Draußen fuhr gerade ein Taxi an den Straßenrand und Maria blickte herab aus ihrem Fenster; schlafen wollte sie nicht und dieses Warten, dieses Warten bis endlich irgendwas passierte, raubte ihr die Ruhe. Die Wagentür öffnete sich und gab gähnend den Blick frei auf eine rote Mähne, klatsch, klatsch, kotzte die Frau zweimal auf die Straße, Tür zu, das Taxi fuhr weiter. In der Ferne sah sie es erneut auf dem Seitenstreifen halten und dachte sich, wenn das alles ist, was mir heute passiert, wenn das das spektakulärste und abgefahrenste sein soll, was mache ich dann noch hier – und sie wusste es genau. Dass das das spektakulärste und abgefahrene Ereignis sein würde für heute, vielleicht für die ganze Woche.
Sie ging in die Küche, die Wolldecke um die Schultern gelegt, goss einen Schluck Single Malt in ein Glas und drei Eiswürfel dazu, kippte alles hinunter und dachte, was für ein Fusel, was für eine Wichse. Was für ein Scheiß. Sie drehte sich eine Zigarette, zog dreimal und dachte wieder, was für eine Wichse. Dann nahm sie die glühende Kippe und brannte sich drei Male in die Haut. Was für ein Scheiß. Mit einem Küchenmesser versuchte sie, das Wort TAXI in die Tischplatte zu ritzen, aber die Klinge war zu dünn und die Platte zu glatt, was für ein Scheiß, was für ein Scheiß. Sie nahm eine Netzstrumpfhose vom Wäscheständer und einen BH, Satin, völlig absurdes Pink mit einer schwarzen Spitzenkante, wühlte einen Mini und ein Top aus dem Schrank, zog alles an, auch ihre Stiefel, und sah zu, dass sie rauskam aus ihrem Loch.
Dass sie auf einmal vor Tristans Tür stand, war nicht geplant gewesen. Ein bloßer, lächerlicher Zufall. Und doch, er schien sich zu freuen, zog sie in die Wohnung, holte ihr ein Bier aus dem Kühlschrank und legte Musik auf. No Means No. Maria lachte gegen ihren Willen, als Tristan begann, an ihrem Rock zu zerren und seine schmalgliedrige Hand durch ein Loch in der Strumpfhose zu schieben. No Means No, No Means No – Sex Mad. Die Aufnahme war lärmig und schlecht, genau wie die Musik. Einfach Wichse. Maria lachte, Tristan schob erst einen Finger in sie hinein, dann einen zweiten. Er verzog keine Miene. Auch nicht, als er seinen Schwanz aus der Hose holte, Maria auf den Fußboden zerrte, ihr seinen Schwanz in den Mund steckte und sich ungelenk in ihr bewegte. Seine Hand hatte sich in ihren Haaren verkrallt. Es tat weh. Sie lachte nicht mehr. Würgte. Bekam keine Luft. Stellte sich vor, wie es wäre, an einem Schwanz zu ersticken, während einem gleichzeitig das Genick gebrochen wurde.
Sie mochte den Gedanken. Sie dachte an ihre Mutter, wie sie der Polizei die Tür öffnen würde. Eigentlich dachte sie viel mehr an ein Bühnenstück. Keine Kulisse, kaum Publikum. Rote Sessel. Lampenfieber. Schlechte Schauspieler. Ätzendes Scheinwerferlicht.
Polizist : „Sind Sie Frau Lieske?“
Margot Lieske (bass erstaunt): „Ja, aber was...?“
Polizist (teilnahmslos): „Ihre Tochter Maria. Sie starb an einem Schwanz und einer Atlanto-axialen Subluxation. Es tut uns furchtbar Leid.“
Margot Lieske (den Tränen nah): „Aber wie konnte das nur passieren? Mein armes Mädchen!“
Polizist : „Wir glauben, der Täter war ein Sexgangster.“
Usw., usf., exeunt. Vorhang.
Später ließ Tristan sie auf dem Sofa knien, die Beine gespreizt, so dass er von hinten in sie eindringen konnte, und wieder hielt er sich in ihren Haaren fest. Zerrte und stieß. Unterdrücktes Keuchen, Ekel, Ekel, nichts als Ekel. Als es ihm kam, riss er sie wieder nach unten auf den Boden und spritzte ihr mitten ins Gesicht. Das Sperma troff ihr Kinn hinunter und bildete bald darauf eine Kruste, die später aussehen würde wie eine Hautkrankheit. Ansonsten fand sie ihr Gesicht recht hübsch. Vielleicht hätte sie Werbung machen können für medizinische Hautpflegeprodukte, wenn sie sich rechtzeitig um eine Anstellung als Mannequin beworben hätte. Sie lachte wieder, als ihr das Wort Mannequin einfiel. Was für eine Katastrophe. Katastrophale gigantische Wichse.
Später in der U-Bahn las sie flüchtig die Meldungen im Berliner Fenster. Eine Frau war überfahren worden, als sie sich mitten auf einer belebten Straße aus dem Taxi beugte. Marias Augen strahlen. Doch was passiert heute, dachte sie, und schrieb später ein paar Seiten in ihrem Tagebuch voll, denn ihr Tagebuch, das war ihr Heiligstes, und die bizarrsten Tage und die schrägsten Begegnungen das, was sie all das aushalten ließ, das Nichts und den Ekel.
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