Wieder auf Los

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Wieder auf Los

Wieder auf Los

Abdullah Quasseem

Klar, nahm ich ihn mit. Lena würde mich verstehen. Nach mehr als zwei Jahren ohne Sex hätte sie diesen süßen Jungen auch mitgenommen. Während wir gingen, hing ich an seinem Arm, an seinen Schultern, stolperte albern kichernd um ihn herum. Zwischen meinen Beinen sauste es immer noch. Ich ging schwankend mit weichen Knien. Der Begriff ‚Liebesrausch‘ bekam in diesem Moment erstmals eine konkrete Bedeutung für mich.
„Warte“, sagte er, als wir an einer Tankstelle vorbeikamen, deren grelle Beleuchtung die inzwischen völlige Dunkelheit der Nacht zerriss, „hast du was zu trinken?“
„Höchstens noch ‘nen Rest billigen Weißwein von gestern“, antwortete ich.
„Was magst du?“
„Hm, Prosecco?“
Er sah mich mit zweifelndem Blick an. „Weibergesöff“, sagte er beinahe mitleidig, „aber okay, das ist dein Abend.“
Drinnen fragte er die junge Kassiererin ob sie ‘nen gescheiten Prosecco‘ hätten.
„‘nen Valdo, da links im Kühlregal“, antwortete sie, „kostet aber 16 Euro.“
Er nahm eine Flasche und holte sich mit einem Blick meine Zustimmung ein.
„Und Kondome?“
„Hier unten links, gleich neben der Kassentheke.“ Die Kassiererin sah uns beide an und grinste sich dabei einen ab.
„Habt ihr auch getankt“, erkundigte sie sich. Daniel verneinte und bezahlten die Einkäufe. „Na dann noch viel Spaß euch zweien“, sagte sie, während sie das Restgeld herausgab.
„Die sind für ‘nen Kumpel“, entgegnete er und hob die Kondomschachtel hoch, wobei er ein vergnügtes Grunzen nicht unterdrücken konnte.
„Schon klar.“ Das Kassenmädchen grinste noch breiter als vorher. Wir grinsten jetzt alle drei.

Ich sperrte die Tür auf. Die Wohnung war dunkel, Lena war nicht da, umso besser. Schon auf dem Herweg hatte ich Daniel die Verhältnisse erklärt. Kühle schlug uns entgegen, als ich in meinem Zimmer das Licht anknipste. Der Raum war ca. dreieinhalb mal vier Meter groß, mit kahlen weißen Wänden, weißer Decke und einem billigen, graublauen Teppichboden, dem anzusehen war, dass sein Verfallsdatum schon vor Jahren abgelaufen war. An einer Schmalseite befand sich ein zweiflügeliges, nicht mehr ganz weißes Kunststofffenster ohne Vorhänge. Ein breites Bett mit grauem Metallgestell, ein weißer Schreibtisch, ein Sessel mit hellblauem Plüschbezug davor und ein rollbarer Kleiderständer, an dem ein paar meiner Klamotten hingen, bildeten die gesamte Einrichtung. In einer Ecke mein roter Trolley mit dem Rest meiner wenigen Habseligkeiten. Von der Decke baumelte ein schwarz lackierter Lampenschirm aus Blech, der notdürftig eine nackte Glühbirne kaschierte und zwischen Tür und Schreibtisch hing ein ovaler Spiegel mit silberfarbenem Rahmen an der Wand. Außerdem gab es noch ein kleines Nachttischchen in Regalform neben dem Bett mit einer Nachttischlampe mit weißem Stoffschirm darauf. Vermutlich das einzige Stück, das nicht von IKEA stammte, war ein breiter, bunter Fächer, den meine Vorgängerin als sparsame Dekoration mit Reisnägeln über dem Betthaupt an der Wand angebracht hatte. Wenigstens hatte ich am Morgen das Bett gemacht und die Bettwäsche war noch frisch.
Schnell nahm ich meine Strumpfhose, die noch vom Vortag dort lag, von dem Plüschsessel und ließ sie hinter dem Trolley verschwinden, nahm einen bunten Baumwollschal vom Kleiderständer, hing ihn über die Nachttischlampe, schaltete sie ein und knipste das Deckenlicht wieder aus. Der Raum wirkte immer noch wie in einer billigen Pension, aber wenigstens sorgte das gedämpfte Licht der abgeschirmten Nachttischlampe für eine wärmere Stimmung.
Daniel hatte auf der Bettkante Platz genommen. „Doing, doing, doing“, imitierte er das quietschende Geräusch des Bettgestells und grinste mich wieder an. Ich erriet, dass er an das Geräusch dachte, dass es geben würde, wenn er mich wieder bumste. Obwohl es nicht mal eine Stunde her war, konnte ich es kaum noch erwarten.
„Nicht sehr gemütlich“, sagte ich entschuldigend mit einem schwachen Lächeln, „aber gegen meine Knastzelle schon fast luxuriös.“
Er erwiderte mein Lächeln, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und legte sich zurück auf das Bett. „Der Luxus darin bist du“, sagte er, „alles andere ist doch egal.“
Ich spürte, wie ich wieder rot wurde. „Ich schau mal nach Gläsern“, sagte ich.
Als ich mit zwei Weißweingläsern zurückkam, hatte Daniel schon den Korken freigelegt. „Plopp“, machte es und der Prosecco sprudelte heraus. Wir kicherten, standen uns gegenüber und sahen uns tief in die Augen.
„Auf deine wiedergewonnene Freiheit, auf die Zukunft und darauf, dass du die süßeste Gangsterbraut der Welt bist“, stieß er mit mir an.
„Darauf, dass ich so ‘nen süßen Jungen, wie dich getroffen habe“, antwortete ich darauf.
Mit einem Mal wurde mir klar, wie fremd wir uns waren. Ich kannte ihn doch überhaupt nicht. Vorhin war alles so schnell gegangen. Ich war einfach nur geil bis zur Verzweiflung gewesen, hatte mich in seine Umarmung fallen, mich von seinen Küssen forttragen lassen und mich der männlichen Kraft, mit der er mich geliebt hatte, hemmungslos hingegeben. Außerstande, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, hatten mich einzig die Sehnsüchte meines Körpers geleitet.
Der sehnte sich noch immer nach Befriedigung, seine Bedürfnisse waren nur fürs Erste gestillt. Ich spürte dieses erotische Knistern zwischen ihm und mir, wünschte ihn in mir und war doch gehemmt. Wie konnte ich mich ihm erneut anvertrauen? Konnte ich mich ihm überhaupt noch einmal öffnen? War die Situation nicht absurd, musste ich mich nicht erst selbst wiederfinden?
„Weißt du, es macht dich fertig, da drin. Du spürst es nicht sofort, aber irgendwann wird dir klar, dass du nicht mehr die bist, die du einmal warst“, sagte ich unvermittelt, „du fühlst dich so schmutzig, so schuldig und unwürdig …“ Unweigerlich schossen mir Tränen in die Augen. Er sah mich mit mildem Blick an, zog meinen Kopf an seine Schulter, schaukelte mich sanft, küsste mich aufs Haar. „Mach‘ dir nicht solche Vorwürfe“, reagierte er auf meine Worte, „du bist ‘ne tolle Frau, schön, sexy, leidenschaftlich. Du bist kein schlechter Mensch, das sieht man. Du kommst schon wieder auf die Beine. Ich helfe dir dabei, ja?“
Ich schluchzte an seiner Schulter. Er nahm mich, küsste mir die Tränen weg und dann ging alles wieder ganz schnell. Wir sanken auf das Bett, zogen uns aus, streichelten uns. Er küsste mich überall, bekam wieder einen Ständer. Ich nahm ihn in die Hand, empfand seine Kraft, streifte ihm ein Kondom über und er tauchte in mich ein, lag auf mir, nahm mich ganz sanft und geduldig, ließ mich jeden Stoß auskosten, erfüllte mich. Es war so befreiend. Ich schwebte unter Seufzern davon. Doing, doing, doing machte das Bett, als er mich schließlich immer härter fickte. Ich gab mich seinen kraftvollen Stößen rückhaltlos hin, spreizte meine Beine, soweit ich konnte, stöhnte bei jedem Stoß. Er packte mich mit beiden Händen oberhalb der Kniekehlen, drückte meine Schenkel weit auseinander, hämmerte mit männlicher Kraft in mich hinein. Ich schrie fast vor entfesselter Lust.  Wir kamen fast gleichzeitig.
Wie das denn gewesen sei im Knast mit dem Sex – so unter Frauen, wollte er wissen, als wir danach zusammen lagen und an unseren Gläsern nippten. Ein lüsternes Funkeln glänzte dabei in seinen Augen. Es sei nicht so, wie er sich das vielleicht gerne ausmalen würde, erklärte ich zu seiner Enttäuschung.
„Ehrlich nicht?“, fragte er ungläubig.
„Nein, ehrlich nicht“, antwortete ich lachend mit einem Kopfschütteln. „Es ist ja nicht so, dass man da lauter nette Frauen trifft, die man vielleicht anziehend finden könnte“, ergänzte ich, „oft eher das Gegenteil, weißt du. Höchstens die Langjährigen machen es mit einer anderen oder die, die vorher schon lesbisch waren.“
„Und du?“, bohrte er weiter, „Du hast doch nicht zwei Jahre in Keuschheit verbracht. Jetzt lass‘ dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Na, ich hab’s mir eben selber gemacht, wenn ich mal Zeit für mich allein hatte. Man ist da je selten allein, fast immer mit anderen in der Zelle …“
„Und die wollen’s doch auch … so’n bisschen Sex unter Mädchen stelle ich mir eigentlich ganz schön vor.“ Er ließ nicht locker. Das Thema schien ihn brennend zu interessieren. Seine Wangen waren sichtlich gerötet.
„Wenn man drauf steht, vielleicht,“ antwortete ich ein wenig lakonisch, musste aber kurz kichern, „das sind doch nur typische Männerfantasien.“ Ich versuchte das Thema zu beenden. Es war mir offen gestanden ein bisschen peinlich. Trotz allem kannte ich ihn doch erst seit ein paar Stunden.
„Dann gib ihnen doch ein bisschen Futter. Komm!“ Er gab nicht nach. Seine Augen funkelten. Die Vorstellung von Sexspielen im Frauenknast erregte ihn ganz offensichtlich. Er streichelte mich zwischen den Schenkeln und seine Nudel begann, sich wieder zu füllen. „Ich meine, zwei Jahre nur unter Frauen und das soll nichts gewesen sein, ausgerechnet bei so’ner Wilden wie dir. Jetzt komm schon. Ich behalt’s auch für mich. Versprochen!“ Seine Finger beschäftigten sich wieder mit meiner Möse und ich wurde wieder erregt.
„Na ja, also einmal …“, ließ ich mich hinreißen. Er fing sofort Feuer, küsste meinen Nacken, intensivierte sein Streicheln. „Einmal ist keinmal,“ hauchte er mir ins Ohr, „Erzähl mir alles. Es macht mich an.“ Er hatte mich schon wieder in diesen halbhypnotischen Zustand versetzt. Also begann ich zu erzählen, zögerlich zuerst, von Rashida der Palästinenserin, mit der ich ein paar Wochen in einer Zelle saß, die es sich ständig ungehemmt selber machte und dass das einen auf Dauer nicht kalt lässt. Er drängte mich, weiter zu erzählen, jedes Detail und machte es mir leicht, indem er sich zwischen meine Beine legte und mich mit seiner Zunge liebkoste. Er wurde wieder hart und wir machten es nochmal. Ich ritt auf ihm und schließlich nahm er mich von hinten. Wir waren nicht gerade leise. Das Bett knarzte so heftig, dass ich schon befürchtete, es würde gleich zusammenbrechen. Danach waren wir beide ziemlich geschafft.
Bevor er im Morgengrauen ging, tauschten wir unsere Handynummern und er versprach sich bald zu melden.
„Na, ist dein Hormonhaushalt wieder ausbalanciert?“, erkundigte sich Lena bei einer morgendlichen Tasse Tee mit leicht süffisantem Grinsen. Ich hatte nicht bemerkt, wann sie nachhause gekommen war, aber es war klar, dass sie alles mitbekommen hatte. Meine Miene sagte wohl alles.
„So gut?“, fragte sie.
„Noch besser!“, gab ich zur Antwort und lachte.

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