Die Vogelmaske

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Die Vogelmaske

Die Vogelmaske

Daniel Mylow

Die Vorhänge bewegten sich leicht im Wind. Auf ihrem Gesicht lag für einen Moment der Hauch des nahen Regens. Sein Atem fuhr über ihre geöffneten Lippen. Sie schlug die Augen auf. Eine Träne hing matt schimmernd zwischen ihren langen Wimpern. Es war später Nachmittag. Sie sah ihn an wie einen Fremden.
" Du hast geschlafen?" fragte er.
Sie antwortete nicht. Minutenlang saßen sie unbewegt im dunklen Schweigen des Hotelzimmers, umschattet von den Lauten des Nachmittags. Plötzlich begann sie zu sprechen.
"Jedes Mal, wenn ich mich auf deinen dämlichen Geschäftsreisen schlafen lege, habe ich diesen Traum. ich habe dir nie davon erzählt. Ich dachte, das würde alles nur noch schlimmer und schlimmer machen, verstehst du?"
"Erzähl mir davon, bat er. Angespannt blieb er auf der Bettkante sitzen. Er spürte die Hitze ihres Körpers. Unter dem dünnen Laken, das sie um ihren Körper geschlungen hatte, zeichneten sich ihre erregten Brustwarzen ab. Ihre Stimme war ein dünner Faden, der sich in ihren Traum spannte.
"Ich weiß nicht mehr, wie ich in dieses Zimmer gekommen bin. Irgend jemand muss mich dort hingebracht haben. Ich glaube, es war so eine Art Ballsaal, mit hohen Vorhängen vor den Fenstern und riesigen Spiegeln an der Wand. Aus dem Nebenraum konnte ich Stimmen hören. Ich fühlte mich so schrecklich allein, so verlassen. Es war ziemlich dunkel und ich bemerkte plötzlich, dass ich vollkommen nackt war. Ich wollte mich irgendwo verstecken, aber der ganze Raum war vollkommen leer, es gab nicht einmal Stühle oder Tische. Ich hatte das Gefühl, dass ich beobachtet wurde. Es fing an zu regnen. Ich konnte den Regen draußen auf dem Asphalt hören und wie er alles weicher und durchsichtiger machte, so wie früher, wenn ich als Kind wach gelegen hatte oder nachmittags am Fenster saß und in den Regen starrte. Ich fühlte mich dann immer geborgen und hatte große Sehnsucht nach etwas, für das ich keinen Namen wusste. Ich weiß nicht mehr wie lange ich da so stand als wäre ich gelähmt. Es war sehr heiß. Ich wollte ein Fenster öffnen, da ging plötzlich die Tür auf. Eine ganze Reihe von Männern, ich glaube, es waren mindestens zehn oder elf, trat durch die Tür auf mich zu. Sie waren alle nackt. Ihre Gesichter konnte ich nicht sehen, weil sie schwarze Vogelmasken trugen. Sie bildeten einen Halbkreis um mich. Niemand sagte etwas. Ich war erstaunt, dass ich keine Angst hatte. Mein ganzer Körper fing an zu zittern und ich spürte die Blicke der Männer unter den Masken auf meiner Haut vibrieren. Es erregte mich, und ich glaube sie spürten das. Einer der Männer, ein großer und breitschultriger Mann mit grauen Brusthaaren bekam eine Erektion und wie durch ein unsichtbares Zeichen ging er auf mich zu. Er nahm mich an die Hand und führte mich zu einem der bis an den Boden reichenden Fenster. Ich hörte, wie die anderen Männer uns folgten, hörte das leise und beharrliche Scharren ihrer Füße auf dem staubigen Parkett. Der Mann war sehr zärtlich zu mir. Er nahm meine Hand und führte sie an seinen Penis. Ich spürte ihn wie ein warmes weiches Tier in der Höhlung meiner Hände, so lange bis sich mein Körper nach ihm sehnte. Ich drehte mich um, spreizte die Beine und stützte mich mit den Händen auf das Fensterbrett. Sehr sanft und unendlich langsam drang er in mich ein. Seine Hände blieben an seinem Körper, er berührte mich sonst nirgends. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er die ganze Zeit in mich eindrang. Er bewegte sich auch nicht, ich spürte nur ein leises Pulsieren zwischen meinen Beinen. Ich
hatte die Augen geschlossen und hielt sie noch immer geschlossen, als ich ihn nicht mehr spürte. Plötzlich berührte mich jemand mit seiner Zunge. Ich erschauderte und meine Beine fingen an zu zittern, als ich die Zunge an den Innenseiten meiner Schenkel spürte, fühlte wie sie meine Schamlippen küsste und mich wie ein feuchter weicher Finger erkundete. Ich öffnete die Augen. Der Mann lag unter mir auf dem Boden. Zwischen seinen angezogenen Knien ragte sein steifes Glied über die Wülste seiner Bauchdecke. Plötzlich ließ seine Zunge ab von mir. Ich schloss die Augen. Ich erinnere mich, dass es sehr still war. Dann streichelte ein anderer Mann meine Brüste. Er fing an mich überall zu streicheln, bis ich stöhnte und ich ihn zu berühren versuchte. Er wies mich sanft zurück. Ich hatte wieder das Gefühl, dass sehr viel Zeit vergangen war, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Sekunden, nicht mehr, dann zog ein anderer Mann meinen Körper sanft zu Boden. Er legte sich auf mich. Ich spürte, wie er mich mit seinen Hoden am ganzen Körper streichelte, spürte nichts als die weiche faltige Haut, die über meinen zitternden Körper fuhr. Durch die Vogelmaske konnte ich seine dunklen Augen leuchten sehen. Er stand auf und ging. Meine Haut klebte und ich hatte ein Gefühl wie von tausend Nadelspitzen durchbohrt zu werden. Ein anderer Mann blieb vor mir stehen. Er hatte einen riesigen Penis. Mit einer Hand zog er mich zu sich empor. Ich presste mich an seinen Schoß und er ging mit mir durch den Saal zu einem anderen Fenster. Bei jedem Schritt konnte ich ihn spüren, aber ich war unfähig, mich selbst zu bewegen. Vor dem Fenster blieben wir stehen. Mit raschen Bewegungen führte er mich gegen seinen Körper und wieder zurück. Ebenso plötzlich ließ er mich stehen. Ich stand da und sah hinaus. ich war schockiert, als ich sah, dass die Straße voller Menschen waren. Gegenüber dem Fenster lag eine Bushaltestelle. Ein Mann stand dort unter all den Wartenden im Regen.
Er war nackt. In der Hand hielt er eine Vogelmaske. Ich konnte sein Gesicht sehen. Er sah mich an. In diesem Augenblick spürte ich, wie zwei Männer gleichzeitig in mich eindrangen. Die Vogelmasken bildeten einen Halbkreis um mich. ich ließ mich fallen und ich genoss es, dass sie mich alle nacheinander nahmen. Während der ganzen Zeit wurde ich das Gefühl nicht los, dass der fremde Mann an der Bushaltestelle mich sehen konnte. Mein ganzer Körper begann zu pulsieren, ich bekam kaum noch Luft und die Hitze im Raum schlug in heißen Wellen über mir zusammen, bis ich in so eine Art schwarzen Tunnel stürzte und nichts mehr sah und hörte. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr. ich bin jedenfalls nicht sofort aufgewacht. Es war als ob mir jemand sanft die Augen zuhielt. Und dann, dann warst du plötzlich da."
Zum ersten Mal, seitdem sie zu erzählen begonnen hatte, lächelte sie. Das Gespinst des Regens kroch über das Fensterglas. Schatten aus Regenlicht liefen über die Wände.
" Ich lass dich zuviel allein", flüsterte er.
" Dann bleib doch", sagte sie. Mit beiden Händen öffnete sie den Reisverschluss seiner Hose und zog ihm den Slip herunter. Zärtlich legte sie seinen Penis auf ihre Handinnenfläche, während sie ihn mit der anderen Hand streichelte. Nichts geschah. Er sah auf das Display des Radioweckers.
" Ich muss. Unten in der Lobby werden sie schon auf mich warten. Morgen habe ich den ganzen Tag Zeit für uns, fest versprochen. Wir reden dann später, okay?"
Umständlich zog er den Reisverschluss seiner Hose wieder zu und griff nach dem Sakko, das er beim Hereinkommen über eine Stuhllehne gelegt hatte.
" Mein Aktenkoffer ist noch unten", sagte er mit einem entschuldigenden Blick auf die Uhr. Er hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verschwand.
Über ihren Körper wanderten Mosaike aus verrinnendem Licht. Der Regen löschte die hellen Spuren aus dem Nachmittag. Es wurde immer dunkler. Ihre Glieder waren wie gelähmt. Ein fiebriges Zittern tastete über ihre Haut. Der gedämpfte Nachhall von Schritten verschwand auf den Teppichen des Hotelflurs. Sie schloss die Augen. Es war, als würde irgendwo im Zimmer jemand atmen. Angestrengt horchte sie in die Stille des Nachmittags. Sie schlug die Augen auf. Jetzt war es kein bloßes Gefühl mehr, jetzt war es Gewissheit, dass noch jemand im Raum war. Angestrengt starrte sie in die überschatteten Farben der Dämmerung. Plötzlich spürte sie, wie ein warmer Hauch über ihren Nacken fuhr. Eine Hand streichelte ihre Brust. Sie ließ ihren Kopf zur Seite fallen. Vor ihr stand ein großer und kräftig gebauter Mann. Er war nackt. In der Hand hielt er eine Vogelmaske. Sie erkannte sein Gesicht. Es war der Mann aus ihrem Traum, der Mann, der an der Bushaltestelle im Regen gestanden hatte. Ihr Körper begann zu zittern. Sie wollte etwas sagen, aber sie brachte kein Wort heraus. Der Fremde sagte nichts. Er legte sich neben sie und streichelte sie mit den Fingerspitzen seiner Hände am ganzen Körper. Es war als ob er einer unhörbaren Melodie folgte. In ihr begann sich alles zu drehen. Ihr wurde schwindlig. Der Fremde bog ihre Oberschenkel sanft auf ihren Oberkörper zurück, kniete sich vor sie und drang in sie ein. Sie hörte sich stöhnen und schluchzen, ihr Körper fiel unendlich tief in riesige Wellentäler, in dunkles Schweigen und gleißendes Licht, sie fühlte wie ihre Fingernägel die Haut des Fremden aufrissen, sie fühlte den Fremden in sich wie ein rasendes Tier, einen Dämon, der ihren Körper eine endlose Treppe hinabstieß. Sein Atem blies in ihr Haar, sie spürte wie ihre Zähne in seinen Hals, seinen Oberkörper fuhren, bis sie Blut zwischen ihren Lippen schmeckte. Sie hörte sich schreien, und dann war es vorbei. Ihr Körper trieb wie auf öligen Wellen dahin. Das Rauschen in ihren Ohren verstummte. Der Fremde war gegangen und er hatte ihren Körper mitgenommen. Sie lag auf dem Hotelbett, aber von ihr war nichts geblieben als das Zwielicht zerfallener Schatten, das ihr Körper in die Laken gepresst hatte. So fest wie es ging schloss sie die Augen und presste die Fäuste auf ihre Lider, wie um diesen Traum nicht entweichen zu lassen, der unter ihren Wimpern immer regloser wurde. Sie versuchte aufzustehen. Ihr wurde schwindlig. Plötzlich trat ihr Fuß auf etwas, das am Boden gelegen hatte. Als sie es aufhob, blickte sie in das leblose Antlitz der Vogelmaske.

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