Wie immer

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Wie immer

Wie immer

Yupag Chinasky

Die Männer verfolgen den Tanz gespannt, immer wieder johlen, schreien, applaudieren sie. Die Frau lächelt mokant, bewegt den Kopf hin und her, die Haare flattern. „Ich will dich ganz nah bei mir sehen, mich in deinen Augen sehen, dich mit mir zusammen sehen.“ Nun bückt sie sich, die Hände ziehen endlich das Kleid nach unten, die Wölbungen der Brüste werden immer deutlicher, der filigrane rote BH in seiner Gänze sichtbar. Sie wackelt mit dem Oberkörper und dem Hintern, ihr ganzer Körper kommt in Bewegung, erneut geht ein Zittern durch ihr Fleisch. Ihr Blick wandert wild von einem zum andern, ihr gebeugter Körper wendet sich jedem Einzelnen zu, ihr Mund sucht die Nähe eines jeden Mundes, angedeutete Küsse werden ausgetauscht. Dann richtet sie sich wieder auf und die Hände zerren nun weiter an dem Kleid, als sei es festgeklebt, als müsse es Zentimeter für Zentimeter von der Haut gelöst werden. Dann endlich gleitet es über die Brüste, über die Taille, hin zur Hüfte und bleibt dort hängen. Wieder wackelt und zittert der ganze Körper. Es rutscht ein paar Zentimeter weiter, wird jetzt nur von den massiven, weit gespreizten Oberschenkeln zurückgehalten. Dann ein Ruck, die Schenkel prallen aufeinander und schon liegt der rote Stoff auf der Tischplatte. „Denk dran, dass ich vielleicht morgen schon fern von dir bin, sehr fern von dir bin.“ Sie hat sich wieder ganz aufgerichtet, die Beine erneut breitgemacht, die Arme in die Hüften gestemmt. Ein brauner, kompakter Körper mit einem roten Nichts um die Brüste und einem roten Nichts vor der Scham und einem roten Faden zwischen den Pobacken. Es wird kaum noch etwas verdeckt, die Nacktheit ist nahezu vollständig, aber gerade wegen dieser letzten Feigenblätter zieht sie die Blicke der geilen Männer auf sich. Selbst das Bandoneon stolpert und muss ein paar Mal neu ansetzten mit den Küssen und dem Fernsein und der Liebe. Nur die Frau steht stoisch und gelassen da, ganz ruhig, ohne sich zu bewegen, lässt sie den Blick triumphierend umher schweifen. Sie ist diesen Trotteln überlegen und wie, die tanzen nach ihrer Pfeife, die Macht der Frauen. Dann leckt ihre Zunge lasziv über die roten Lippen. „Küss mich, küss mich so leidenschaftlich, als wäre es heute Nacht das letzte Mal.“ Das Bandoneon hat sich wieder gefangen. Nun kommt wieder Bewegung in den Körper. Sie schleudert die Schuhe von sich, weit hinein in den Salon. Mit nackten Füßen kann sie sich besser drehen, und das tut sie auch, sich drehen, sich bücken, sich wieder aufrichten. Dabei tasten ihre Hände unablässig ihren Körper ab, jede Rundung, jede Kurve. Sie drückt ihre Brüste und wie von Zauberhand löst sich der BH und wird auch in den Raum geworfen. Die Brüste sind frei, haben Luft, haben Platz, wippen im Rhythmus der Drehungen und Bewegungen, auf und nieder, hin und her, sie beben und Zuckungen durchlaufen das halbpralle Fleisch, das immer wieder von den Händen karessiert und massiert wird. Die rötlich braunen Knospen sind voll aufgegangen, ragen steil nach oben, werden immer steiler und steiler. Nur noch ein kleines Fetzchen wartet darauf entfernt zu werden und die atemlosen, geifernden, stierenden Männer warten ebenfalls nur noch darauf und das Bandoneon wird immer lauter und schneller und schriller. „Küss mich, küss mich so leidenschaftlich, als müsste ich Angst haben, dich zu verlieren.“ Dann verharren die Frau und die Musik mitten in der Bewegung, mitten in einem Akkord. Das Gekreische und Gejohle der Alten verstummt ebenfalls schlagartig. Die Frau steht da, kerzengerade, den Blick voller Lust, voller Selbstbewusstsein auf die Männer gerichtet. Sie hat ihnen ihre erotischen Signale hingeschleudert, sie durch ihren Tanz irre gemacht und sie nun, durch das völlige Einfrieren ihrer Bewegungen erst recht kirre gemacht. Langsam, ganz langsam gleiten die Finger über die Taille zur Hüfte, streicheln den Bauch, die Pobacken, berühren das Geflecht von roten Fäden, dröseln es ganz langsam auf, schieben das gehäkelte Feigenblättchen auf die Seite, gleiten hinein in die Schwärze der Scham, kommen wieder heraus, feucht und klebrig, werden zum Beweis der unendlichen Lust nach oben gereckt. Erst die Finger der einen Hand, dann, nachdem sie dasselbe getan haben, die anderen. Die Hände sind oben, das Feigenblatt wird nur noch von dem Faden zwischen den Pobacken gehalten, es bedeckt keinen Quadratzentimeter des schwarzen Waldes mehr, ist aber immer noch da, ein grellrotes Signal auf braunem Grund, überragt von dichtem Schwarz. Weiterhin Totenstille, Atemlosigkeit, gespanntes Stieren. Die Frau geht mit winzigen Schritten auf dem Tisch entlang, wiederholt die Bewegungen der Finger zu der roten Flamme, hält die feuchten Finger jedem der Alten vor die Nase, einige lecken und küssen sie. Die Frau ist selig, ihr Blick verklärt. Dann der Schluss, der Höhepunkt, das Finale. Sie öffnet die Oberschenkel, das rote Feigenblatt fällt auf den Tisch. Die Musik heult regelrecht auf, sie stampft mit den Füßen erneut auf, wirft die Hände wieder in die Luft, nimmt den Oberkörper zurück und zeigt ihre intimste Nacktheit jedem, jedem Einzelnen, breitbeinig, die Hüfte vor gereckt. Dann noch ein letzter Wirbel, eine letzte Drehung, ein letzter Akkord – und Stille und Ende und Schluss, wirklich endgültig Schluss. Erschöpft steigt sie vom Tisch und schlüpft in den verschlissenen Bademantel, den ihr Gehilfe, der junge Mann, vorsorglich bereit gelegt hatte. Die Männer sind begeistert, klatschen und johlen, geben ihr Küsse auf alle erreichbaren Körperteile. Was für ein Erlebnis, was für ein Erfolg.

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