Verlassene Gebäude

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Verlassene Gebäude

Verlassene Gebäude

Bärenpfötchen

Die tief stehende Sonne behindert den Straßenverkehr am Nachmittag enorm. Ich beschließe, eine Abfahrt eher von der Autobahn abzufahren und lieber den Umweg über die Dörfer in meine Heimatstadt zu nehmen, als mit 30 km/h über die Piste gen Norden zu kriechen. Meine Eltern sitzen im Flieger in die Staaten und ihrem Haus, auf das ich in den nächsten drei Wochen aufpassen soll, würde es vermutlich nichts ausmachen, wenn ich erst eine halbe Stunde später kommen würde.
Ich staune, wie die kleinen Ortschaften sich verändert haben und überlege, wie lange es her sein mag, dass ich diese Strecke gefahren bin. Seit ich meinen Mann kennen gelernt und nach Süddeutschland gezogen war, kam ich nur selten in diese Gegend, meist zu größeren Familienfesten oder einfach, um meine Eltern zu besuchen.
Die Bundesstraße führt an einem Industriegebiet vorbei und ich blinke spontan, um links abzubiegen, ohne genau zu wissen, was ich dort will. Die meisten Fabrikgebäude haben ihre Werktore geschlossen, denn es ist weit nach Feierabend. Die Hitze des Tages hat etwas nachgelassen und ich schließe mein Dachfenster, weil der Fahrtwind mir zu kühl wird.
Mein Blick fällt auf das Freizeit-Center, in dem meine Schwester und ich früher regelmäßig Tennis spielten. Der Eingang ist jetzt kaum zu sehen, weil die Sträucher, die den Weg einst säumten, diesen nun überwuchern. Offenbar spielt hier längst niemand mehr Tennis. Ich parke am Seitenstreifen und steige aus meinem Volvo. Das möchte ich mir näher ansehen. Irgendwie habe ich eine Schwäche für verlassene Gebäude.
Die Eingangstür gibt den Blick auf die Innentreppe ins Untergeschoss frei. Der grüne Teppich mit den grauen Karos ist entfernt worden. Reste kleben noch an den Stufen, ein Karton mit Fliesen steht mitten im Weg. Am schwarzen Brett neben dem Eingang, hängen noch ein paar vergilbte Zettel und einige Plakate, die auf längst vergangene Aktionen hinweisen.
Ruckartig drehe ich mich um. Mir ist ganz seltsam zumute.
Als ich zurück zu meinem Auto gehe, sehe ich das Hotel auf der anderen Straßenseite. Ein lang gezogenes zweistöckiges Flachdachgebäude, hufeisenförmig gebaut. Hier hat meine beste Freundin Kati vor acht Jahren ihre Hochzeit gefeiert. Damals war das Hotel gerade neu und sehr modern. Inzwischen war der Betreiber schon mindestens drei Jahre pleite. Ein Nachfolger hatte sich bisher nicht gefunden. Ich mache mich auf den Weg über den großen Parkplatz, um auch hier durch die Scheiben zu gucken. Obwohl nirgends ein Schild steht, dass dies verbietet, habe ich das Gefühl, etwas zu tun, was nicht erlaubt ist. Zwischen den Steinen auf dem Parkplatz wächst das Unkraut ungehindert und die Heckenrosenbüsche in den Beeten rund um das Haus, breiten sich ungehindert aus. Trotz der Trockenheit des Sommers blühen die Rosen in bunter Pracht. Anders als bei so einer verwitterten Tennishalle, würde es bei einem so relativ neuen Gebäude vermutlich einen Verwalter geben, der sich darum kümmert, dass diese großzügige Anlage nicht dem Verfall ausgeliefert ist. Tief in diese Gedanken versunken gehe ich auf den Haupteingang an der Stirnseite des Hotels zu. An der Tür kleben Aufkleber verschiedener Reiseveranstalter und Organisationen, sowie eine Auszeichnung vom ADAC. Das ist wohl Vergangenheit, denke ich und springe erschrocken zurück, als die kleine rote Lampe über der automatischen Tür mich erkennt und sich, wie im Supermarkt, wenn die Kunden mit ihrem Einkaufswagen näher kommen, plötzlich öffnet!

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