Das Spielchen wiederholte sich mit dem dritten Mann. Erst ein intensives Getuschel, dann verschwanden beide im Schlafzimmer. Der Geräuschpegel sank, alle lauschten, aber diesmal hörte man gar nichts, nicht einmal das Quietschen des Bettes. Der dritte Mann brauchte deutlich länger als der Zweite, bevor sich die Tür wieder öffnete. Man hatte den Eindruck, dass er mit dem, was geschehen war, nicht so recht zufrieden war. Er schaute mürrisch in die Runde, überlegte lange, bevor er das Geld in den Korb legte und als er wieder am Tisch saß, goss er sich ein Glas mit Brandy ein und stürzte es hinunter. Besorgte Anfragen seiner Nachbarn ignorierte er. Die Frau indessen, als sie wieder kam, ließ sich nichts anmerken, sie lächelte und sah weiterhin entspannt und aufgefrischt aus. Nun waren noch zwei Männer übrig, die ihren Gang antreten sollten. Sie schauten sich gegenseitig an, dann tuschelten sie miteinander. Man merkte, dass der eine den anderen zu etwas überreden wollte, das dem aber nicht so recht passte. Seine Miene und seine Handbewegungen signalisierten Ablehnung. Der andere ließ aber nicht locker und nun wurde die Ablehnung im Gesicht durch Resignation ersetzt und die Miene des Flüsterers erhellte sich sichtlich. Da er nicht neben der Frau saß, stand er auf, ging zu ihr, beugte sich zu hier herab und nahm sein Flüstern wieder auf, diesmal an sie gerichtet. Auch sie schien alles andere als begeistert zu sein, auch sie schüttelte zunächst mit dem Kopf, dann deutete sie auf den Weidenkorb auf der Kommode. Nun schüttelte der Mann heftig mit dem Kopf und sie sah starr geradeaus. Eine Weile geschah nichts, aber dann begann er wieder zu flüstern. Die Frau runzelte die Stirn und sagte dann laut und für jeden deutlich hörbar, das sei ihr egal, wenn er nur zuschauen wolle, aber bezahlen müsse er dasselbe. Der Flüsterer schien Einwände zu haben, aber dann nickte er. Alle drei, auch der, der handeln sollte, standen auf und verschwanden im Schlafzimmer. Die Spannung bei den Verbliebenen war gestiegen, sie flüsterten aufgeregt und lauschten angestrengt und tatsächlich konnte man diverse Geräusche hören, die aber nicht so eindeutig waren, wie bei dem Auftritt des zweiten Mannes, immerhin quietschten die Matratzen ausdauernd.
Als alle drei wieder am Tisch saßen, die Frau hatte diesmal das Körbchen besonders intensiv inspiziert, war dieser Teil der Abendunterhaltung, mit Sicherheit der Wichtigste, vorüber. Die Runde saß gesättigt und befriedigt an dem großen Tisch und nun hatte der junge Mann seinen großen Auftritt. Er hatte seine Arbeit in der Küche beendet und nur gewartet, dass auch die Gäste ihre Arbeit getan hatten, nun öffnete er den Koffer, den er zusammen mit der Tasche mitgebracht hatte. Er nahm ein Bandoneon heraus, setzte sich auf einen Stuhl, den er aus der Küche geholt hatte, und begann ein paar Noten zu spielen. Schon bald fing man an, gemeinsam Lieder zu singen, krächzende Tenöre, brummende Bässe, dazwischen die glockenhelle, messerscharfe Stimme der Frau und das Jaulen des Bandoneons, das alles zusammenhielt und den Rhythmus. Es ging um Liebe, Herz und Schmerz, nur alte Schlager, nur nostalgische Lieder, nur Musik, die den Alten bekannt war. Als er einmal einen neuen Song anstimmte, wurde sofort protestiert und er kehrte zu den Schnulzen zurück. Man sang, schwelgte in Erinnerungen und trank. Das Bier, das zum Essen gereicht worden war, war längst ausgegangen und auch der Wein, der als Nachtisch gedient hatte, geleert. Nur in den diversen Schnapsflaschen fand sich noch reichlich Stoff. Bei zwei Gästen hatten die Anstrengungen des üppigen Essens und der harten Arbeit danach, sowie der reichlich genossene Alkohol bereits deutliche Wirkung gezeigt. Dem einen fielen noch während des Gesangs die Augen zu, er hielt sich aber gerade, dem anderen sank der Kopf auf die Brust, und wenn man ihn beobachtete, musste man fürchten, dass er vom Stuhl fiele, aber er blieb sitzen. Der Präsident war putzmunter, er hatte schon frühzeitig die Jacke abgelegt, ein Signal für die anderen, es ihm gleichzutun, nun zog er auch noch die Schuhe, kletterte etwas mühsam erst auf seinen Stuhl, auf die Tischplatte und deklamierte laut, ein Gedicht oder eine Passage aus einem Theaterstück. Es war ziemlich egal, was er sagte, denn er sprach höchst undeutlich und fast keiner hörte zu. Die beiden anderen, die nicht schliefen, diskutierten ein ganz besonders wichtiges Problem. Nur die Frau lauschte gespannt und machte einen verzückten Eindruck, denn sie hatte herausgefunden, dass es ein Liebesgedicht war, das eigens für sie verfasst worden war. Der Präsident war ein pensionierter Lehrer und verstand sich auf solche Dinge. Auch der junge Mann am Bandoneon klatschte Beifall und spielte dann einen Tusch. Als der Lehrer fertig war und vom Tisch herab steigen wollte, stellte sich das als reichlich schwierig heraus. Erst mithilfe des jungen Mannes und der Frau, die ihn festhielten und stützen, gelang es ihm. Durch sein Klatschen hatte der junge Mann die Aufmerksamkeit eines der beiden Disputanten erregt, der seine Unterhaltung abbrach und den jungen Mann, als er mit seiner Hilfestellung fertig war, zu sich heran winkte. Es war der Mann, der nur hatte zuschauen wollen. Mit halblauter Stimme redete er eindringlich auf sein neues Opfer ein, ergriff sogar dessen Hand und machte mit der anderen ausholende Bewegungen. Aber der junge Mann schüttelte ständig den Kopf und zeigte offensichtlich keine Bereitschaft, das zu tun, was der Alte wollte. Er ignoriert sowohl das Hindeuten zum Schlafzimmer als auch die Gebärden des Geldzählens. Schließlich gab der Alte auf, nahm sich ein leeres Glas, füllte es mit Wodka oder irgendeinem anderen farblosen, hochprozentigen Zeug und kippte den Inhalt wütend hinunter. Der junge Mann verschwand vorsichtshalber in der Küche. Die Frau, die die Szene genau verfolgt hatte, musste erst herzlich lachen, dann flüsterte sie ihrerseits mit dem Enttäuschten, aber anscheinend kamen sie sich in ihren Wünschen nicht näher, denn nun schüttelte der Mann ein paarmal ganz entschieden mit dem Kopf, während die Frau zu Bestätigung ihres Angebots mit der Faust auf den Tisch einschlug.
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