Verirrt

Der Lehrling - Teil 2

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Verirrt

Verirrt

Darian Valberg

Die Nacht war sternenklar und ich genoss die Nähe von Marie, die in meinen Armen die Nacht an meiner Seite verbrachte. Trotz der aufwühlenden Gefühle, die mich durchfluteten, war es die schönste Nacht, die ich je verbracht hatte. Zwar stahlen sich Gewissensbisse immer wieder in meine Gedanken. Gewissensbisse, weil ich mit der Frau meines Meisters hier lag und es aus tiefstem Herzen genoss. Aber auf der anderen Seite waren der Duft ihres Haares an meinem Gesicht oder die zarte Haut ihrer immer noch nackten Brust an meiner Seite Argumente, die mehr als überzeugen konnten.
Viel schneller als gedacht war der Morgen da. Ich hatte trotz der vielen Gedanken doch noch schlafen können und fühlte mich gut ausgeruht.
Ich spürte Maries Abwesenheit und setze mich auf, um nach ihr zu sehen. Ich musste nicht lange suchen, denn sie stand nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, bis zu den Oberschenkeln im Wasser des Sees und wusch sich. Ich konnte nicht viel erkennen, denn die Sonne ging gerade genau hinter ihr auf und ließ nur einen Blick auf ihren Schattenriss zu. Das goldene Licht der Sonne setzte das Wasser des Sees in Flammen und die Wassertropfen, die Marie hochspritzte, funkelten wie Diamanten im Licht der Sonne. Ich war gebannt von diesem Bild und hoffte immer wieder irgendein Detail von ihr doch noch besser sehen zu können.
Ich stand auf und sprang von dem Wagen. Langsam schlenderte ich zum Wasser… genau in dem Moment, als sie schön wie eine Nymphe ans Ufer schritt und dort das Wasser von ihrem Körper streifte. Sie schaute mich an, aber ich konnte nichts in ihrem Gesicht erkennen, denn es lag weiterhin, überstrahlt durch die Sonne, in Dunkelheit.
„Guten Morgen, Jonas!“, hörte ich sie mich freundlich grüßen.
Sie griff sich aus ihrer Tasche ein Tuch und rieb sich ihren Körper ab. Als sie damit fertig war, nahm sie sich frische Kleidung aus ihrer Tasche, zog sich an, hob das zerrissene Kleid vom Vortag auf und verstaute es ordentlich.
„Mal sehen, ob ich das Kleid noch retten kann.“, sagte sie mehr zu sich selbst und schaute mich dann an.
„Keinen Morgengruß heute?“, fragte sie lächelnd.
„Ohh…natürlich… verzeihen Sie!“, stammelte ich entschuldigend, „Einen wunderschönen, guten Morgen wünsche ich Ihnen!“
Marie lachte auf.
„So förmlich? Nach dem Abend?“, fragte sie und trat direkt vor mich, um mir ins Gesicht zu schauen.
Ich schaute in ihre dunklen Augen und mein Herz raste.
Sie hob ihre Hand und legte sie mir sanft auf die Wange. Sie schaute mir ins Gesicht, als ob sie dort etwas suchen würde und lächelte.
„Wasch dich!“, sagte sie freundlich, „Und dann zieh dir endlich mal etwas an! Ich könnte sonst in Versuchung kommen…!“
Zur Unterstreichung ihrer Worte strich sie langsam mit ihren Fingerspitzen über meine Brust und bis weit unter meinen Bauchnabel.
Ihre Augen, ihre Nähe und ihre Berührungen sorgten dafür, dass ihrer Worte nur sehr langsam in mein Bewusstsein eindrangen. Dann jedoch mit Macht!
Ich schaute an mir hinab und die Erkenntnis, dass ich seit dem Bad gestern Abend ständig nackt durch die Welt lief, traf mich wie ein Hammerschlag,
Nachdem ich mich gewaschen und angezogen hatte, fing ich das Pferd ein, spannte es an und verlud unsere Sachen. Marie hatte Brotstücke, Dauerwurst und Käse vorbereitet, die wir auf dem Kutschbock zu uns nahmen.
Die nächsten Tage waren schön. Marie und ich unterhielten uns über viele Dinge und ich war überwältigt von ihrer Bildung. Sie wusste soo viel mehr als ich und ich hing an ihren Lippen, wenn sie mir wieder ein Wunder erklärte.
Jedoch kamen wir uns auf dem Rest der Reise nie wieder so nah wie an dem See.
Immer wieder betrachtete ich Marie, wenn ich glaubte, dass dies unbemerkt bleiben würde. Umgekehrt merkte ich jedoch, dass auch Marie immer wieder in Gedanken versunken auf mich blickte, wenn sie glaubte, dass ich es nicht merke,
Kurz vor unserem Ziel hielt ich es nicht mehr aus und hielt den Wagen an.
Ich starrte auf das Hinterteil des Pferdes und drehte nervös die Zügel in meinen Händen.
„Was wird aus uns werden, wenn wir wieder zurück sind?“, fragte ich stockend.
„Aus uns?“, fragte Marie leise, „Was soll aus uns werden?“
„Ich meine…“, setzte ich an und schaute ihr in das engelhafte Gesicht.
„Ich weiß, was du meinst!“, unterbrach Marie mich mit einem flüchtigen Lächeln.
„Nichts wird aus uns!“, flüsterte sie und legte mir sanft ihre Hand auf die Wange und streichelte meine Wange mit ihrem Daumen.
„Ich bin die Frau deines Lehrherrn. Ich bin ihm in dieser Welt zu gehorsam verpflichtet, genauso wie du!“, sagte sie ruhig, aber bestimmt, „Schlag dir andere Gedanken aus dem Kopf… sonst wird es dein Meister machen!“
Verzweiflung stieg in mir hoch und ich legte meine Hand auf ihre Hand, die immer noch auf meiner Wange weilte.
„Euer Mann liegt fast jede Nacht bei Anna…ich höre sie jedes Mal durch die Wand. Er liebt euch nicht!“, begehrte ich auf.
„Glaubst du, ich weiß das nicht?“, sagte sie leise und schaute mir in die Augen. „Aber nur weil ich das weiß, ändert es nichts an der Situation. Ich werde seinen Erben nicht austragen… und niemand anderes! Er kann keine Kinder zeugen! Es ist ihm weder bei mir gelungen, noch bei Anna, noch bei irgendeiner anderen Frau!“
„Dann trennt euch von ihm! Wir können irgendwo neu anfangen!“, erwiderte ich.
„Sei kein Narr!“, antwortete Marie bestimmt, „Eine Ehe kann nur vom Papst aufgelöst werden! Selbst wenn der sich die Zeit nehmen würde, sowas für eine unbedeutende Frau wie mich zu tun, müsste ich im Anschluss ins Kloster… und das ist das Letzte, was ich will! Und jetzt fahr!“
Ich schaute in ihre Augen und sah, wie sehr ihre Worte sie bedrückten. Aber ich wusste auch, dass sie recht hat.
Das Leben nahm wieder seine gewohnten Bahnen ein. Marie führte das Haus und ich sah sie täglich… ohne ihr nah kommen zu können. Der Meister war immer wieder nachts bei Anna und zusammen raubten sie mir den Schlaf. In solchen Momenten dachte ich intensiv an Marie und meine Gedanken waren dann erfüllt von Sehnsucht nach ihren Brüsten, ihren wohlgeformten Beinen, ihrem lieblichen Gesicht…einfach alles an ihr erfüllte mich mit Sehnsucht.
Ich lernte jeden Tag mehr und ich war stolz auf meine Arbeit. Der Meister zeigte mir jeden noch so kleinen Trick, um perfekte Schmiedearbeit zu leisten.
Eines Tages nahm Meister Timm mich zur Seite und sagte, dass der Zunftmeister ihn bei der letzten Sitzung angesprochen hatte und meinte, dass ich mich zur Gesellenprüfung anmelden soll.
„Ich habe dem zugestimmt!“, meinte Meister Timm, „Denn ich glaube, du bist schon längst so weit, die Prüfung abzulegen! Hast du schon eine Idee, was du schmieden wirst?“
Ich freute mich, denn ich hatte mir tatsächlich schon Gedanken gemacht.
„Ja, Meister! Wartet bitte einen Moment! Ich bin gleich zurück!“, sagte ich, rannte über den Hof zum Haupthaus, in mein Zimmer und holte dort ein Bündel Leinenstoff aus meiner Truhe.
Als ich zurück bei Meister Timm war, breitete ich das Tuch auf einem Tisch aus und zeigte es dem Meister.
„Als ich letztens in der Stadt war, um die bestellten Schwerter zur Wache zu bringen, bin ich an St. Annen vorbeigekommen. Ich sah, wie sich der Priester abmühte, das große Portaltor zu schließen. Ich hatte mir das auf dem Rückweg noch einmal angesehen. Die Beschläge für die Tore müssen neu gemacht werden und ich würde das gerne als Gesellenstück übernehmen… wenn Ihre einverstanden seid!“, erklärte ich aufgeregt.
Meister Timm beugte sich über die Zeichnung auf dem Tuch und staunte nicht schlecht,
„Jonas, das ist wunderschön!“, schwärmte er und betrachte jedes kleine Detail genauestens.
„Bekommst du das hin?“, fragte Meister Timm mich direkt, „Das ist eher eine Arbeit für ein Meisterstück!“
Ich zögerte nicht einen Moment.
„Ja, das schaffe ich!“, antwortete ich überzeugt.
„Dann ist es abgemacht! Du wirst diese Beschläge als Gesellenstück schmieden. Ich werde dem Zunftmeister Bescheid sagen und morgen auch dem Abt meine Aufwartung machen. Ich denke, es wäre gar nicht schlecht, wenn ich die Tür für St. Annen stifte.“, bestimmte Meister Timm.
„Für einen Sünder wie mich wäre diese Stiftung sicher von Vorteil… später, wenn ich vor unseren Schöpfer treten muss!“, strahlte mein Meister und schaute sich die Zeichnung von mir noch einmal an.
„Du wirst einen Zuschläger brauchen. Wenn du möchtest, werde ich diese Aufgabe übernehmen. Hierbei wird dir keiner der anderen Lehrlinge helfen können.“
„Es wäre mir eine Ehre!“, antwortete ich begeistert, denn dies war bis eben der Schwachpunkt meiner Planung gewesen. Außer dem Meister war auch mir niemand eingefallen, dem ich diese Aufgabe hätte anvertrauen können.
Am nächsten Tag nahm ich mir frei, weil ich an der Tür Maß nehmen wollte. Der Tag hatte bedeckt angefangen, versprach aber trocken zu bleiben. Eine Stunde strammen Gehens ließ mich mein Ziel erreichen. Ich stand auf dem Platz vor der Kirche und betrachtete die Proportionen noch ein Mal. In Gedanken machte ich noch ein paar kleine Änderungen an meinem Plan, aber im Großen und Ganzen stand der Entwurf.
Ich nahm mein Tuch hervor, breitete es auf dem Boden vor der Tür aus, nahm meinen Maßstab und fing an, die Maße der Tür auszumessen und in meinen Plan einzutragen. Ich nahm mir viel Zeit, denn ich wollte nichts vergessen.
Ich kniete gerade vor meinem Tuch, als plötzlich neben mir zwei Paar Füße standen.
„Was machst du da?“, fragte eine hohe Stimme.
Ich blickte auf und schaute in die Gesichter von zwei jungen Mädchen, die vielleicht in meinem Alter waren. Die eine blond, die andere rothaarig. Beide waren einfach, aber sauber gekleidet und trugen ihr Haar offen unter einer Haube, die zeigte, dass beide noch nicht verheiratet waren.
„Ich nehme Maß von der Kirchentür. Die Beschläge müssen erneuert werden und damit alles richtig passt, muss ich zuvor alle wichtigen Details berücksichtigen!“, antwortete ich freundlich.
„Du bist Jonas, der Lehrling von Meister Timm!“, stelle die junge, blonde Frau fest.
Irritiert stand ich auf und schaute sie an.
„Ja, der bin ich. Kennen wir uns?“, fragte ich neugierig.
Sie stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor mir und schaute mich aus unschuldigen Augen an.
„Nein, leider nicht!“, sagte sie leise und benetzte ihre schönen Lippen mit ihrer Zunge, während sie mich einmal von oben nach unten inspizierte.

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