Wenn aus Hass Liebe wird

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Wenn aus Hass Liebe wird

Wenn aus Hass Liebe wird

Sven Solge

„Wie kann man nur so begriffsstutzig sein?“, schimpfte Wilm Walters vor sich hin und schritt energisch über den Flur des Bürotrakts seiner Firma, indem er sich nicht die Mühe machte, seine Füße etwas weniger hart aufzusetzen.
Gerade hatte er seiner neuen Bürokraft gezeigt, wie man einen Papierstau im Kopierer beseitigt, da rief sie schon wieder um Hilfe.
Er war noch nicht mal an seiner Bürotür angekommen, als sie ihn schon zurück rief.
„Herr Walters, es klemmt schon wieder!“
Er drehte sich um und scannte diesen Wahnsinnskörper von Frau Funke erneut. Schon als er sie vor gut drei Monaten zum ersten Mal gesehen hatte, war ein Kriterium ihr Aussehen gewesen, sie einzustellen!
Und jetzt stand sie vornübergebeugt über der geöffneten Klappe des Kopierers und gewährte ihm einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté, dass es Wilm heiß und kalt über den Rücken lief.
„Sie müssen dringend einen Techniker kommen lassen!“, mahnte sie ihn erneut. „Da steckt bestimmt irgendwo ein Papierschnipsel zwischen den Antriebsrollen, den man so nicht sehen kann.“
Wilm Walters stellte sich neben sie und sog tief ihren betörenden Duft ein.
Diese Frau brachte ihn um den Verstand. Schon der Ansatz ihrer Titten hatte ihn erregt, als er zum Kopierer getreten war. Jetzt ließ ihr Duft es in seiner Hose eng werden.
Nicht mal seine Exfrau hatte es jemals geschafft ihn so durcheinander zu bringen und dabei hatte er Vera abgöttisch geliebt. Aber nach fast 15 Jahren Ehe glätteten sich die Wogen des ersten verliebt seins Zusehens und dann hatte sich Vera einen anderen Lover gesucht.
Nachdem er nochmals versucht hatte, den Kopierer zum Laufen zu bringen, gab er auf: „Dann rufen sie den Techniker, wir werden es so nicht hinbekommen!“
Schon fasst fluchtartig verließ er das Büro von Frau Funke und als er hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte stützte er seinen Kopf in beide Hände und stöhnte laut auf.
´Was hast du dir nur dabei gedacht, dieses Weib einzustellen?`, ging es ihm durch den Kopf.
-*-
Melissa Funke war sich nicht mehr so sicher, mit dem Job bei der Malerei Walters das große Los gezogen zu haben. Bei ihrem Einstellungsgespräch hatte sie so etwas wie Seelenverwandtschaft mit ihrem Chef verspürt, doch dieses Gefühl hatte sich schon nach wenigen Tagen in Luft aufgelöst.
Wilm Walters war ein Choleriker, der schon bei dem kleinsten Fehler, den sie machte, aus der Haut fuhr und sie zusammen stauchte. Und dabei machte sie kaum Fehler, nur, dass die Abläufe in ihrer vorherigen Firma anders gehandhabt wurden, als hier und sie sich erst einmal einarbeiten musste.
Bei ihrem Einstellungsgespräch hatte sie sich bewusst dezent angezogen. Ein graues Hosenkostüm sollte von ihrer Figur ablenken, bewirkte aber scheinbar genau das Gegenteil. Denn dieses Kostüm modellierte ihre schlanke Figur ohne, dass es ihr bewusst war.
Wilm Walters begrüßte sie aufs herzlichste und befragte sie nicht nur nach ihrer beruflichen Qualifikation, sondern auch ein wenig nach ihrem Privatleben, wie: `Ob sie verheiratet wäre und ob sie Kinder hätte?´
Eigentlich ging es ihn nichts an, da er aber seine Fragen sehr höflich stellte, beantwortete sie Melissa wahrheitsgemäß.
„Nein, ich bin nicht verheiratet und habe auch keine Kinder. Zurzeit habe ich auch keinen Freund, ich kann mich somit voll auf die Arbeit konzentrieren!“, ergänzte sie lachend, weil ihr die Antwort über einen Freund so rausgerutscht war.
Na dann habe ich ja noch Chancen bei ihnen!“, sagte er und beide mussten über diesen Ausspruch lachen.
Aber Melissa sah an seinen Augen, dass er das ernst gemeint hatte. Aber sie würde sich schon zu wehren wissen, es war nicht das erste Mal, dass sie von Vorgesetzten angebaggert wurde.  
Der Wartungstechniker für den Kopierer sollte sogar noch am selben Tag kommen und so war Melissa froh, ihren Chef nicht mehr sehen zu müssen.
Zwei Stunden später war der Schaden behoben und wie schon vermutet, hatte sich ein Papierschnipsel in der unteren Führungsrolle so verkeilt, dass kein Bogen Papier daran vorbei ging.
Die Tage vergingen und langsam bekam Melissa einen Überblick über den Ablauf in dieser Firma. Sie wurde immer sicherer und auch zu den angestellten Handwerkern und Malern der Firma hatte sie mittlerweile einen guten Kontakt.
Nur einer war nie zufrieden zu stellen: Wilm Walters, ihr Chef.
Er nörgelte über dies und jenes und manches Mal hatte Melissa den Eindruck, dass er sie nur ärgern wollte, um sie aus der Reserve zu locken.
Sie hasste ihn deswegen!
Wobei er ihr nicht unsympathisch war! Sein Auftreten war dominant, was ihn als Vorgesetzten auszeichnete, aber gegenüber seinen männlichen Angestellten war er immer bestimmt, aber korrekt und höflich.
Das Wochenende näherte sich und Melissa freute sich schon auf ein heißes Bad am Samstagmorgen. Alle vierzehn Tage hatte sie samstags frei, doch dieses Mal lag etwas in der Luft. Ihr Chef scharwenzelte immer in ihrer Nähe rum und war ausgesprochen nett und zuvorkommen zu ihr.
Als wenn sie es geahnt hätte: „Frau Funke,“ ,begann er. „ ich weiß, dass morgen ihr freier Tag ist, aber könnten sie morgen trotzdem kommen? Ich habe einen großen Auftrag in Aussicht und muss das Angebot bis Montag fertig haben. Da es viel zu schreiben gibt, könnte ich ihre Hilfe gebrauchen.“ 
Melissa schmollte etwas, was Herr Walters natürlich sofort bemerkte!
„Ich zahle ihnen auch das doppelte für die Zeit, die sie hier sind und lade sie anschließend noch zum Essen ein!“
Da sie das Geld gut gebrauchen konnte, sagte sie schließlich zu.
Ihr Chef schien hocherfreut, denn er bedankte sich überschwänglich.
-*-
Wilm war überrascht, wie schnell das versprochene Geld gezogen hatte. Er hatte mit mehr Widerstand gerechnet.
Es stimmte schon, dass da ein großer Auftrag wartete, doch der Abgabetermin wäre erst in einer Woche und hätte somit noch etwas Zeit gehabt.
Er wollte einfach mit dieser attraktiven Frau mal alleine sein und ihr etwas näher kommen. Zu sehr hatte sie in der letzten Zeit in seinem Kopf rumgespukt und ihn daran gehindert rational zu denken. Das hatte dazu geführt, dass er immer sehr schroff zu ihr gewesen war, nur um sich eine Mauer aufzubauen. Auch wenn sie ihm gegenüber immer sehr zickig rüber kam, so reizte ihn das besonders. Seine Ex war immer so anschmiegsam gewesen, zu allem sagte sie sofort ja und hatte selber nie irgendwelche Wünsche.
Vera war auch beim Sex immer bereit, etwas neues zu probieren, oder besser sie lehnte sich nie dagegen auf, mochte die Stellung oder der Ort auch noch so ausgefallen sein. Aber im Nachhinein glaubte Wilm, dass es genau seine speziellen Wünsche waren, die sie von ihm weggetrieben hatte. Er schwor sich, diesen Fehler nicht wieder begehen!
-*-
Am Samstagmorgen, Melissa stand noch unter der Dusche, schoben sich immer wieder sorgenvolle Gedanken in ihren hübschen Kopf. Noch nie war sie mit Wilm Walters allein gewesen. Auch wenn er ihr gefiel, so machte seine direkte Art ihr etwas Sorgen. Immer wenn er in ihre Nähe kam, rückte er ihr so dicht auf die Pelle und berührte sie. Unabsichtlich natürlich, aber einige Male war es eindeutig Absicht gewesen! Sie hatte sich dann deutlich von ihm zurückgezogen, sodass er es merken musste. Aber scheinbar war es für ihn normal, denn er hielt es noch nicht Mal für nötig sich zu entschuldigen.
Mit gemischten Gefühlen fuhr sie zur Arbeit.
Zu ihrer Überraschung war die Halle, wo das Material lagerte, und die beiden Transporter standen, hell erleuchtet. Etliche Männer waren dabei die Transporter mit Farbeimern und Gerätschaften zu beladen.
Mit einem fröhlichen: „Guten Morgen!“, begrüßte sie die Männer.
„Guten Morgen Melissa!“, erwiderte der Vorarbeiter Jörn ihren Gruß. „Was machst du denn hier? Hast du nicht heute frei?“
„Ja, eigentlich schon, aber der Chef braucht mich heute zum Schreiben eines Großauftrags!“
„Ach so nennt man das heute?“ Etwas nachdenklich schaute er sie an, sagte dann aber nichts mehr und wandte sich zu seinen Kollegen um.
Etwas konsterniert machte sich Melissa auf den Weg zu ihrem Büro. ´Was hatte dieser Ausspruch von Jörn zu bedeuten?` 
Schon im Flur wurde sie von Wilm Walters empfangen: „Guten Morgen Frau Funke, schön, dass sie schon da sind!“, begrüßte er sie.
„Ich denke sie kommen am besten zu mir ins Büro, der kurzen Wege wegen! Ich habe ihnen noch einen zweiten Computer hingestellt.“ Er deute mit dem Arm in Richtung seines Büros und Melissa folgte seiner Anweisung mit gemischten Gefühlen. Immer wieder tauchte der komische Spruch von Jörn in ihrem Kopf auf.
Aber nachdem sie fast fünf Stunden intensiv durchgearbeitet hatten und ihr Chef in keiner Weise kompromittierende Andeutungen oder Handlungen gezeigt hatte, verlor sich ihr Misstrauen langsam. Im Gegenteil, Wilm war ausgesprochen lustig, sodass sie viel zusammen lachten und die Arbeit schnell vonstatten ging.
„So, Schluss für heute!“, sagte Wilm und trat hinter sie. „Ich habe uns einen Tisch im Restaurant Robin bestellt. Dort kann man sehr gut essen!“
Melissa sah zu ihm auf: „Aber ich bin noch nicht ganz fertig, wagte sie Einzuwenden!“
„Den Rest können sie Montag noch schreiben, ich erkläre ihnen später warum!“ 
Sie fuhren mit dem großen SUV des Chefs zum Restaurant.
Melissa fühlte sich in der vornehmen Umgebung etwas unwohl. Der Kellner hoffierte sie unentwegt, schob ihr den Stuhl unter und legte ihr die Serviette auf den Schoß. Sie hatte zwar wieder ihren grauen Hosenanzug angezogen, sodass sie schon passend angezogen war, nur waren ihr solche Aufmerksamkeiten unbekannt und befremdlich.
Wilm beobachtete sie etwas amüsiert.
Um ihr die Eingewöhnung in diese Umfeld zu erleichtern, fragte er Melissa: „Darf ich ihnen das ´Du` vorschlagen? Ich denke wir können uns dann entspannter unterhalten. Außerdem hat es einen Grund warum ich sie heute zur Arbeit und zum Essen eingeladen habe!“ Er schaute sie erwartungsvoll an und als Melissa zaghaft nickte, reichte er ihr die Hand und sagte seinen Vornamen.
„Melissa!“, sagte sie und ergriff etwas zögerlich seine Hand. Es war alles etwas zu viel, was da auf sie einstürmte.
Der Kellner brachte zwei Gläser Champagner und sie stießen kurz an.
„Ich weiß, es ist vielleicht etwas zuviel im Moment, aber ich habe einen Grund, warum ich dich heute eingeladen habe. Ich wollte unbedingt mit dir alleine sein, der Auftrag war nur ein Vorwand und hätte noch eine Woche länger Zeit gehabt! Ich hoffe du verzeihst mir die kleine Notlüge. Seit du in unsere Firma gekommen bist, gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. Ja, es ist so schlimm, dass ich mich schon tagträumend am Schreibtisch erwischt habe. Ich mag dich und würde dich gerne etwas näher kennen lernen. Ich weiß, dass ich nicht immer nett zu dir war in den letzten Wochen, aber das war so eine Art Selbstschutz. Immer wenn du in meine Nähe kamst, verlor ich meine Selbstsicherheit und das war für mich unbegreiflich.“ 
Melissa schaute Wilm überrascht an, mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit. „Aber das geht doch nicht!“, stotterte sie verlegen. „Du bist doch mein Chef, was sollen deine Mitarbeiter von mir denken?“

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