Er ging am nächsten Tag nicht noch einmal zu Maria, obwohl es ihn gar nicht so sehr gestört hatte, dass sie gar nicht das liebliche Mädchen war, für das sie sich ausgab. Er hatte nämlich Sokuntha kennengelernt. Sokuntha war eine echte Frau, da gab es keine Zweifel, das wusste er, bevor sie nachts nebeneinander im Bett lagen und er sich im Detail überzeugen konnte, dass an ihr nichts Männliches war. Sokuntha hatte er auch erst wieder am Abend in einer Bar in Victoria Hill kennengelernt. Am Vormittag war er mit dem Tuk-tuk in die Stadt gefahren, durch die Straßen gepilgert, hatte einen Markt besucht und war dann an dem großen, ausgedehnten Strand entlang gelaufen. Es hatte ihm nicht sehr gefallen und auch das Mittagessen in einem der kleinen Strandrestaurants hielt einen Vergleich mit dem Seaview nicht stand. Der Fisch war trocken, versalzen und zu stark gegrillt, die Krabben ziemlich mickrig, die Muscheln rochen verdächtig, er ließ sie liegen. Am späteren Nachmittag war er die Treppen zum Meer hinab gestiegen und das nachgeholt, was er sich am Vortag vorgenommen hatte. Er schwamm sehr lange, lag im Schatten, las ein Buch, das er sich vorsorglich mitgenommen hatte. Als sich die Sonne dem Horizont näherte, suchte er wieder das Seaview auf und kompensierte die Enttäuschung des Mittagessens. Beschwingt nahm er sich vor, diesmal nicht auf einen Ladyboy hereinzufallen und landete in der Draft Bar. Es war eines der einfacheren Etablissements, wenn man es freundlich umschreiben will. Drei Räume, in dem einen die Theke, in dem anderen ein Billardtisch, im Dritten ein paar Tische und Sitzgelegenheiten. Die Wände waren voller Graffiti, das Licht dunkelrot, die Musik laut und nichtssagend. Er blieb unschlüssig in der Eingangstür stehen. Sollte er hier ein Bier trinken oder doch lieber wo anders? Doch das Mädchen hinter der Theke hatte ihn schon erspäht, sie war besonders klein, dafür besonders vif und sehr schnell. One beer? Das Bier in Victoria Hill war sehr gut und vergleichsweise billig. Sie stellte das gefüllte Glas auf die Theke, neben das von Sokuntha und dann saß er neben Sokuntha und dort blieb er den ganzen Abend sitzen und alles andere ergab sich. Sokuntha sprach einigermaßen Englisch, sodass ein Gespräch zustande kam. Sie redeten über dies und das und tranken eifrig Bier. Sokuntha konnte anscheinend eine Menge vertragen und auch er hatte nach dem langen Tag großen Durst. Mit Sokuntha in Kontakt zu kommen war einerseits ganz einfach, sie war durchaus aufgeschlossen und zu nichts abgeneigt, wie er im Laufe der Zeit merkte. Andererseits war es dennoch schwierig, denn neben ihr saß eine Freundin und die war lesbisch, wie er später erfuhr. Sie versuchte sich immer in die Unterhaltung einzumischen, obwohl sie kein Wort Englisch sprach. Sokuntha sollte übersetzen und als sie merkte, wie er und Sokuntha sich unaufhaltsam näher kamen, fing sie an, ganz heftig an ihrer Freundin herumzufummeln. Sie legte ihren Arm um ihre Schulter, gab ihr Küsse auf die Wangen, dann versuchte sie auch ihren Mund zu küssen und schließlich begann sie ganz unverhohlen an ihren Brüsten herumzuspielen, bis es Sokuntha zu bunt wurde, ihr einen Klapps auf die Finger gab und auf sie ein schimpfte. Beleidigt verließ die Freundin den Platz an der Theke und suchte sich eine andere Genossin für ihre Spielchen. Jetzt hatte er freie Fahrt und legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie reagierte, indem sie die ihre auf seinem Oberschenkel platzierte. Dann war auch schon sein Gesicht ganz nah an ihrem und er flüsterte ihr schöne Worte zu, insoweit ein Flüstern bei dem Geräuschpegel überhaupt Sinn machte, aber sie war ganz offensichtlich angetan. Schließlich wollte er mit ihr tanzen, merkte aber, als sie nebeneinander standen, wie klein sie war. Sie reichte mit ihrem Kopf knapp an seine Brustwarzen. Sie tanzten dennoch, eng umschlungen, dicht aneinander gepresst. Kaum waren sie fertig und setzten sich wieder an die Theke, kam die lesbische Freundin und Sokuntha tanzte auch mit ihr. Wieder ganz eng umschlungen, besser gesagt, die Freundin klammerte sich wie eine Ertrinkende an Sokuntha und die konnte nur hilflose bedauernde Blicke aussenden, aber dann war die Musik zu Ende und die beiden Frauen lösten sich voneinander und er sah, hören konnte es er nicht, weil neue Schallwellen durch den Raum waberten, dass Sokuntha heftig auf ihre Freundin einredete, bis diese zornig und mit Tränen in den Augen fortging und im Verlauf des Abends auch keine weiteren Versuche einer erneuten Annäherung mehr machte. Sokuntha kam zurück zur Theke, wo ein frisches Bier auf sie wartete, und setzte sich wieder neben ihn. Sie war entrüstet wegen des Verhaltens ihrer Freundin und beteuerte ein ums andere Mal, dass sie keineswegs lesbisch sei, ganz bestimmt nicht, dass sie diese Kontakte aber manchmal zulassen würde, weil es in der Bar oft langweilig war, wenn keine Männer auftauchten und es sei ja nun doch ihre Freundin und er solle das Ganze nicht so Ernst nehmen. Dann prosteten sie sich zu. Es waren in der Tat fast nur Mädchen in der Bar, manche spielten Billard, andere redeten, einige tanzten zusammen, auch die lesbische Freundin hatte eine andere Partnerin gefunden, schielte aber immer wieder eifersüchtig und böse zu ihm hin. Den Verlust ihrer Freundin, die offensichtlich ihre liebste Gefährtin war, konnte sie einfach nicht verwinden. Sokuntha kannte alle Mädchen, denn auch sie war hier Stammgast, kam fast jeden Abend her, und weil es oft sehr langweilig war, trank sie viel zu viel, wie sie ihm später gestand. Sie blieb nicht lange an seiner Seite, gerade lange genug, um das Bier auszutrinken, dann musste sie noch etwas mit den Mädchen in der Bar klären, wie sie ihm kurz zu verstehen gab. Sie war auf der Suche nach einer Haarspange, die sie am Vortag liegengelassen hatte. Diese war verschwunden und sie nahm an, dass ein anderes Mädchen sie geklaut hatte. Es sei zwar nur eine billige Haarspange, sagte sie, aber sie hänge an ihr, eine Spange mit hohem Erinnerungswert. Er vermutete, dass sie wohl von einem Liebhaber stammte, von denen sie vermutlich einige gehabt haben dürfte. Doch das störte ihn nicht sonderlich. Ihre Vergangenheit interessiert ihn nicht allzu sehr. Mehr schon die Antwort auf seine Frage, ob sie in sein Hotel mitkommen wolle. Die Antwort war klar und nicht lange danach konnte er sich überzeugen, dass an Sokuntha wirklich alles weiblich war.
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