Tod eines Raumpiloten

Die gute alte Zukunft

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Tod eines Raumpiloten

Tod eines Raumpiloten

Svenja Ansbach

Der Aufschlag war hart. Das SX-5B, Beiboot der Zirkonit-Klasse, nach der Explosion des Mutterschiffs in der Milchstraße von fünf Überlebenden als Rettungskapsel benutzt, sprang bei der Notlandung über die Dünen des großen Sandmeeres wie ein flacher Stein den man über die Wasseroberfläche titschte. Beim fünften Aufschlag kam das demolierte Gerät endlich zum Halten. Arkad-V riss sich den Helm vom Kopf und öffnete die Notluke in der Kommandozentrale. Für seinen Geschmack etwas zu heiße, aber immerhin für ihn gut atembare Atmosphäre drang in das Schiff ein. Rettung in letzter Minute, denn lange hätten die Notsauerstoffvorräte in seinem Rückentank nicht mehr gereicht. Er schaute sich um. Die anderen vier Galaxonauten hingen leblos in ihren Sitzen. Es war zu befürchten, dass sie alle tot waren. Sie hatten schon länger nicht mehr auf seine Ansprache über das Interkom reagiert. Tulip-III war der letzte gewesen, der noch ansprechbar gewesen war bevor ihm seine Sauerstoffvorräte ausgingen. Nachdem die zentrale Sauerstoffversorgung ausgefallen war, blieben nur noch die persönlichen Vorräte eines jeden. Sie hatten gewusst, dass es knapp werden würde den nächsten Planeten mit atembarer Luft zu erreichen und dann war einem nach dem anderen die Luft ausgegangen und alle verstummt.
Arkad-V schlüpfte aus seinem Raumanzug für den es hier viel zu warm war. Der leichte graue Overall musste reichen. Er sprach einen kurzen Text fürs Logbuch: „Sternzeit 70,324 k nach Erodur. Notlandung auf einem wasserhaltigen Planeten. Die Galaxonauten Tulip-III, Asmar, Rojahne-B und Figab-il-Septa sind erstickt. Einziger Überlebender: Navigator Arkad-V. Erkunde die Umwelt.“ Dann bootete er aus.
Ihm war klar, dass er dringend Schatten und Wasser brauchte. Ein Blick auf sein Fluggerät zeigte ihm, das es nirgends mehr hinfliegen würde, denn ein Seitenleitwerk war völlig demoliert und außerdem hatte er keinen Sauerstoff mehr. Er schaute in die Runde. Wohin sollte er gehen? Im Landeanflug waren sie über ein riesiges Meer geflogen dessen Wasser laut Bordcomputer für ihn ungenießbar war, dahin brauchte er also nicht zu gehen. Ach ja der Bordcomputer. Viel hatte er nicht ausgespuckt über den Planeten. Vor langer langer Zeit, vor etwa 300.000 Astranuten, war Fantos der XVI. – genannt „der Entdecker“ - hier gewesen und hatte Wasser und Atmosphäre des Planeten untersucht. Er war grausend wieder abgereist und hatte den Planeten als unwirtlichen Ort mit feuerspuckenden Bergen bezeichnet auf dem riesige Kreaturen mit extrem langen Hälsen und Schwänzen sowie Stachelplatten auf dem Rücken die Herrschaft hätten.
Vor Akard-V schien sich in einiger Entfernung ein lang gestreckter Höhenzug aus dem Sand zu erheben. In der flirrenden Hitze und den Luftspiegelungen über dem Sand nur undeutlich zu erkennen. Er beschloss dort Schutz und Schatten zu suchen und kämpfte sich dafür durch den Sand. Der Weg wurde zur Tortur, denn der Sand war viel zu heiß. Seine leichten Stiefel aus der Haut der astralutusinischen Riesenschlangen waren dafür nicht gemacht. Außerdem gab der Sand bei jedem Schritt nach, sodass er jedes Mal tief einsank und ungefähr alle 100 Parsecs musste er hochaufragende Dünen überwinden, was eine enorme Kraxelei war. Endlich kam er an dem Höhenzug an. Es stellte sich heraus, das glatte Steilwände gen Himmel ragten. Die würde er nicht überwinden können. Er lief links an der Wand entlang um einen Einstieg zu finden, denn er musste aus der Sonne. Endlich fand er einen flacheren Bereich der aussah als ob die Erosion ein merkwürdiges Formenspiel geschaffen hätte. Er fand eine Klamm zwischen zwei seltsam elastisch wirkenden Gesteinen und arbeitete sich darin nach oben. Endlich stand er oben auf einem Grat oder Bergrücken. Er schaute rechts hinunter und sah seine Spuren im Sand auf dem Weg auf dem er gekommen war. Es ging dahin bestimmt 200 Parsecs steil bergab.

Links von ihm schien ein Tal zu sein, denn danach kam schon die nächste Anhöhe und danach so wie es aussah noch mindestens zwei weitere Täler. In diese Richtung sollte er sich auf keinen Fall wenden. Natürlich schien es ihm schlauer die Höhe zu halten und so marschierte er los. Die Hochfläche auf der er sich bewegte war äußerst karg. Sie wirkte recht glatt, die ständigen Winde würden sie glattgeschliffen haben. Solche erodierten Flächen hatte er auch auf Astralatus-9, seinem Heimatplaneten, kennengelernt. An vielen Stellen ragten nur windgebeugte dürre Pflanzen von sehr schlichter Form aus dem Boden, die etwa genauso groß waren wie er und braun und verdorrt wirkten. Nur einmal sah er linker Hand in einiger Entfernung eine buschige Zone. Hier waren diese Pflanzen dicht beieinander zu so etwas wie einem kleinen Wäldchen zusammengewachsen.
Aber er hielt lieber auf die Bergregion vor ihm zu, denn vielleicht gab es dort einen Bach oder eine Quelle. Als er näherkam und sich ein klares Bild ergab, wunderte er sich über die Ebenmäßigkeit der beiden Erhebungen und er bestaunte ihre Kargheit, denn hier wuchsen nicht mal diese eintönigen Stängel-Pflanzen, an denen er bisher vorbeigekommen war. Auf den Gipfeln standen, soweit er das von hier aussehen konnte, jeweils ein Gebäude. Sie ähnelten Sternwarten so wie er sie von Astralatus-6b kannte. Die teuren astronomischen Geräte waren zu ihrem Schutz unter ähnlichen kuppelförmigen Hüllen versteckt. Betrieben die von ‚Fantos dem Entdecker‘ beschriebenen schrecklichen Lebewesen diese Einrichtungen? Oder gab es weitere Bewohner auf dem Planeten?
Am Fuße der Hügel war kein Wasser zu finden, das wurde im schnell klar. Da würde er sich den mühevollen Aufstieg sparen können. Arkad-V erinnerte sich an den Hygrometer an seinem Gürtel. Mit ihm würde er Feuchtigkeit aufspüren können. Er schaltete das Gerät ein, das mit einem leisen Summen und ein paar blinkenden Kontrollleuchten seine Tätigkeit aufnahm. Er hielt es mit dem ausgestreckten Arm von sich weg und drehte sich langsam im Kreis. Ausgerechnet in der Richtung aus der er gekommen war schlug das Gerät müde an. Das verhaltene „biep biep“ des Apparates signalisierte ihm geringe Feuchtigkeitsvorräte voraus. Na ja, besser als nichts.
Erneut machte er sich auf den Marsch. Aus dem Gebirge stieg plötzlich ein vernehmliches Grummeln auf. Er konnte nur hoffen, dass das Massiv tektonisch stabil war! Irgendwann stieß er auf einen großen Krater. Wenn es hier mal vulkanische Aktivität gegeben hatte, war diese längst erloschen. Von dem Loch, das sich vor ihm ausbreitete ging keine Gefahr aus. Aber er musste es mühevoll umgehen. Dann erreichte er den Rand des buschigen Geländes. Das technische Gerät schlug nun deutlicher an, er war auf dem richtigen Weg!

So schlug sich Arkad-V durch das Unterholz und musste ständig Ausschau halten nach dem günstigsten Weg durch diesen Pflanzenwald. Plötzlich stand er vor einer neuen Klamm. Wenn er seinem Gerät glauben durfte, musste er hinuntersteigen um zum Wasser zu gelangen, und so begann er zwischen zwei massiven Wänden, die zu allem Überfluss auch noch etwas feucht und glitschig waren, den Abstieg. Das Hinabklettern gelang nur in dem er sich links und rechts mit den Händen und Füßen abspreizte. Gut, dass er in seiner Jugend auf Astralatus-9 dem Sport des Freeclimbing nachgegangen war. Er ging sorgfältig und bedächtig vor, denn er hatte keine Lust 150 – 200 Parsecs tief hinabzustürzen, was sein Ende bedeuten würde. Er hatte den Weg nach unten etwa halb zurückgelegt, als die Hölle losbrach. Es ging alles so schnell!

Plötzlich war der Himmel über ihm verdunkelt, als ob dort ein riesiger Raumer schweben würde und bevor er sich das überhaupt anschauen konnte, schoss von vorne ein dickes rundes Objekt, etwas größer als die Hyperloop-Expresszüge auf Tantalus-VIIb, auf ihn zu und rammte ihn. Er wurde in eine Höhle hinter der Klamm geschleudert. Das würde sicher ein paar Prellungen geben, aber ernsthaft verletzt war er nicht. Hektisch versuchte er noch tiefer in die schützende Höhle zu gelangen, denn er hatte fast den Eindruck, dass dieses Gerät lebendig wäre und ihn suchen würde. Es erinnerte ihn an die Sandwürmer auf Dune. Er hatte darüber mal eine Dokumentation im Visiografen gesehen. Überhaupt zitterte jetzt das ganze Gebirge!
Arkad-V verkroch sich in einer Ecke und schaute grausend dem rasenden Ungetüm zu, das ungestüm in der Höhle hin und her fuhr als ob es etwas suchen würde. Anscheinend löste er dabei ein tektonisches Beben aus, denn es kam zu Wassereinbrüchen aus zahlreichen Poren der Höhlenwände. Draußen schien es zu einem Tumult zu kommen, denn er hörte Stimmen in einer Sprache die er nicht verstand sowie spitze Schreie, Stöhnen … wurde gekämpft?

Arkad verkroch sich noch tiefer in der Höhle, in dem Moment als das Monstrum sich einen Moment zurückgezogen hatte.
Und das war sein letzter Fehler, denn bald darauf kam das Ding zurück und quetschte ihn an die Höhlenwand. Das alleine wäre nicht tödlich gewesen, er hätte sich wohl nur ein paar Rippen gebrochen, aber dann umhüllt ihn das Ding mit einer gigantischen Menge zähflüssigen weißen Schleimes. Schwallartig verließ mehr und mehr von dem glibbrigen Zeug einen kleinen Spalt in der Front dieser Maschine - oder des Wurms oder was das war - und umhüllte ihn damit komplett. Arkad-V hatte keine Chance … er ertrank.

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„Du Katrin, schau mal.“
„Ja, gleich, wenn ich angezogen bin.“
Katrin wischte sich mit einem Tempo die Möse ab und warf das vollgesaute Papier achtlos in den Sand. Dann zog sie sich den Slip an und streifte sich ein Shirt über. Ein wunderbarer Tag an ihrem Lieblingsplatz, einem sehr abgelegenen Strandabschnitt wo fast nie jemand vorbeikam, ging zu Ende.

„Was ist denn?“
„Schau mal was ich gefunden habe! Ein Raumschiffmodell. Total irre. So klein und so detailliert gearbeitet, leider am Leitwerk schon was abgebrochen. Fantastisch … der Modelbauer hat es echt drauf. Schau mal die künstlichen Alterungsspuren. Als ob es schon mal bei großer Hitze in die Erdatmosphäre eingetreten wäre. Und schwer ist das, wirkt gar nicht wie Plastik! Und schau mal, im Cockpit sogar, eine, zwei ... vier Figürchen ... Merkwürdig … die sehen so ähnlich aus wie dieses Tierchen, das mir da am Pimmel klebte.“
„Nun krieg dich mal wieder ein, du großes Kind.“
„Ich ein Kind? Habe ich dir nicht gerade das Gegenteil bewiesen?“

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Das meine Freunde war die kurze und traurige Geschichte über das Ende von Arkad-V. Er starb im Alter von 597 Astranuten während des Versuches eines Menschen Leben zu zeugen. Konnten Leben und Tod näher beieinander liegen? Drei Witwen und sieben Kinder würden auf Tantalus-NG4 um ihn trauern.

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