Über der alten Kate

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Über der alten Kate

Über der alten Kate

Anita Isiris

Meine Güte, wie ich diese Chrissie beneide, meine Güte! Seit vielen Jahren bin ich in diesem Loch als Magd angestellt. Nichts als waschen, bügeln, Pferde striegeln. Das Striegeln mache ich noch am liebsten. Ja, sie haben schon oft versucht, mich zu begrapschen, Jonathan der Knecht und Junker Elfrik – ohne Erfolg allerdings. Ich bin ihnen zu schnell. Gott sei Dank funktioniert mein Türschloss ausgezeichnet. Dahinter fühle ich mich sicher. Am sichersten bin ich in meinem Bett. Es befindet sich auf dem Dachstock über der alten Kate, in der die Geldeintreiberfamilie lebt. Wenn ich doch bloss des Schreibens mächtig wäre! Wie gerne würde ich mein Leben gegen aussen tragen, die Leute spüren lassen, wie es einer einfachen Magd wie mir ergehen kann. Chrissie arbeitet seit einer Woche in der Küche. Blond ist sie, das kleine Ding, blond, schlank und sehr gewitzt. Der Hausherr scheint bereits ein Auge auf sie geworfen zu haben, aber das lasse ich nicht zu, auf keinen Fall! Schliesslich hat er sein Weib Trine, und die soll ihm ruhig noch ein paar Kinder gebären. Wie gern ich doch wenigstens Chrissies blaues Kleid hätte. Ich bin wohl zu fett um es zu tragen; meine Hüften sind zu breit. Trotzdem – wie gern würde ich doch wenigstens mal dran riechen. Ob sie ein richtiges Parfüm besitzt? Jetzt muss ich noch die Schweine füttern. Es ist schwül in diesem Koben, oh, wie ich Schweine hasse. Unter meinen Armen sind Schwitzflecken. Das gestärkte Leinengewand klebt überall. Meinen Brüsten ist es viel zu eng hier drin – wie es wohl wäre, wenn ich die Luft anhalte und mich einfach mal nackt im Schweinemist wälze? Augen würde sie machen, die kleine süsse Chrissie – die hat doch keine Ahnung vom prallen Leben! Ich habe schon mit Gutsherren gevögelt, bin auf einem Gaul über drei Felder geritten, habe Goldstücke in den Händen gehabt. Chrissie weiss von alledem nichts, vom Portwein auch nicht! Soll sie doch bis an ihr Lebensende Kartoffeln schälen, das junge Ding! Bloss den Hausherrn soll sie mir in Ruhe lassen. Ha! Eines Tages werde ich ihn höchstpersönlich der Trine wegnehmen.

Auch von zweien gleichzeitig hab ich es mir schon besorgen lassen, damals, am Sternenbacher Gutshof. Heissa, den beiden Knechten ging damals fast die Luft aus. Zwischen fünf Bierfässern waren wir eingezwängt, draussen tobte das grosse Sommerfest, und wir konnten es kaum erwarten, uns die leinenen Trachten gegenseitig vom Leib zu fetzen. Ich habe schon alles gesehen. Jonathan der Knecht und Junker Elfrik haben niemals meine Erfahrung, niemals! Sollen sie doch auf ihren Schafen, Ziegen, Kühen und Schweinen hocken bleiben!
Ich angle mir den Hausherrn, das ist so gut wie sicher. Nein, schön ist der Mann nicht. Er hat eine viel zu grosse Nase, fast wie einer dieser Nasenaffen auf Borneo, von denen ich neulich eine Zeichnung gesehen habe. Aber: „Wie die Nase des Mannes, so sein Johannes“ heisst es doch – oder? Hansviktor, der Hausherr, kann aber mit Geld umgehen – ganz anders als die restlichen Säufer. Entweder die saufen hier, oder schleppen sich mit ihrem Tripper des Nachts in ihre jämmerlichen Dachbuden. Ich bin eine stolze Frau. Ganz anders als Chrissie, die kleine Schlampe, die aussieht als wäre für sie jeder Windhauch eine Zumutung. Am dritten Tag ihrer Anstellung habe ich mich über Mittag in ihr Zimmer geschlichen. Ich konnte sicher sein, nicht ertappt zu werden, da um diese Zeit die Hölle los ist in der Küche. Zwei blaue Söckchen habe ich ihr gestohlen. Unsereins kennt so etwas nicht. Blaue Söckchen. Dazu ein zartrosa Fetzchen, das sie wohl Unterhose nennt, und einen Büstenhalter mit eingenähten Bügeln. Titten hat die Kleine kaum, aber gross angeben mit edler Unterwäsche. So tun als ob! So sind sie, die Jungen! Ach, ich sehne mich nach meinen Schweinen. Manchmal hasse ich sie zwar weil sie mir so ähnlich sind. Sie sind aber wenigstens ehrlich. Von Goethe kenne ich nur den einen Satz: „Mir ist so kannibalisch wohl als wie fünftausend Säuen!“ Grunzen, Ficken, Fressen. Dann der grosse Schlachttag. Blutwurst ist hier eine einzigartige Delikatesse. Runtergespült mit Portwein oder selbst gezapftem Bier. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Klar täte es mir gut, es mal wieder mit einem Mann zu treiben. Ich habe es satt, mir mit Runkelrüben, Gurken und sonstigem Gewächs aus Trines Gemüsegarten zu behelfen. Jonathan der Knecht und Junker Elfrik sind mir aber zu schmalbrüstig – ich vermute, Jonathan der Knecht leidet an Syphilis, Junker Elfrik an Tuberkulose. Mein Hintern wäre denen sowieso zu breit. Ich brauch was Deftiges, Unermüdliches, Kräftiges. Der Hausherr ist kräftig gebaut. Er hat einen langen Oberkörper, genau so, wie ich das mag. Ob seine Brust behaart ist? Den Schnauzer könnte er meinetwegen wegrasieren, so etwas stört beim Küssen. Ob er den Bauchnabel sauber hält? Wenn ich etwas hasse, dann sind es Männerbauchnäbel, in denen Stroh hängt, oder Fusseln, oder Maden. Von den Füssen, die bei unseren Männern zu sehen sind, will ich gar nicht erst reden, sonst wird Euch schlecht. Wie viele Jahrhunderte müssen noch vergehen, bis Männer-Zehennägel endlich gerade geschnitten sind? Die Hornhaut regelmässig abgefeilt? Die Zehenzwischenräume sorgfältig ausgepopelt, so dass Frau bedenkenlos an den Zehen lutschen kann, den einen nach dem andern? Wann endlich gibt es kleine Nasenhaar-Scheren? Ohrenhaar-Entferner? Ich bin nicht nur eine stolze Frau, sondern auch ein gepflegtes Weib. Meine schweren Brüste, die im Moment fast aus dem Gewand platzen, crème ich regelmässig ein – mit parfümiertem Schweinefett.
Etwas anderes haben wir hier nicht. Wenn mich einer liebt, kriegt er nur das Beste. Ich habe gute, feste Schamlippen. „Wenn man sie zusammenpresst, sehen sie aus wie eine frisch gebackene Semmel aus Ludolfs Bayerischer Bäckerei“, hat mich einer meiner Liebhaber mal hofiert. Bei Chrissie sieht man bestimmt die Rippen, wenn sie sich am Morgen beim Aufstehen streckt. Ihr kleiner Hintern würde den Männern hier sowieso nicht standhalten, hoffentlich lässt der Hausherr sie in Ruhe. Er käme bei ihr nicht auf seine Rechnung. Ich hingegen habe einen Arsch wie ein Tenntor: Grosszügig und einladend. So was müsste er eigentlich mögen. Erst würde ich ihm Leberknödel servieren, in Portwein gelagert, am weiss gedeckten Tisch. Eine dicke Kerze würde uns Licht spenden. Mitten im Essen würde ich meine Bluse aufknöpfen, bis meine Brüste heraussprängen. Gottsakrament, seinen Unterkiefer möchte ich sehen! Im späteren Verlauf des Abends würde ich den Johannes vom Hansviktor mit Schweinefett einreiben, die zarten Hoden massieren. Irgendwann, noch später, täte er dann meine Schamlippen zusammenpressen, bis sie aussähen wie eine frisch gebackene Semmel aus Ludolfs Bayerischer Bäckerei. Wir würden viel lachen, zwischen grossen Portweinschlucken, und die Kerze täte verglühen. Dann, am warmen Kaminfeuer, ja, am warmen Kaminfeuer täte Hansviktor mich vögeln. Sein Weib Trine und Chrissie, das junge Küchending, täten fernab rücken, und er hätte nur Augen für meinen Arsch, für meine wilde Frisur, und mit seiner Riesennase täte er mein Schweinefett-Parfüm einatmen. Heirassa, und das Gebälk täte knarren im Dachstock über der alten Kate, so heftig wie am jüngsten Tag.

Ich muss gehen, die Kälber schreien. Wenn ich doch bloss des Schreibens mächtig wäre! Wie gerne würde ich mein Leben gegen aussen tragen, die Leute spüren lassen, wie es einer einfachen Magd wie mir ergehen kann.

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