Vom Preis für‘s Überleben

Margot – Eine Geschichte unter vielen in ihrer Zeit – Teil 3

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Vom Preis für‘s Überleben

Vom Preis für‘s Überleben

Svenja Ansbach

„Als dann!“ Aufmunternd schaute ich ihn an und verließ die Schreibstube.

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Drei Wochen später, der Krieg war seit einer Woche aus, stand er tatsächlich vor mir. Sein weniges Gepäck hatte er in einem Wehrmachtsrucksack geschultert. Seine Uniform hatten die Amerikaner ihm gelassen, er hatte ja keine Zivilklamotten, nur die Schulterstücke, die ihn als Oberleutnant auswiesen und seine ‚08‘ hatten sie ihm bei der Gefangennahme abgenommen. Seine Orden hingegen hatte er behalten dürfen: Winterschlacht im Osten, Nahkampfspange in Silber, EK 2, silbernes Verwundetenabzeichen und auf dem rechten Ärmel zwei Panzervernichtungssabzeichen.
Er bemerkte meinen aufmerksamen Blick und sagte mit viel Sarkasmus in der Stimme: „Ja, du hast einen Kriegshelden vor dir und das hat es mir gebracht …“ Er schaute an seinem fehlenden Arm herab. „Jedenfalls wollten die Amis mich nicht gefangen nehmen. Kein Bedarf an Krüppeln. Hilfreich war, dass ich eine ‚Entlassadresse‘ nennen konnte. Danke dafür.“
„Das war ernst gemeint, wenn du magst, bleib. Ich bewohne mit meinen beiden Jungs eine Kammer. In der dazugehörigen Wohnküche steht ein noch unbesetztes Sofa. Bevor mir da irgendwer anderes draufgesetzt wird, … ich hörte, es kommen jetzt laufend weitere Vertriebene aus dem Osten …“

Johannes blieb und machte sich bald vielfältig nützlich. Auch mit einem Arm konnte er vieles verrichten, zum Beispiel das Wasser für den Waschtisch herbeischleppen. Ich war froh, einen Mann im Haus zu haben, denn es waren unruhige Zeiten. Nachts trieb sich trotz Ausgangssperre allerlei Gesindel herum. Auch hieß es, dass die Amerikaner die Provinz Magdeburg bald räumen und den Russen überlassen würde. Da wäre ich mit den Jungs erneut auf der Flucht und dankbar für männliche Begleitung.
Aber Johannes machte sich nicht nur nützlich, sondern er erwies sich auch als belesener, geistreicher und amüsanter Mensch und er konnte auch gut mit den Kindern. Nachts hörte ich ihn oft hochschrecken, ganz offensichtlich von irgendwelchen Albträumen geplagt. Darüber sprechen mochte er aber nicht. Generell sprach er über die Zeit als Feldgrauer nicht. Nur einmal merkte er an, dass man es ja nicht wisse. Möglicherweise verdanke er den Umstand, dass er noch Leben würde, seiner schweren Verwundung im Sommer 1943, denn danach musste er nicht wieder an die Front.

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