Victoria am Samstag

Geschichten vom Anfang der Sehnsucht

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Victoria am Samstag

Victoria am Samstag

Stayhungry

Sie zog es über und brachte kurz ihre Frisur in Ordnung. Derart gestylt zog sie schwarze Sandalen mit ordentlichen Absätzen an, griff zu ihrem peppigen Trolley und verließ die Wohnung in Richtung des nahen Einkaufszentrums. Ja, Slip und BH sparte sie sich und Buttplug und Liebeskugeln blieben, wo sie waren. Am nächsten Straßenblock erreichte sie die Arkaden des Einkaufszentrums und schritt mit festem Blick in das spiegelnde Glas die Schaufensterfront ab, die Sonnenbrille auf den Kopf geschoben für einen ungetrübte Sichtung. Ihr Sommerkleid saß perfekt und für alle ersichtlich trug sie keinen BH, so dass ihre harten, dunklen Nippel sich attraktiv in ihrer Oberweite reckten. Dass sie auch keinen Slip trug, blieb nur dem flüchtigen Beobachter verborgen, denn ihr tiefschwarzer Venushügel schimmerte schon ein wenig durch das feine Tuch des dünnen Kleides. Würde es niemand bemerken? Das wäre doch schade! lachte sie in sich hinein. Egal, ob sie in seidig matt schimmernder Jeans mit dick besohlten Boots, in Jeans, T-Shirt und Cowboystiefein oder einfach in Jogginganzug und Sneakers hier entlanglief, immer prüfte sie auf dieser Teststrecke, wie ihr Auftreten wirkte. Wenn sie dann einschwenkte in den Eingangsbereich des Einkaufszentrums, wusste sie stets, es war alles perfekt.

Unter den schon relativ vielen Kunden im Supermarkt genoss sie ihren Auftritt. Nun wäre vielleicht ein lässiger, nicht allzu stylischer Freizeitstyle besser gewesen, um einen unkomplizierten jungen Mann auf sich aufmerksam zu machen und unauffällig anzusprechen, so sportlich oder Jeanstyp, vielleicht sogar ein bisschen Rockerin oder Heavy Metal Babe. Aber Eleganz gefiel ihr eben auch und Kleider machten Leute! So konnte sie immer wieder in eine Identität schlüpfen, die ein wenig anders war, so wie sie selbst immer ein wenig anders war, als manche sie sehen wollten. Es war schon auffällig, welch unterschiedliche Typen man mit einem wechselnden Outfit an Land ziehen konnte. Wichtig war aber, sich in Neuland zu bewegen, kennen durfte einen niemand, sonst war dem Auftritt mit spöttischen Kommentaren schnell die Wirkung entzogen. Eine Clique konnte auf liebevolle Weise grausam sein und meinte dabei, es sei ein Gefallen, jemanden mit jovialem Spott zu erden. So zog sie es immer wieder mal vor, allein auf die Jagd zu gehen oder diese wenigstens in ihren Tagträumen zu durchleben. Denn dann konnte sie atemberaubend wirken ohne besagte Entzauberung oder schlimmer noch stutenbissige Neidanfälle zu riskieren. Und in dieser Stimmung war ihr eine bei Männern den Atem beengende Wirkung im Auftritt ungleich wichtiger als der wiederkehrende Versuch sympathische Frösche zu küssen. Ja, Victoria liebte ihre sinnlichen Tage allein.

Im Supermarkt nun genoss sie jede Bewegung, in der sie sich innerlich stimulierte, beim Bücken, beim Recken, beim lässigen Catwalk mit ihrem stylischen Trolley durch die Gänge der Regale im Supermarkt. Nicht jeder Mann hier erstarrte, aber begehrliche Blicke erntete sie reichlich, verstohlene an der Seite ihrer Gattinnen und unverhohlene von solchen, die allein den Einkauf tätigten. Nur den übernächtigten Sixpack-Käufern entgingen ihre Reize, was sie nicht bedauerte.

*

Ist Ihnen nicht gut? fragte Herr Fuhrmann besorgt. Victoria stand an die Sichtschutzwand des Entsorungsbereichs der Wohnanlage gestützt und atmete schwer. Hätte er ihr nicht direkt mit besorgter Miene ins Gesicht geblickt, sie hätte ihn vielleicht gar nicht gehört. Verdammt, so gut war die Idee mit dem Einkaufsbummel bei gefüllten Liebeslöchern doch nicht gewesen! Denn was noch den Bezahlvorgang an der Kasse zum sinnlichen Erlebnis machte, uferte beim Nachhauseweg zum Beinahe-Malheur aus: die Wellen der Lust kamen in kürzerer Folge, wurden immer intensiver und jetzt, so kurz vor dem Ziel, bahnte sich ihre Ekstase an, mit der sie in dieser Heftigkeit nicht gerechnet hatte. Nur wollte sie nicht hier am Container ihre Lust hinausschreien, so weit ging ihr Hang zur Zeigefreudigkeit dann doch nicht!

Herr Fuhrman hatte seinen Karton mit Papier und den Müllbeutel abgestellt und reckte ihr hilfreich die Hände entgegen, ohne sie anzufassen. Victoria lächelte verkniffen. Danke, Herr Fuhrmann, geht schon!Frauensache, sie verstehen? Ja, ja, bemühte er sich zu versichern und vor Victorias innerem Auge sah sie, wie er sich ekelte vor der monatlichen Blutung, die meist auch für Männer ungemütliche Folgen im Zusammenleben hatte, nicht nur im Bett. Es hatte nur so ausgesehen, als kippten Sie um, bemühte er sich zu erklären. Manche Frauen trinken gern zu wenig, gab er sich vorsichtig belehrend. Ja, stimmte sie ihm zu, ich weiß, aber das ist es nicht. Nun hatte sich ihre Lust so weit zurückgezogen, dass eine Eruption nicht mehr drohte und ihr Atem sich beruhigte. Aber Gefallen an einem erotischen Spiel hatte Victoria doch. Herr Fuhrmann, jetzt muss ich sie doch mal was fragen! Mir ist aufgefallen, dass Sie mich immer ein bisschen intensiver ansehen, als das unter Nachbarn so üblich ist. Hat das einen besonderen Grund? Das war ein Volltreffer, denn er zuckte ordentlich zusammen und schoss hochrot an. Dabei hatte sie noch gar nicht erwähnt, dass sie ihn mindesten einmal entdeckt hatte, als er ihr beim Masturbieren vor dem offenen Fenster zugesehen hatte. Und sie hoffte sehr, dass dies nicht das einzige Mal gewesen wäre, sie ihn die anderen Male eben nur nicht bemerkt hatte.

Hastig kramte Herr Fuhrmann sein Smartphone hervor, fummelte nervös auf dem Display herum und zeigte ihr dann ein Video von Daria Zaritskaya. Die war nun so ein Typ wie Victoria, lange schwarze Haare, schlank und Beine bis zum Hals! Nur trug die beneidenswert teure Designerklamotten und sang mit kraftvoller, außerordentlich guter Stimme. Die Männer mussten knien vor ihr! Oh, Herr Fuhrmann, jetzt schmeicheln Sie mir! Aber stimmt, sie ist mir im Typ ähnlich. Nur, diese aufreizenden Posen in den Musikclips, also das hat jetzt nichts mit mir zu tun, Sie Schlimmer! Noch ein Volltreffer, denn der arme Kerl fühlte sich als heimlich geifernder Voyeur, weil er diese Clips gut fand, die ja wirklich tolle Rocksongs einer Rockröhre zeigten. Und er wusste ja auch, wovon er nicht wusste, dass sie es wusste, dass sie sehr wohl diese aufreizenden Bewegungen vollführte, wenn sie sich stimulierte und ihre ekstatischen Ausbrüche erlebte.

Victoria hatte sich wieder so weit gefangen, dass ihr ein würdevoller Abgang ohne Zuckungen und schweren Atem möglich war. Sie verabschiedete sich sehr freundlich von Herrn Fuhrmann, genoss seinen schmachtenden Blick und war sich sicher, er sah ihr noch lange auf den Hintern. Ein kurzes Lachen zurück über die Schulter ertappte und belohnte ihn für sein ehrliches Interesse. Der Weg über die eine Treppe hoch in die Wohnung war schon schwieriger zu bewältigen mit den wieder aufkommenden heftigen Regungen ihres Unterleibes und kaum durch die Tür getreten, eilte sie an ihr Nachttischchen. Jetzt musste der Womanizer ran. Sie warf sich aufs Bett, raffte ihr Kleid hoch zu ihren Brüsten und legte den Klitorisvibrator auf. Kaum hatte sie begonnen, mit der Linken ihre Brüste zu massieren, stellte sich schon der Erfolg dieses genialen Spielzeugs ein. Schnell, intensiv und heftig zuckend kam sie mit weit gespreizten Schenkeln und ihrem Blick auf ihre Lust im Spiegel des Kleiderschranks. Oh Gott, war das eine Lust!

*

Es dauerte nun schon ein wenig länger, bis Victorias nach diesem heftigen Ausbruch der Ekstase wieder zu Atem kam. Eine Weile noch sah sie im Liegen aus dem Fenster, doch kein Nachbar war zu entdecken, der sie sich so sexy darbietend beobachtete, auch nicht Herr Fuhrmann. Ihr Inneres drückte und so begab sie sich ins Bad, zog Plug und Kugeln aus ihren Liebeslöchern und legte sie nach der Reinigung wieder zurück in die Schublade des Badschranks. Victorias Gefühlslage war eine eigenartige Mischung aus tiefer Befriedigung und der Tristesse nach dem Kleinen Tod. Der erlag sie üblicherweise nicht, doch derzeit drifteten ihre sinnliche Hochstimmung und ihre Beziehungslosigkeit arg auseinander. Nun hatte sie keinerlei Problem damit, allein zu leben. Sie fühlte sich nicht einsam in ihren Stunden allein. Aber die Lust an sich selbst war eben etwas anderes als die intime Vereinigung mit einem Mann, heißes Fleisch in heißem Fleisch! Und den Griff kräftiger Arme in der Leidenschaft konnte sie sich eben nicht ersetzen. Nur war sie nach den letzten Erfahrungen mit Männern nicht sehr empfänglich für eine neue Liebe. Sie hatte genug von diesen, manchmal erweiterten Drei-Monats-Beziehungen, ein Monat für Kennenlernen, einen für Beziehung und einen für Trennung. Und dann diese Dramen danach! Da sie gut aussah, klammerten die gewogenen und zu leicht befundenen Lover oft ordentlich, was sich auch im Umfeld als belastend erwies. Derartiges war ihr fremd. Selbst als sie einmal abserviert wurde, war sie dem Kerl fast dankbar. Denn sie hatte ja auch gespürt, dass es nicht wirklich passte, nur da wollte sie eben mal länger durchhalten als üblich. Ja, sie sehnte sich nach Haut, Atem, Blick und Berührung eines Mannes!

Victoria wollte Selbstverständlichkeit. Das waren nächtelanges Quatschen genauso wie langes gemeinsames Schweigen, das Ruhe schaffte und nicht gleich die Beziehung in Frage stellte. Sie wollte mit ihm liegen und ihn riechen und die Lust sollte sich nicht nur im ekstatischen Höhenflug äußern, sondern auch und immerwährend in der alltäglichen Berührung. Er sollte da sein, ohne dass sie seiner auch nur ansatzweise überdrüssig wurde. Irgendwo da draußen müsste er doch sein, dieser athletische Kerl mit den schwarzen Locken, dem kantigen Gesicht, das immer ein sanftes Lächeln zierte, nachdenklich wie ein Philosoph, mit kräftigen, bestimmenden Armen im Tango wie im Liebesakt, wenn seine Faust ihren Nacken in die Kissen drückte in der animalischen Begattung. So ungefähr genau müsste er sein, der, der noch gebacken wurde für sie, irgendwann. Nein, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Phantasien waren etwas Wunderbares, und darunter wollte sie sich keinesfalls zufriedengeben!

Mit diesem Vorsatz gefasst für den Rest ihres jungen Lebens, stand sie auf und ging zur Küchenzeile. Sie belegte ein Baguette mit Ziegenkäse, schob die beiden Hälften in das Backrohr und richtete frische Tomaten mit Basilikum, Olivenöl und Zitrone auf einem Teller an.

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