Walpurgisnacht

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Walpurgisnacht

Walpurgisnacht

Ludique

Laszlo war ein Bild von einem Mann. Schön wie Zorro mit seinen schmalen dunklen Augen, markanten Lippen und dem Körper eines Fechters unter dem dünnen weißen Hemd. Seit er die Bar betreten hatte, zog er meinen Blick an wie ein Magnet die Eisenspäne.
„Lass die Finger von ihm!“, sagte Mia und fischte die Kirsche aus ihrem Cocktail.
„Warum?“, fragte ich.
„Er sieht aus, als ob er gern in fremden Revieren wildert.“
„Dass das nicht Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer ist, sehe ich selbst - frau kann schließlich nicht alles haben.“
„... was sie aber nicht daran hindert, alles zu wollen“, ergänzte Mia.
„Jedenfalls will ich dich nicht heulend auf dem Sofa sitzen haben, wenn ich gerade den Linguistik-Dottore von neulich darauf verführen will.“
„Du mit deinen Eierköpfen!“
„Du mit deinen Pin-up-Boys!“, parierte Mia, rutschte vom Barhocker und verschwand mit einem knappen „Weidfrausheil!* in Richtung DAMEN.
Mia hatte natürlich Recht, ich hätte es nur anders ausgedrückt. Seit jeher fasziniert mich die Ästhetik eines wohlgestalteten Männerkörpers. Oft schon stand ich in selbstvergessener Bewunderung vor antiken Torsi von Athletenkörpern und ließ meinen Blick von den muskulösen Marmorschultern über die sanft gewölbte Brust und die Wellenfläche des Bauches abwärts gleiten - und zu oft wurde ich enttäuscht, denn irgendwann in irgendeiner Epoche hatten marodierende Hunnen, eifernde Gottesmänner oder einfach nur eifersüchtige Geschlechtsgenossen den entmannenden Meißel angesetzt. Wenn andere Frauen insistierten, dass innere Werte die wahre Qualität eines Mannes ausmachten, konterte ich, dass der reine Materialwert eines Mannes wenige Euro betragen würde, eventuelle Gold-Inlays in Zähnen oder Titanschrauben in Knochen nicht eingerechnet.
Jedenfalls sah der Mann an der anderen Seite der Bar nicht so aus, als wären bei ihm schon nennenswerte Ersatzteile montiert worden. Ich stützte den Ellenbogen auf die Theke und zog mir scheinbar gedankenverloren die Haare vors Gesicht, um ihn besser beobachten zu können und den Moment nicht zu verpassen...
Den Blick zur Seite gewandt, hörte er dem Kerl in seiner Begleitung aufmerksam zu. Ohne hinzusehen griff er nach seinem Cocktail, trank einen Schluck und stellte das Glas zurück. Seine Wangen wölbten sich nach innen, als er zum letzten Mal an seinem Zigarillo sog, bevor er sich zur Bar drehte und es im Aschenbecher ausdrückte – und dann sah er hoch. Unsere Blicke trafen sich, verhedderten sich einen Lidschlag lang, dann schlug ich die Augen nieder und senkte die eine Schulter ein wenig, gerade genug, um den schmalen Träger meines Tops herunterrutschen zu lassen; scheinbar zufällig und ganz unschuldig und doch viel subtiler und effektvoller, als der kürzeste Rock oder das tiefste Dekolletee je wirken könnten.
Einen Moment wartete ich, dann streichelte ich den Träger langsam auf meine Schulter zurück und nahm wieder Blickkontakt auf. Er schluckte, die Augen verengt. Der erste Adrenalinstoß schien seinen Kreislauf zu dopen. Immer noch redete der andere auf ihn ein, doch der schwarze Kater mir gegenüber hörte kaum noch zu. Er hatte Witterung aufgenommen.
Der Zufall sprang mir bei: Der sylt-gebräunte Sugar-Daddy neben mir, der seinen Barhocker mit der Stetigkeit einer Gletscherendmoräne immer näher an mich herangeschoben hatte, nutzte meine temporäre Verlassenheit, um mir etwas zu trinken anzubieten, nicht ohne den Schlüssel seines Edelbleches demonstrativ auf der Theke klimpern zu lassen. Ich schickte einen kurzen Blick in Richtung meiner Zielperson und vergewisserte mich, dass diese die beobachtete Annäherung mit düsterem Brauen-Zusammenziehen kommentierte, dann schob ich mich von meinem Hocker und schlenderte betont unschlüssig zum anderen Ende der Bar.
Ich hoffe, das überraschte Gesicht gelang mir, als Laszlo mich ansprach.
„Auf der Suche nach einer neuen Heimat?“, fragte er und schob seinen Begleiter mit einem foulverdächtigen Rippenstoß zur Seite, um Platz für mich zu schaffen. Aus den Augenwinkeln sah ich Mia die Augen verdrehen und zeigte ihr verstohlen meine zum siegreichen V gespreizten Finger.
„Ich heiße übrigens Laszlo“, sagte er. „Mit s und z. Wie Salz und Zucker.“
„Und was ist mit Pfeffer?“, fragte ich. Er taxierte mich kurz mit seinen schmalen, leicht schräg gestellten Augen und lachte.
Die Frage „Zu dir oder zu mir?“ stellte sich nicht wirklich. Männer sind fast immer bereit, sich in die Höhle ihrer vermeintlichen Beute locken zu lassen. Wahrscheinlich erhoffen sie sich frischere Bettwäsche und ein opulenteres Frühstück – oder sie sind froh darüber, im Katastrophenfall spurlos verschwinden zu können. Jedenfalls machte Laszlo unaufgefordert den Motor aus und zog den Zündschlüssel ab, als wir zwei Stunden später vor meiner Tür ankamen. Aber ich vergab ihm diese männliche Selbstherrlichkeit.
Wir küssten uns, während ich den Hausschlüssel ins Schloss fummelte, wir knutschten die Treppe hoch, seine Finger schienen überall zu sein, als ich meine Wohnungstür öffnete. Doch kaum hatte er sie mit dem Fuß hinter uns geschlossen, hielt ich seine Hände fest. Schließlich musste ich klaren Kopf bewahren – zumindest vorerst.
„It’s ladies’ night“, sagte ich und pustete zart in seinen Hemdausschnitt. Er sah mich fragend an.
„Lass mich nur machen“, antwortete ich lächelnd und tastete nach seinem Reißverschluss.
Das Spiel schien ihm zu gefallen, denn er ließ sich bereitwillig ins Schlafzimmer und aufs Bett schubsen, kaum dass ich seinen Luxuskörper von Hemd und Jeans befreit hatte. Die Hände unter dem Kopf verschränkt, lag er da und ließ seine Glimmeraugen über mich wandern, während ich mich aus Top und Rock schlängelte und dabei meine Schenkel streichelte.
„Luder “, formten seine Lippen tonlos. Ich hauchte ihm einen Luftkuss zu.
„Genieße es!“, flüsterte ich und kniete mich über ihn. Laszlo hielt die Augen geschlossen, sein Atem ging schnell und flach. Ganz langsam beugte ich mich zu ihm. Ich küsste seine Schläfe, seine Wangenknochen, zeichnete mit der Zungenspitze die Kontur seines Mundes nach. Laszlo seufzte tief und legte den Kopf zurück, während meine Lippen über seinen Hals und tiefer glitten. Sanft wie eine Katze rieb ich meine Wange an seinem Bauch, dessen Muskeln sich anspannten wie eine Bogensehne – und dann richtete ich mich auf.
Laszlo gab einen Laut von sich, als hätte er Schmerzen.
„Hör nicht auf!“, flüsterte er gepresst. Ich lächelte; schließlich hatte ich gerade erst angefangen.
„Ich denke nicht dran!“, sagte ich leise. Die Zungenspitze zwischen die Lippen geschoben, fuhr ich mit den Fingern unter den Bund seines Slips, um ihn langsam herunterzuziehen.
Er war perfekt, ganz so, wie ich es erwartet hatte: genau richtig in jeder Dimension, gerade gewachsen, nicht zu wuchtig an der Wurzel und gut aufgeformt an der Spitze; die gleichen Kriterien, die auch für einen ordentlichen Christbaum gelten.
„Wunderschön!“, hauchte ich und leckte zart über seinen Schwanz, bevor ich meine Lippen darum schloss...
Laszlo lag zusammengerollt auf der Seite, den Kopf in den Armen verborgen. Noch immer ging sein Atem stoßweise. Ich streichelte sein zerwühltes Haar, küsste seine schweißnasse Schulter und zog fürsorglich die Decke über ihn, bevor ich vom Bett aufstand. Er würde seine Zeit brauchen, um nach diesem Gipfelsturm wieder zu sich zu kommen und bereit zu sein für den nächsten Höhenflug. Aber das kam mir nur gelegen. Es dauerte etwas, die Abdruckmasse anzurühren und auf Körpertemperatur zu erwärmen; und das Material würde einige Minuten brauchen, um am Objekt auszuhärten. Doch das würde er durchstehen, da war ich mir sicher, denn den Überschuss an Lust und Libido hatte ich in der ersten Runde im wahrsten Sinne absorbiert.
***
Zufrieden lehne ich mich zurück und wische meine Hände ab. Ja, das Artefakt eines harten Fakts ist mir gut gelungen. Laszlo war zwar überrascht gewesen über meine Aktion, doch hatte er die damit verbundenen Sinnesreize durchaus erregend gefunden: meine Hände, die seinen Schwanz liebevoll mit warmem Öl salbten, damit die Haut nicht festklebte, meine Zungenspitze, die Ornamente auf seine Brust malte, um ihn im Standby-Modus zu halten, der sanfte Zug des fest werdenden Gipses... Jedenfalls hatte ich den Abdruck gerade noch retten können, ehe er über mich herfiel.
Ein letztes Mal ziehe ich das Schleifpapier über die Nahtstelle, an der die beiden Abgusshälften aufeinander treffen, und stelle meine Werk vorsichtig auf dem Tisch ab. Wohlgefällig betrachte ich es. Laszlo wird einen Ehrenplatz unter meinen Beutestücken erhalten.
Irgendwann einmal werde ich meine Kollektion der Allgemeinheit zur Verfügung stellen: dem Museum of Modern Art, dem Senckenberg-Museum für Naturkunde oder wem auch immer. Oder Archäologen werden in ferner Zukunft meine Sammlung aus den Trümmern unserer Zivilisation klauben. Staunend werden unsere genetischen Nachfolger, die die Paarung ihrer Chromosomen längst in der Petrischale vollziehen, vor den Panzerglasvitrinen mit den exponierten Phalli stehen und sich verstohlen in die Rudimente ihres Gemächtes greifen. Doch bis dahin ist noch ein langer Weg.
Die Abendsonne, die meine Kollektion auf der Fensterbank bis jetzt bronziert hat, touchiert den Horizont. Es ist der letzte Tag des April – Walpurgisnacht.
„Oh yes it's ladies’ night and it feels alright, oh yes it’s ladies’ night, oh what a night“, summe ich vergnügt. Es wird Zeit, dass ich mich optisch hochrüste. Andere Väter haben schließlich auch noch schöne Söhne...

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