Es hätte sie misstrauisch machen sollen. Das vertraute Urlaubsgefühl hatte sich weder beim ersten noch beim zweiten Milchkaffee eingestellt. Selbst auf dreiviertel der Strecke weigerte es sich hartnäckig ihr den Gefallen zu tun. Bei jedem Schluck des viel zu heißen Kaffees hoffte sie, dass es sich doch noch regte. Urlaub alleine. Das kam dabei heraus. Am liebsten wäre sie umgekehrt.
"Pardon, Madame," -
Sie blickte auf.
Erwartungsvoll schaute er sie an: "Fahren sie nach Bordeaux?"
"Eigentlich, nicht. . . -"
"Ich hatte Pech mit dem letzten Lift. Aus diesem Nest kommt man schwer weg."
Sein resigniertes Schulterzucken berührte eine Schwachstelle.
"- Das heißt, in die Richtung schon. . . Also, wenn ich dich vorher absetzen darf?. . . Von mir aus können wir gleich los."
Ihm war anzusehen, dass er froh war überhaupt weiterzukommen.
Seine Sporttasche war schnell verstaut. Während er sich den Sitz einstellte und sich anschnallte, schaute sie ihn sich genauer an. Liz tippte auf Student und höchstens zwanzig.
An Höflichkeitsfloskeln schien ihm genauso wenig zu liegen wie ihr. Dass dieses Schweigen doch unverkrampft blieb, lag wohl an der stillen Übereinkunft: Sie schob eine Kassette ein. Er hörte eine Weile zu. Dann lachte er und nickte anerkennend. Während er aus dem Fenster schaute, klopfte er auf den Oberschenkeln den Rhythmus mit. Hübscher Kerl, ging es ihr durch den Kopf. Das zurückgestrichene halblange Haar betonte die hohe Stirn und die geradezu klassische Nase. Kaum merklich bewegten sich seine Schultern, seine Hüften. Hüften in diesen zu tief gerutschten Jeans. . . - Reiß dich zusammen! So weit kommt es noch!
Und doch war es interessant. Unabhängig vom Alter oder Geschlecht, erotische Gedanken trafen anscheinend schneller als andere auf ihresgleichen. Konzentriert aufs Fahren spürte sie seinen Blick, spürte, dass er unauffällig sein sollte, spürte, dass er jetzt mehr der Frau galt, die schöne Beine zeigte, als der, die seine Mutter sein könnte. Sie schickte ihm ein verhaltenes Lächeln. Es sollte das zurücknehmen, was sie angezettelt hatte. Zu spät! Viel zu schnell schaute er weg. Unglaublich, gerade diese Gedanken entwickelten eine so flinke, schwer zu fassende Eigendynamik, die sich jeder Kontrolle entzogen. Nun war sie es, die ein Gespräch anfing. Auch zu spät. Seine leichte Befangenheit überspielte er mit Schnoddrigkeit. Er bewegte sich auf unsicherem Terrain und es kam ihr ein bisschen unfair vor, ihn so leicht zu durchschauen. Trotzdem lag ein gewisser Reiz darin, die Situation in der Hand zu haben.
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