde verbarg sich ein sehr sensibles, gefühlvolles Wesen. Es war bei ihm so ähnlich. Erwin gab sich gern als Halbstarken aus, den nichts schrecken konnte. Dabei war er in Wahrheit sehr verletzlich, litt schrecklich unter dem Tod seiner Mutter. Er hatte sie im Alter von 10 Jahren verloren. Sein Dad hatte zwar nicht mehr geheiratet, aber kaum Zeit für seinen jüngsten Sohn. Erwin fühlte sich abgeschoben von ihm. Seit seine Mama gestorben war, sehnte er sich nach einem Mädchen, das ihr ähnlich war. In Tina meinte er, so jemanden gefunden zu haben. Erwin schrieb ihr einen ehrlichen Brief, der ihm schwer fiel.

„Liebe Tina! Ich habe einen schlimmen Fehler begangen, als ich dich und Charlotte ans Messer geliefert hab. Es tut mir so leid! Mein Alter ist schuld, weil er mir immer mit einem anderen Internat droht. Der Direx sagte, dass er ihm alles erzählt, wenn ich nicht mit der Wahrheit rausrücke. Da hab ich ihm erzählt, dass wir auf Ruteberg waren. Na ja, auch dass Hannes und ich mit dir und Charlie auf den Heuboden gestiegen sind. Mehr aber nicht, ehrlich! Okay, dass wir uns geküsst haben, das wissen unsere Direktoren auch. Tinchen, es tut mir so leid, dass du es mit dem Rohrstock gekriegt hast. Bei mir ist das schnuppe, das juckt mich nicht. Aber dass die Streich dir deinen schönen Popo verhauen hat, das hätte nie passieren dürfen. Ich bin daran schuld. Auch dass sie Charlotte übers Knie gelegt hat, geht auf meine Kappe. Sag mir, was ich tun soll, dass du mir verzeihen kannst.

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