Überraschung in Berlin 

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Überraschung in Berlin 

Überraschung in Berlin 

Anita Isiris

Einen kurzen Augenblick überlege ich mir, mit Sabrina gemeinsam zu duschen. Die Kabinen wären durchaus gross genug. Ich unterlasse es dann doch… ein wenig Privatsphäre muss sein. Aber, ehrlich gesagt, liebe ich es sehr, Frauen beim Duschen zu beobachten, wie sie das Haar zurückwerfen, ihren Körper einseifen… ich mache das ja selber auch, klar… aber Zusehen ist doch noch einmal etwas ganz Anderes!

Nach einer farbenfrohen Dusch-Session wickeln wir uns in unsere Badetücher und setzen uns gemeinsam ins Wohnzimmer. Ich möchte Sabrina verführen… zu einer Currywurst am Mehringdamm. Die U-Bahn führt direkt dahin – und «Curry 36», wie die Bude heisst, ist mittlerweile wohl weltberühmt. Zuerst hatte ich mir vorgestellt, den Abend gemütlich zuhause zu verbringen, auf der Dachterrasse, und wir hätten grillieren und Berlin beim Einnachten zusehen können. Sabrina aber sprüht vor Energie – von der langen Anreise ist ihr nichts anzumerken. Mit nassem Haar wirkt sie noch anziehender. Mein Gott, was werden die Berliner Männer den Kopf nach ihr verdrehen! Dann habe ich eine Idee. «Und wenn wir unsere Kleider vertauschen»? frage ich sie. Ein alberner Schulmädchenscherz eigentlich – aber Sabrina steigt darauf ein. So kommt es, dass ich mich in ihrem lindgrünen Kleid vor dem Spiegel drehe, und sie meinen schwarzen Mini und die weisse Bluse anwirft. Wir sehen beide zum Anbeissen aus, finde ich – und weil wir eine ähnliche Figur und Körpergrösse haben, ist der Kleidertausch kein Problem. Wir essen noch eine Kleinigkeit, weil das vorhin war ja Alkohol auf nüchternen Magen. Dann machen sich Anita-Sabrina und Sabrina-Anita auf den Weg in die City.

Sabrina liebt U-Bahnen, wie sie mir sagt, obwohl sie den Eindruck hat, dass davon immer eine gewisse Gefahr ausgeht. In London war ich selber mal eingeschlossen, an der Bakerloo Line, wegen eines Fehlalarms – aber ich habe es geschafft, die Panik, die ich damals im Nacken hatte, wieder abzustreifen. Sabrina scheint mit Miniröcken keine allzu grosse Erfahrung zu haben und wirkt beim Hinsetzen ein wenig unsicher. Ich mag das an ihr, dieses natürlich-Unsichere einer bildschönen Frau, die im Grunde keine Ahnung hat, dass sie der ganzen Welt den Kopf verdrehen kann, wenn sie will.  

Der Mehringdamm an sich ist keine atemberaubende Gegend. Die Sonne ist schon weg, und der Feierabendverkehr rollt wie ein silbernes Band an uns vorbei. Der Curryduft lullt mich schon von weitem ein – ich hoffe doch sehr, dass Sabrina Currywurst mag, und wenn nicht, dass sie doch wenigstens probiert. Klar gibt’s hier auch unspektakuläre Hot-Dogs und Burger – aber weil ich in Berlin verliebt bin, liebe ich eben auch Currywurst. Wir stellen uns in eine lange Reihe – da vernehme ich eine vertraute Stimme hinter uns. «Hallo, Anita, schön, Dich wieder mal zu sehen!» Bernd, Englischlehrer an einer der vielen Privatschulen – und Künstler. Bernd ist auch Kunstmaler, und er hat mich schon mehrmals gefragt, ob ich ihm nicht mal Modell stehen würde. Ich habe stets abgelehnt – vielleicht auch, um mich ein wenig zu zieren. Als er Sabrina entdeckt, passiert etwas. Ich sehe, wie sich ihre Augen weiten und wie nach kurzer Zeit ein paar rote Flecken an ihrem Hals erscheinen. Bernd bringt seinen Mund nicht zu, und seine Augen sprechen ebenfalls Bände. «Ich bin Sabrina», sagt meine Freundin spontan. «Und ich Bernd», antwortet dieser heiser. Erst in diesem Moment wird mir bewusst, dass Bernd exakt Sabrinas Typ sein muss. Er ist 183 cm gross, sportlich gebaut, und sein schneeweisses T-Shirt mit dem schwarzen japanischen Schriftzug unterstreicht seine gute Figur noch. Der Dreitagebart wirkt alles andere als ungepflegt – Bernd scheint herausgefunden zu haben, dass immer mehr Frauen solche Bärte unwiderstehlich finden. Ein letzter Sonnenstahl durchfährt sein blondes Haar – dann lächelt er breit, und seine Zahnlücke ist zu sehen. Er ist lausbubenhaft und männlich zugleich – Sabrina wirkt ein wenig wie ein hypnotisierter Schmetterling.  

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