Du trägst Liebeskugeln während einer Gerichtsverhandlung? K. war fassungslos. Mein lang gezogenes, leise gestöhntes Jaaa trieb ihm die die Röte vollends ins Gesicht. Unruhig wetzte er auf seinem Sessel herum, in seinem Schritt zeichnete sich eine schmerzhaft beengte Erektion ab. Die rhythmischen Kontraktionen meiner Unterleibsmuskeln, wie ich so mit weit geöffneten Schenkeln, die Highheels auf die Lehnen seines Sessels gestützt, auf dem Schreibtisch saß, konnte er nur noch schwer atmend betrachten. Sein Atem ging schwer, sein Glied drängte zu etwas, gegen das er verzweifelt ankämpfte. Eigentlich mochte er ja diese losen Anzughosen nicht, war mehr der Jeanstyp, aber nun hätte es nur der Öffnung seines Reißverschlusses bedurft und er hätte sein Glied und seine Hoden befreien können, in mich eindringen und sich trotzdem jederzeit schnell aus mir zurückziehen können, falls es geklopft hätte. Aber er war eben ein nibelungentreuer Ehemann. Komm! lockte ich leise und bot einen Ausweg: Tu Dir gut! Ich berührte meine Perle mit gestrecktem Mittelfinger, massierte mich und strebte der Vollendung meiner Lust entgegen.
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Ich war wieder in der Stadt. Nicht einfach so, auf Besuch, Durchreise, Urlaub. Nein, mir war eine Kammer bei Gericht übertragen worden, und K. sollte in der Verhandlung seine Einrichtung vertreten, so wie ich dies früher getan hatte. Zwischenzeitlich gehörte das auch zu seinen Aufgaben. Wen er allerdings hier als Vorsitzende Richterin vor sich haben sollte, war ihm bei Betreten des Gerichts noch nicht bekannt. Ich hatte geheiratet und keinen der bei Juristinnen so beliebten Doppelnamen gewählt, sondern den Namen meines Mannes angenommen, so dass er aus der Tagesordnung keinen Hinweis entnehmen konnte. Als ich mit den ehrenamtlichen Richtern in den Saal trat, klappte ihm die Kinnlade nach unten: mit mir hatte er nicht gerechnet! Mit einem amüsierten Zucken meiner Mundwinkel und einem tiefen Blick meiner dunklen Augen begrüßte ich ihn und eröffnete die Verhandlung.
Ich wusste, die Jahre hatten mir gutgetan. Mein souveränes Auftreten hatte an Schärfe verloren, meine Ausstrahlung gewonnen. Ich hatte meinen Stil gefunden, eine leicht extravagante, aber doch sehr elegante Frisur, schulterlang, unter meiner Robe schwarze Strümpfe, dazu wirklich tolle schwarze Lackschuhe mit hohen schmalen Absätzen. K. war gebannt von meinem Anblick, nervös und konnte der Verhandlung nicht wirklich konzentriert folgen. Es war auffällig, was ich zum Anlass nahm, ihn zu kurzen Stellungnahmen bezüglich einzelner Details zwischendurch aufzufordern. Das stand mir zu, wäre aber nicht unbedingt nötig gewesen, und um den Ernst der Lage zu unterlaufen, zwinkerte ich ihm unauffällig vergnügt zu, was ihn erst recht aus der Fassung brachte. In gewisser Weise haute ich ihn in die Pfanne, briet und wendete ihn und hatte Gefallen daran. Es war aber nicht bösartig, sondern mehr sportliches Messen der Kräfte. Na ja, ein bisschen gemein war es schon von mir. Ich wusste, K. war angeschlagen in den unverschämt herauf drängenden Bildern, Empfindungen, sinnlichen Erfahrungen von Geschmäckern, Düften und Berührungen unserer einstigen Affäre, so als duellierte er sich mit einem Gegner, in dessen Rücken die Sonne steht.
Ich bin eben eine Frau, die man nicht vergisst!
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K. wirkte erleichtert, als die Verhandlung zu Ende ging, und schien gleichzeitig vor genau dieser Situation Bammel zu haben. Wir hatten uns mehr als ein Jahrzehnt nicht gesehen und nun hatte ich ihm mich ohne Vorwarnung als noch weitaus bestimmendere Frau präsentiert, ihm, der mir doch in unserer Affäre schon so hilflos ausgeliefert gewesen war. Aber er konnte nicht einfach knapp grüßend abziehen – und wollte das augenscheinlich auch nicht. Nach einem kurzen belanglosen Gespräch mit den Beisitzern und der Protokollführerin verabschiedeten sich alle und verließen in unterschiedlicher Eile den Saal. Lächelnd stand ich an den Richtertisch gelehnt, stützte meine Arme nach hinten und reckte die Brust. Nun sehen wir uns also doch wieder, raunte ich verführerisch.
Es hatte keinen Sinn für K., sich künstlich bedeckt zu halten, ich hatte ihn immer durchschaut! Und wenn er jetzt verklemmt abzog, würde es ihn begleiten, verfolgen, irritieren, quälen. Mit zunehmendem Alter bereut man schließlich die Sünden, die man nicht begangen hat! Blendend siehst du aus! sagte er einfach. Ich nahm es ohne Verlegenheit, ich wusste um meine mit der Reife gewachsene Attraktivität.
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Wir tauschten uns aus über unsere aktuellen familiären Verhältnisse. Ich war verheiratet und hatte drei Kinder, pendelte hierher an drei Tagen in der Woche und arbeitete den Rest der Zeit zu Hause. K.'s Frau hatte einen Sohn mit in die Ehe gebracht. Währenddessen bat ich ihn aus dem Saal in mein Büro am Ende des Ganges. Ich schritt ihm zügig voraus und sprach halb über die Schulter zurück mit ihm. Eine Robe hat schon etwas Elegantes an sich, aber die Weiblichkeit bleibt unter ihr fast gänzlich verborgen. K. war also um die Art von stillem Genuss gebracht, die er doch so liebte: den Damen unauffällig, aber unablässig auf den Hintern zu schauen. So ein Pech auch! lachte ich in mich hinein, denn ich wusste noch zu gut, wie sehr das nahe Verborgene seine Phantasie beflügelte. Und das hatte es in sich, mehr als er ahnen konnte!
Wir traten auf knarzendes, altes Eichenparkett. In dem lang gezogenen großen Raum stand mein ausladender alter Schreibtisch mit dem schwerem Bürostuhl vor der linken Wand, davor ein wuchtiger Ledersessel, an den Wänden Regale mit Fachliteratur, vor der Fensterfront eine raumgreifende Zimmerpflanze, links der Tür ein Besprechungstisch mit nüchternen Stühlen, darüber ein großes Bild von meinem Mann und mir als Tangopaar in hell erleuchteten, gotischen Arkaden. K.s Blick verweilte sinnierend darauf, es arbeitete mächtig in ihm, ob dieser sehr attraktive Partner sein damaliger Rivale und Nachfolger war oder nicht. Das ist nicht Hannes, klärte ich ihn auf und er hob nur die Augenbrauen, als hätte ihn das gar nicht interessiert. Ich legte die Robe und diesen altmodischen weißen Kragenschmuck ab, nicht ganz so lasziv, wie ich es auch gekonnt hätte, aber neckisch genug, um mir selbst treu zu sein. Er sollte schon ein bisschen schlucken, nachdem er so lange meinen Reizen nicht ausgesetzt gewesen war. Ich trug ein enges, auberginefarbenes Kostüm, nein, nicht hausbacken, sondern sehr sexy, mit tiefem Dekolletee, dazu dezenten, modernen Halsschmuck. Ich bot ihm den Platz in dem Sessel vor meinem Schreibtisch an und setzte mich in meinen Bürostuhl.
Wie hat es dir ergangen nach unserer Trennung? fragte ich ihn aus ehrlichem Interesse. K. zögerte ein wenig und umriss dann seine Geschichte nach dem Ende unserer Affäre nur knapp. Er hatte nicht das Bedürfnis, sich groß auszubreiten. Ich zögerte ein wenig, dann fragte ich direkt: Hast du dich nach mir gesehnt, als ich dich verlassen hatte? Ich weiß, das ist sehr persönlich, aber ich möchte es wissen. Nun, begann K. verschlossen, unser Abschied an jenem Abend war voll bitterer Melancholie, und diese hat mich noch längere Zeit begleitet, dieser unendliche schöne Sehnsuchtsschmerz. Ich habe gelitten wie ein Hund in meinen Nächten, doch mein Leben musste ich ansonsten nicht groß umkrempeln, hatten wir doch nur eine Affäre gehabt, eine amour fou ohne Perspektive. Ich hatte damals nicht erschließen können, was in dir vorging. Für dich war es vorbei, für mich hatte es gerade begonnen und du warst keine Frau, um die man kämpfen kann. Mit der Zeit habe ich mich zu Recht gefunden, den Verlust meiner Stute überwunden und deinen Platz in meinem Leben als Geheimnis bewahrt. Andere Menschen sind in mein Leben getreten und Liebe wuchs, glücklichere Zeiten kamen und die Vergangenheit war Vergangenheit.
Du erinnerst dich also noch an deine Gefühle für mich? Deine Begeisterung für alles an und in mir? fragte ich ohne irgendeine respektvolle Distanz zu seinem jetzigen Leben. Ja, ich erinnere mich, aber mehr will ich dazu jetzt nicht sagen, bekannte er gereizt. Ich war zu weit gegangen, aber er blieb, immerhin. Wir schwiegen eine Weile und blickten uns tief in die Augen. Aber deine Geschichte interessiert mich doch sehr, forderte er mich auf, meinerseits zu erzählen. Es stimmte ja auch, ich hatte ihn verlassen und irgendwann durfte er wissen, wofür das gut gewesen sein sollte. Ich erzählte alles von Juan, schonungslos, ruhig, langsam, mit Pausen, jedes Detail hatte Zeit, als plastisches Bild zu wirken. Und es nahm mich wirklich mit.
K. hatte betroffen zugehört und schwieg noch eine Weile, nachdem ich geendet hatte. Das ist doch so furchtbar trostlos in dieser sadomasochistischen Szene! meinte er schließlich kopfschüttelnd. Das ist nichts dergleichen, stellte ich klar, denn dort gäbe es Regeln. Wo es aber Regeln gibt, Rituale, in denen ich auch als Unterworfene die Grenzen hätte bestimmen können, da hätte keine Gefahr gedroht. Dann wäre sogar fraglich gewesen, ob es mich so angezogen hätte. Juan war nur er selbst, er suchte die unendliche Steigerung. Das hatte mich in seinen Bann gezogen. Du fragst dich vielleicht, warum ich mich dann nicht an dich gewandt hatte? Ich wollte mich in meiner anfänglichen Not nicht in die Arme des Mannes flüchten, den ich verlassen hatte. Ich hätte dich nur ausgenutzt und so war es dir ja schon einmal ergangen. K. zuckte unmerklich, ließ sich darüber hinaus aber nichts anmerken. Ich wusste, dass die Zeit gekommen war, mich zu widersetzen und damit tat ich das Not-Wendige. Deine Verletzlichkeit habe ich erst verstanden, als ich selbst tief verletzt wurde, sagte ich leise.
Ich war froh, nach so langer Zeit mit ihm gesprochen zu haben, und das schien er mir auch nicht übel zu nehmen. K. hatte interessiert zugehört, schien auch erregt mit manchem Detail. Aber jetzt sah ich den aufkeimenden Schrecken in seinen Augen, passte doch dieser intime Bericht, eine ausführliche Darstellung sinnlicher Erfahrungen, eigentlich gar nicht zu meiner früheren Schweigsamkeit in dieser Hinsicht. Und was ist dann geschehen, nachdem du ihn verlassen hattest?
Wiedersehen
Tinas Geschichte - Teil 16
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