„Wohin ich auch gehe, ich gehe allein und bin es nicht. Über Kältebänke steige ich nach oben zu meiner Insel und schon falle ich in meinen Blutkreislauf, der mich pumpend in den Teil des Hirns transportiert, wo die Erinnerung sitzt und auf mich wartet. Ich schwappe ihr zu Füßen, mein Herz läuft über und ich löse mich auf in Sehnsucht. An ihn zu denken geschieht ohne mein Wollen. Um es ungeschehen zu machen, müsste man mir den Schädel aufschlagen, gegen die nächste Betonwand knallen, damit er aufbräche wie eine Nuss und hineintreten in den Brei aus splitternder Vergangenheit. Ich wünschte, man nähme mir das Herz bei lebendigem Leib heraus und legte anstelle des Muskels einen Kiesel hinein. Eine Hand, die drüberstreicht, bis Haut sich unversehrt über Wunden schließt. Tiefgefroren und weit weg von allem, was noch lebendig glüht, würde ich vielleicht Ruhe finden. Wann werde ich ihn jemals vergessen– ihn? Aber er geschieht einfach und sein Rücken wirft lange Schatten. Den Kopf an seine Schulter legen möchte ich, die warme Stimme schlürfen, bis sie flüsternd im schwülen Sumpf meines schwellenden Geschlechts verklingt. In seine Eingeweide greifen und mich in brodelndem Blut suhlen, bis es keine Richtungen mehr gibt. Das Echo ausgehauchter Grausamkeiten bohrt tief in meine Haut und frisst sich schmatzend durch zur Seele. Der zärtlichen Worte Abwesenheit dröhnt in meinen Ohren, die Hände suchen zwischen den Beinen nach der einen Wunde, die sich niemals schließt. Er fehlt mir. Doch Bruno sieht nicht mehr die Worte hinter den Worten. Er ist auch nicht mehr zwischen den Zeilen und über den Sätzen. Bruno ist tot. Wir liebten und hassten einander. Wir durchschauten uns. Ich biege die Gerade nach unten. Beide Pole liegen dicht beieinander. Sie berühren sich, sie stoßen sich ab. Die Reibung erzeugt Wärme, die sofort erkaltet, trennt man sie voneinander. Wie würden Sie eigentlich Menschlichkeit definieren?“ Dipl. Psych. Gerold starrte auf den hohen, kastanienbraunen Scheitelansatz seiner Patientin. Frau König hatte heute die zweite Sitzung bei ihm und seit einer Woche dachte er ununterbrochen daran, sie zu vögeln. Er konnte nicht aufhören damit und malträtierte seine erogenen Zonen in jeder freien Minute. Ob er das dem Supervisor beichten sollte? Dass er einen Ständer bekam, wenn Frau König mit dieser eigentümlichen Intonation zu erzählen begann und ihre dunkle Stimme Urängste und Sehnsüchte in ihm weckte, dass er sich am liebsten winzigklein gemacht und schnurrend an die Brust seiner bezaubernden Patientin geschmiegt hätte? Und dass er kurz darauf in Lust ertrank, sie zu umarmen, sie sich völlig einzuverleiben? Von ihr genommen zu werden? Sie auszustopfen, während ihre Fingernägel in seinen kreisenden Hintern und sein entzündetes Hirn bohrten? Den Gedanken, ihre sicherlich dunkelgelockte, glitschige Muschi mit steiler Zunge zu beackern, konnte er nicht einmal ansatzweise streifen ohne auch schon keuchend seine Sackladung in die Unterhose zu leeren. Frau König hatte glänzendes, schulterlanges Haar und ein klassisches Profil. Sie trug schmale Röcke und enganliegende Oberteile. Sie roch gut. Ihr Duft hatte sich in Gerolds Regio olfactoria eingenistet. Wenn er von ihrem Mund auf die Möse schließen durfte, musste diese schwungvoll gezeichnet und volllippig sein. Dem von ihr beantworteten Fragebogen konnte er entnehmen, dass sie noch keine Schwangerschaft durchlebt hatte, was ihn als potentiellen Erzeuger ungemein beruhigte.
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