Vera

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Abdullah Quasseem

Es war schon nach 20 Uhr und draußen war es längst dunkel geworden. Sichtlich genervt schimpfte Saskia hinter ihrem Schreibtisch über ihren Computer, der nicht das tun wollte, was sie erwartete.

„Das darf doch nicht wahr sein. Ich hab‘ jetzt echt keinen Bock mehr. Kannst du mir sagen, was ich da falsch machen soll?“, wandte sie sich hilfesuchend an ihre ältere Kollegin, Vera, die heute mit ihr gemeinsam Überstunden machte, um eine Präsentation für Henrik, ihren Chef, den kaufmännischen Leiter der Firma, fertigzustellen, die morgen spätestens um zehn, auf seinem Tisch liegen musste.

Wie fast immer vor der Quartalskonferenz des Vorstands war er in letzter Minute noch mit ein paar Änderungswünschen angekommen. Vera hatte sich schon seit Tagen darauf eingestellt. Er selbst hatte sich mit dem Hinweis auf eine familiäre Verpflichtung schon vor gut einer Stunde vom Acker gemacht und seinen beiden Vorzimmerdamen die Detailarbeiten überlassen. Halbheiten verabscheute er. Einer seiner Grundsätze, an die sich Vera schon seit Jahren gewöhnt hatte, auch wenn sie seinen Hang zum Perfektionismus zuweilen übertrieben fand. Aus diesem Grund überarbeitete Saskia auch eine Excel-Tabelle, die ihm noch nicht übersichtlich genug erschienen war. Ein paar Daten wollte er noch weiter „verdichtet“ haben. Ihrer Meinung nach war es überflüssig, die Zahlen sahen auch so gut aus, aber er war der Boss und, auch wenn sie ein offenes Verhältnis miteinander hatten und sie für gewöhnlich kein Blatt vor den Mund nahm, wollte sie wegen so einer Lappalie kein Fass aufmachen und riskieren, dass er wieder mal den Chef raushängen ließ. Es war besser für die Stimmung, ihm seinen Willen unwidersprochen zu lassen.

„Ich bin fast fertig aber, egal was ich mache, irgendetwas passt diesem Scheißprogramm immer nicht. Arrhh! Jetzt macht es die ganze Spalte gelb, obwohl ich dazu gar keinen Befehl gegeben habe. Es soll einfach nur die blöde Formel in jedes Feld übernehmen und den Wert berechnen ...“ Saskia schien leicht verzweifelt.

„Warte, ich hab’s gleich, dann schau‘ ich’s mir mal an“, rief ihr Vera zu, ohne von ihrem Bildschirm aufzusehen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Saskia mit zornigem Blick eine Geste machte, als wolle sie ihren Monitor gleich erwürgen. „Reg‘ dich erst mal ab!“, versuchte sie, sie zu beruhigen und grinste zu ihr hinüber, „ich kenn‘ das. Mach‘ kurz Pause! Ich bin gleich da. So – das war’s, nur noch die Datei schließen. Ausdrucken kann ich’s morgen noch. Ich schick’s Claasen mal vorab per E-Mail. (Saskia war mit dem Boss noch per Sie, was Vera ganz recht war, denn solange es so blieb, konnte sie wenigstens sicher sein, dass er sie noch nicht vernascht hatte – relativ sicher jedenfalls.) Irgendwas fällt ihm wahrscheinlich sowieso noch ein, was geändert werden muss. So, zack, fertig, runterfahren und Tschüssi!“ Vera machte die letzten Klicks schon im Stehen. Während sie mit überschwänglich kräftigem Anschlag die Eingabetaste zum Runterfahren ihres Mac‘s drückte, drehte sie sich schwungvoll auf einem Bein herum. „Dann lass mal sehen“, sagte sie und ging zu Saskias Tisch hinüber.

Mit einem Blick aus den großen Fenstern des modern, in funktionalem Chic eingerichteten Raums stellte sie fest, dass nur in einem Büro im ersten Stockwerk der gegenüberliegenden Fassade noch Licht brannte und sonst nur aus den Glaskuppeln des flachen Werkstattgebäudes dazwischen noch ein schwacher Schein drang. Dort wurde häufig länger gearbeitet.

Vera dachte an Klaus, der vielleicht auch zu denen gehörte, die dort gerade Überstunden machten. Vor etwas über einem Jahr hatte sie mit dem gutaussehenden Elektrotechniker einmal eine ganz private Nachtschicht absolviert. Die Erinnerung daran löste ein angenehmes Ziehen im Schritt aus. Er war nicht nur ein interessanter Typ sondern auch ein guter Liebhaber, was man leider nicht von allen ihren Bekanntschaften seither behaupten konnte. Diese eine Nacht mit ihm hätte sie gerne einmal wiederholt und hatte eigentlich fest damit gerechnet, dass er sich wieder bei ihr melden würde. Es ärgerte sie immer noch, dass er das nicht getan hatte und wie es aussah, hatte ihn sich jetzt diese Schwarzhaarige von der LTI gekrallt, von der manche Kollegen so schwärmten. Klar, die war jünger und hatte ein Paar dicker Titten – damit waren Männer doch immer sehr einfach zu beeindrucken – aber sonst doch wohl kaum ihre Klasse. Sie hätte ihn am Morgen danach vielleicht nicht so unverbindlich verabschieden sollen. Aber es war nun mal nicht ihre Art, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Sie hatte es immer genossen, die Männer zuerst anzuködern und dann ein bisschen zappeln zu lassen. Die meisten gingen ihr so sicher an die Angel. Aber er war nicht so wie die Meisten, gerade das machte ihn ja so besonders interessant. Bei ihm war es wohl die falsche Taktik gewesen. Schade! Zu spät, hatte sie erkannt, dass er genau der Richtige für sie gewesen wäre. Einer dem man nicht alle Tage begegnete. Bei passender Gelegenheit, würde sie ihn sich schon zurückerobern. Nein! Sie würde schnell aktiv werden. Schon seit Wochen hatte sie keinen Sex. Viel zu lange für ihren Geschmack. Es sich immer nur mit dem Vibrator selbst zu machen, langweilte allmählich. Höchste Zeit ihre Netze wieder auszuwerfen und in welche Richtung war schon klar. Warum eigentlich hatte sie so lange damit gewartet?

Saskia machte erneut eine genervte Geste Richtung Monitor, als Vera um ihren Tisch herumging und sich hinter ihrer Stuhllehne über sie beugte, um mit ihr gemeinsam in den Bildschirm schauen zu können.

„Dann zeig‘ mal, woran’s hakt! Seit dem letzten Systemupdate macht Excel manchmal schon komische Sachen. Mir ist es neulich auch mal voll abgerauscht. Das soll sich die IT mal ansehen – gleich morgen.“ Vera ließ sich von ihrer Kollegin kurz das Problem schildern. Sie erkannte zunächst auch keinen offensichtlichen Fehler. Saskia war zwar erst vor ein paar Monaten zu ihrer Entlastung von Henrik als zweite Assistentin eingestellt worden und sie war noch jung, mit wenig Erfahrung, aber sie war nicht dumm und hatte in dieser Zeit schon oft bewiesen, dass sie mit der Bürosoftware sicher umgehen konnte. „Hm, ich weiß auch nicht“, rätselte Vera, „geh mal zurück ...“ Die beiden sahen sich an und lachten, nachdem sie beide gleichzeitig nach der Maus gegriffen hatten.

Saskia ging Schritt für Schritt zurück. „Markiere mal das, hier...“, Vera zeigte ihr die Stellen, die sie meinte auf dem Bildschirm und ergriff dieses Mal bewusst Saskias Hand, um die Maus richtig zu führen. Sie stand leicht gebückt direkt hinter ihr, ihre Köpfe dicht beisammen. „Mmh, du riechst gut! Was ist das?“, fragte sie.

„Heißt Loewe. L-O-E-W-E. Nicht schlecht, was“

„Du musst es mich unbedingt mal probieren lassen. Gefällt mir...“, sagte Vera darauf, „...ah, die Formel hat’s jetzt doch. Gut!“

Saskia machte ein paar weitere Eingaben. Es schien jetzt alles zu klappen und während Saskia selbst noch die eine oder andere Korrektur an ihrer Tabelle vornahm, sah Vera an ihr hinunter. Henrik (dieser alte Lüstling) hatte von seinem Privileg als Chef Gebrauch gemacht und aus den qualifiziertesten Bewerberinnen, die attraktivste ausgewählt. Sie war ein hübsches Ding. Es ließ sich unmöglich leugnen, auch wenn es Vera ein bisschen eifersüchtig machte. In wenigen Monaten würde sie 35 werden. Fünfunddreißig! Die Jahre vergingen wie im Flug. Noch war sie heiß. Noch war sie die Nummer 1 bei Optronics (davon war sie überzeugt), noch hielt sie das Zepter in der Hand. Noch fühlte sie die begehrlichen Blicke der Kollegen, wenn sie durch die Flure schritt, noch warfen sich die Männer in Positur, wenn sie ein Büro betrat, und sie wusste, manche einer würde viel drum geben, ihre Gunst zu erlangen. Wie lange noch? Männer standen auf sie, schon immer, daran war sie gewohnt und hatte es weidlich ausgenutzt, „hatte nichts anbrennen lassen“, wie man wohl sagte. Auch mit Henrik hatte sie ein paar Mal geschlafen. Es war okay für sie, gehörte nach ihrem Verständnis eben auch zu ihrem Job und sie hatte selbst ihren Spaß dabei. Er sah gut aus, trat souverän auf, war für sein Alter noch topp in Form und bumste sie gar nicht schlecht - nicht nötig ihm einen Orgasmus nur vorzuspielen; ein typisches Alpha-Männchen. Klar, war sie für ihn nicht mehr als eine nette Abwechslung, aber schließlich wollte sie ja kein Kind von ihm. Es erleichterte einfach die Zusammenarbeit. Wie bei den Bonobos: Bevor unnötig Stress aufkommt, vögelt man halt ein bisschen rum. Und es beschleunigte die eine oder andere Gehaltserhöhung. Seine Frau – sehr charmant übrigens - ahnte vermutlich etwas, doch nach außen war ihr Verhältnis rein professionell – eng, aber professionell. Ein Schuft wer Schlechtes dabei dachte.

Bei all ihren Affären kam nur eine Sache zu kurz: Ihr „Mr. Right“ war nie dabei. Das wurde ihr immer deutlicher, zunehmend schmerzlicher bewusst. Mehr als ein Jahr hatten selbst ihre intensivsten Beziehungen nicht überdauert. Dann lief ihr ein anderer über den Weg oder ihr wurde es einfach zu eng, sie hatte sich noch nicht reif für eine längere Bindung gefühlt. Doch jetzt spürte sie, wie ihr allmählich die Zeit davonlief und es stimmte, was man sagte, auch wenn es ein Klischee war: Die Auswahl wurde zusehends enger. Die Besten waren oft schon vergeben und sie wurde nicht jünger und manchmal überfiel sie die Angst vor der Vorstellung, all den verpassten Chancen nachtrauern zu müssen, wenn sie eines Tages feststellen musste, dass sie ihr Verfallsdatum schon überschritten hatte und sich das Begehren der Männer nicht mehr ihr sondern Jüngeren zuwandte.

Sie gab auf sich acht, pflegte sich, trieb regelmäßig Sport, rauchte nicht, achtete auf gesunde Ernährung, hielt sich mit Alkohol und Drogen zurück und trotzdem schritt die Zeit unaufhaltsam voran. Tick, tock, tick, tock ... gnadenlos. Die Sekunden zählst du nicht, aber eh du dich versiehst, ist wieder ein Sommer um, ist wieder Weihnachten, ein neuer Geburtstag.
Siebzehn, achtzehn, endlich erwachsen; achtundzwanzig, neunundzwanzig, was soll’s, das Leben ist doch gerade so schön; dann dreißig! Lebe wohl schöne Jugend! Und jetzt fast fünfunddreißig – wie bald schon vierzig! Eine Frau in reifem Alter würde man sagen, „aber noch immer attraktiv“. Gut erhalten – für ihr Alter – hieß das dann wohl. Oh mein Gott! Unglaublich!

Noch immer war sie schlank, ihre Figur tadellos, aber sie kannte ihre kleinen Problemzonen, wusste, wo die Spannkraft des Bindegewebes nachzulassen begann, entdeckte zunehmend kleine Fältchen um Augen und Mundwinkel, wenn sie sich kritisch im Spiegel untersuchte und neuerdings sogar schon im Dekolletee zwischen den Brüsten, wenn sie sich nach vorne beugte. Bisher nur erste Vorboten, noch kaum zu sehen, aber sie waren da, sinnlos sich etwas anderes einzureden. Anti-Aging-Cremes und Straffungsübungen konnten es vielleicht aufhalten, verhindern konnten sie es auf Dauer nicht.

Aus ihrer stehenden Position konnte sie im V-Ausschnitt ihres Flausch-Pullovers direkt zwischen Saskias Brüste sehen, bis hinunter zum Bügel ihres BH’s. Alles dort war straff gespannt, die helle Haut vollkommen glatt, seidig schimmernd vor jugendlicher Frische. Ein verführerischer Anblick. Männer waren bezaubert von Saskias Sexyness. Nicht nur heute war sie während des Tages mit Komplimenten überhäuft worden – und keinesfalls zu Unrecht.

Vera musste das unumwunden zugeben, auch wenn sie dabei stets das Gefühl beschlich, die Jüngere könnte ihr allmählich den Rang ablaufen. Bisher war sie gewohnt gewesen, von männlichen Kollegen verehrt zu werden und laufend anerkennende Bemerkungen über ihr Aussehen zu erhalten. Die bekam sie immer noch, aber eben nicht mehr ungeteilt und manchmal hatte sie den Eindruck, dass Saskia die größere Aufmerksam zu Teil wurde und sie nur aus Höflichkeit ebenfalls mit einem Kompliment bedacht wurde. Solche Gedanken verscheuchte sie schnell. Sie war die Direktionsassistentin, die First Lady in dem Laden, eine Stilikone, elegant, charmant und souverän in jeder Lage und eine begehrenswerte Frau, dazu mit Pfeffer im Hintern. Da konnte ihr so leicht auch keine Jüngere das Wasser reichen; so schnell noch nicht.

„Was wäre dies für ein trostloser Ort, wenn es dieses Büro nicht gäbe. Oh ihr Grazien, könnt‘ ich doch für immer hier verweilen“, hatte ihnen Stenger aus dem Controlling erst vor ein paar Tagen, nur zum Schein humorverbrämt, vorgesülzt, als er wegen eines Termins bei Henrik ihr Büro aufgesucht hatte. Das war nett, damit konnte sie leben, das schloss beide ein, sie und Saskia, nahm keine aus. Und Saskia war ja wirklich süß.

„Oh lá lá! Heute mal die Eiskönigin?“, hatte Vera sie schon gleich morgens mit leicht süffisantem Unterton begrüßt, nachdem sie aus ihrem Mantel geschlüpft war, „aber sehr sexy! Ehrliches Kompliment. Schätze, da werden sich ein paar Kandidaten wieder viel zu erzählen haben.“ Sie trug zu dem weißen, anschmiegsamen Flauschpulli einen figurbetonten, knapp knielangen, hellen Rock mit grauem Rautenmuster und einem neckischen Schlitz an der linken Seite, dazu weiße Nylons und graue Stiefeletten mit hohen Absätzen und einem weißen Pelzkrägelchen an den Fesseln. Mit ihren rotblonden Locken, die bis unter die Schulterblätter reichten, sah sie in dem Outfit tatsächlich ein bisschen nach winterlicher Märchenprinzessin aus. Ihre Kleidung brachte die Vorzüge ihres jugendlichen Körpers wirkungsvoll zur Geltung, ohne anstößig zu sein. Eine perfekte Gratwanderung. Sie gab ganz die verführerische Unschuld, genau das, worauf Männer abfuhren. Geschmack konnte man ihr jedenfalls nicht absprechen. „Am Sonntag war schließlich erster Advent und man sieht doch nichts, was man nicht sehen dürfte“, war Saskias selbstbewusste Antwort gewesen, wobei sie sich in einer kessen Pose mit einer Hand an ihrem Schreibtisch abstützte, „oder findest du, daran was auszusetzen?“

Vera hatte sie angegrinst: „Nicht das Geringste, meine Hübsche. Perfektes Styling, volle Punktzahl! Aber es sollte mich wundern, wenn du heute nicht ein paar neue Verehrer gewinnst. Und unserem lieben Herrn Meier läufst du am besten erst gar nicht über den Weg. Der rollt sich glatt ein, wenn er dich sieht.“

„Bei dem notgeilen, alten Bock glaube ich das sofort“, hatte Saskia herausgeprustet. „Aber mal ehrlich. So wie der mich anglotzt, habe ich immer das Gefühl, der zieht mich mit Blicken aus. Ich find‘ das widerlich, du nicht? Sowas törnt mich total ab.“ Vera hatte darauf ihr Gesicht zu einer abfälligen Miene verzogen und eine abwinkende Handbewegung gemacht. „Vergiss es“, hatte sie gesagt, „solche Typen gibt’s doch überall. Bei dem läuft doch eh nichts mehr. Der träumt höchstens noch davon.“ Sie hatten amüsiert gekichert.

„Du siehst heute übrigens auch gut aus“, hatte Saskia wieder beim Ausgangspunkt ihrer kleinen Unterhaltung angesetzt und dabei verschmitzt gegrinst.

„Was soll das heißen?“, war Veras fast empörte Reaktion gewesen, „ich seh‘ immer gut aus!“ „Ich auch!“, hatte Saskia lächelnd erwidert.
Vera hatte ein wenig die Lippen geschürzt und ihrer Kollegin zugezwinkert. „Ich mag dich!“,

hatte sie gesagt, „du bist manchmal ein freches kleines Biest, aber ich kann mir nicht helfen, ich mag dich einfach.“ Darauf hatten die beiden erneut gelacht.

Vera verstand es selbst nicht. Eigentlich hätte sie in Saskia eine Rivalin sehen müssen und die hatten es bei ihr gewöhnlich nicht leicht, doch mit ihr war es anders. Nachdem sie sich anfangs ein wenig argwöhnisch beschnuppert hatten, war zwischen ihnen schnell Sympathie entstanden. Vera gefiel Saskias selbstbewusste Art und sie hatte dennoch das Gefühl, von ihr respektiert zu werden. Sie hatte etwas, das sie für sich einnahm. Und definitiv übte sie auch eine erotische Anziehungskraft auf sie aus.

Während sie immer noch hinter ihr stehend, über sie gebeugt nur mit halber Aufmerksamkeit Saskias Eingaben im PC verfolgte, musterte Vera mit größerem Interesse ihren Körper.

„Was ist denn da passiert?“, fragte sie neugierig und strich mit ihrem Zeigefinger sanft über eine unauffällige, knapp zehn Zentimeter lange Narbe innen an Saskias Schenkel, etwas oberhalb des Knies, die auch unter dem transparenten Nylonstoff zu erkennen war.

„Ach, da hatte ich mit zwölf mal einen kleinen Fahrradunfall. Bin über die Motorhaube eines Autos gesegelt, dass aus einer Ausfahrt rauskam. War nicht wirklich schlimm, aber da habe ich mich vermutlich am Bremshebel des Fahrrads aufgerissen. Musste genäht werden. Ist doch eigentlich ganz gut verheilt, aber ein bisschen sieht man’s halt noch.“

Veras Finger tastete weiter zart streichelnd über die kleine, von der Narbe gebildete Hautunebenheit unter dem dünnen Nylongewebe. Es bereitete ein irgendwie sinnliches Vergnügen. „Hast echt hübsche Beine“, sagte sie, „und in der weißen Strumpfhose, kommen sie besonders gut zur Geltung.“

„Strumpfhose ...?“, Saskia wandte Vera ihr Gesicht mit einem entrüsteten Ausdruck zu, „meine Mutter trägt vielleicht Strumpfhosen. Sieht das aus wie Strumpfhosen?“ Sie erhob sich kurz von ihrem Sitz und zog ihren Rock soweit hoch, dass Vera sehen konnte, dass sie Strümpfe mit einer breiten Bordüre anhatte, die am oberen Rand ein ganz klein wenig die helle Haut ihrer Schenkel einschnürte.

„Oh!“, entfuhr es Vera, „ich hätte wissen müssen, dass du nie Strumpfhosen anziehen würdest (sie betonte das Nie absichtlich übertrieben). Dafür bist du viel zu sexy! Völlig klar.“ Sie sah Saskia mit einem spöttischen Ausdruck in die Augen. Saskia erwiderte ihren Blick mit einem schelmischen Lächeln. „Findest du?“, fragte sie und zog ihren Rocksaum noch ein Stückchen höher. Ein wirklich süßes, kleines Biest.

Unwillkürlich musste Vera an ihr erstes Erlebnis mit einer Frau denken. Es war lange her, aber die Eindrücke standen plötzlich in lebendiger Frische wieder vor ihr. Sie war sechzehn. An dem Abend war sie als Babysitterin bei einem Ärzteehepaar engagiert und hatte, nachdem das „Baby“ – ein kleiner Junge von knapp zwei Jahren – gewickelt und eingeschlafen war, eher aus Zeitvertreib auf dem Wohnzimmersofa angefangen, zu masturbieren. Sie glaubte sich für die nächsten Stunden allein mit dem Kind im Haus und saß mit geschlossenen Augen, ihre Jeans über die Knie herunter gezogen, zurückgelehnt auf dem Sofa und befingerte sich, eine Hand in ihrem Höschen, selbst und war gerade in Fahrt gekommen, als sie durch ein Geräusch in der Nähe aufgeschreckt wurde. Nur wenige Schritte vor ihr hatte plötzlich eine Frau gestanden und auf sie hinuntergesehen. Ganz in das Spiel mit sich selbst versunken, hatte sie ihr Eintreten nicht bemerkt und reflexartig, hastig, mit hochrotem Kopf ihre Hose hochgezogen. Es war offensichtlich, womit sie beschäftigt gewesen war und sie wäre in dem Moment am liebsten vor Scham im Boden versunken. Die Hausherren hatten ihr zwar von ihrem Gast, einer Cousine aus Kanada, erzählt aber auch, dass sie sich einen englischsprachigen Film im Kino ansehen wollte und kaum vor Mitternacht zurück sein würde.

„Ich ..., ich bin Vera, ich muss wohl eingeschlafen sein“, stammelte sie eine völlig blödsinnige Erklärung.

„Ich weiß, the Babysitter.“ Die Eingetretene lächelte milde und fuhr in nicht ganz perfektem, stark Akzent gefärbtem Deutsch fort: „Hi, ich bin Joyce, aus Toronto. Es tut mir leid, dass ich - wie sagt man? – so hineingeplatzt bin, Cherie. Und es soll dir nicht peinlich sein. Es ist doch die schönste Sache der Welt, dafür sollst du nicht beschämt sein.“ Sie machte eine kleine Pause, während der sie sich neben sie auf das Sofa setzte und ihr sanft über die Stirn strich. „Und du bist noch nicht gekommen?“, fragte sie ungeniert.

Ein wenig verblüfft über die Direktheit ihrer Frage, hatte Vera verschämt den Kopf geschüttelt und die Frage zaghaft verneint. Joyce war eng an sie herangerückt, hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt, mit der anderen weiter ihre Stirn gestreichelt und in betörendem Tonfall, dicht an ihrem Gesicht gesagt: „Dann kann ich dich vielleicht ein bisschen helfen. Weißt du, ich kann dich sehr gut helfen, Darling ... du wirst sehen.“
Noch bevor Vera etwas darauf erwidern konnte, war sie ihr schon mit der Hand in die Hose gefahren, deren Knöpfe immer noch offenstanden, direkt in ihr Höschen, hatte zielsicher sofort Veras zartesten Punkt gefunden und begonnen, ihre Klitoris mit unglaublich zärtlichem Druck zu massieren. Vera war völlig überrumpelt. Die noch schwelende Glut ihrer Erregung war sofort wieder entfacht. Sie war ganz feucht und Joyce hatte leichtes Spiel, sie zu verführen und die sanft kreisenden Berührungen ihrer Finger im rhythmischen Wechsel von zartem Druck und Nachlassen waren so enorm stimulierend, dass Vera gar nicht anders konnte, als ihre Beine durchzustrecken und ihrem aufwallenden Lustempfinden mit einem zarten Stöhnen Ausdruck zu verleihen.

„I know you like that. You’re so incredibly wet. We all like that, my pretty one“, hatte ihr Joyce daraufhin leise, mit beschwörendem Unterton zugeraunt. Den sanft schmeichelnden Worten, den Kosenamen, mit denen Joyce sie bedeckte und ihren beinahe mütterlich liebevollen und doch so überwältigend erregenden Zärtlichkeiten hatte Vera nichts entgegenzusetzen. „You‘re such a pretty, sensitive girl, my sweet little darling ... you deserve so much to be loved and caressed as only a woman can do ... don’t be nervous, just let go and let me show you, how beautiful it will be ...”, hatte sie ihr zugeflüstert, ihr Gesicht mit Küssen bedeckt, während ihre eine Hand über ihr Haar strich, ihren Nacken kraulte und die andere in ihrem Höschen Vera mit unglaublich einfühlsamem Streicheln so wahnsinnig geil machte, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte. So war ihr letzter innerer Widerstand schnell gebrochen und sie hatte sich einfach fallen lassen, willenlos hingegeben, war hier und da zusammengezuckt und hatte ein zartes, lustvolles Wimmern nicht zurückhalten können, wenn es besonders süß wurde.

Joyce war eine Frau mittleren Alters, Mitte 40 hatte Vera geschätzt, auf eine gewisse, eigene Art attraktiv, mit kurzen Haaren, einem großen Hintern und vollen Brüsten und sie wusste wirklich, was ein junges, noch unerfahrenes Mädchen, das gerade erst dabei war, seine Sinnlichkeit zu entdecken, fast um den Verstand bringen konnte. Sie kam einfach über sie, berauscht von ihrer Jugend, mit der ganzen Leidenschaft einer erfahrenen Liebhaberin und Vera erfuhr durch sie neue Grenzen der Lust. Nachdem sie ihr einen traumhaft geilen Höhepunkt bereitet hatte, hatte sie ihr Kleid hochgezogen, Veras Hand genommen und zwischen ihre Beine geführt. Sie war extrem feucht vor Erregung und es war ein eigenartig erregendes Gefühl gewesen, mit den Fingern in die schwül-feuchte Möse einer anderen Frau einzutauchen und ihre entfesselte Geilheit zu spüren. Joyce führte sie, zeigte ihr, was ihr guttat. „Oh ja, that’s good ..., oh, that’s so good ..., oh ja, ja ...“, sie schnaubte es zwischen den Zähnen hindurch, immer wieder, gab sich ohne jede Zurückhaltung ganz dem Genuss hin und ließ sich lange, lange von Vera befummeln, wurde immer geiler, öffnete sich immer weiter, schaukelte ihr Becken immer aufgeregter, drückte Veras Finger immer tiefer in sich hinein, bis sie schmerzten und doch konnte sie nicht aufhören, bis sich endlich auch Joyce, laut stöhnend, in einem befreienden, langen Orgasmus auflöste.

Die Tage danach war Vera vollkommen aufgewühlt, hin und her gerissen zwischen Schuldgefühlen und dem Eindruck einer neuen, beglückenden Erfahrung. Der geringste Reiz genügte, um ihr die genossenen Sinnesfreuden wieder in Erinnerung zu bringen. Bei jeder Gelegenheit masturbierte sie, sogar auf dem WC der Schulturnhalle nach dem Sportunterricht und sie hatten sich noch einmal heimlich getroffen, bevor Joyce wieder abreiste. Sie hatte sich das Auto ihrer Cousine geliehen und sie waren rausgefahren an einen kleinen Waldsee, den sie an diesem gewöhnlichen Wochentag praktisch für sich gehabt hatten. Am Ende eines schmalen, schwankenden Bretterstegs gab es am Rande des Schilfgürtels ein kleines Holzfloß, wo sie nackt gebadet, sich gesonnt und im Schutz des dicht stehenden Schilfrohrs noch einmal geliebt hatten und wieder hatte Vera das Gefühl gehabt, von den Liebkosungen der in allen Künsten lesbischer Liebe erfahrenen Joyce völlig weggebeamt zu sein.

Joyce war die erste richtige Lesbe, die sie kennengelernt hatte. Danach stand sie immer noch eindeutig auf Jungs, doch hatte diese Erfahrung ihre Spuren hinterlassen, ihre sexuelle Entwicklung nachhaltig geprägt, sie gelehrt ihre ganze Lust ungehemmt auszuleben.

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