Wilde Orchidee

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Wilde Orchidee

Wilde Orchidee

Reneé Hawk

Das schwere, schwarze Baumwollkleid, im schlichten Schnitt, hatte Anuschka abgelegt. Sie hatte sich vorher vergewissert, dass sich keine fremde Blicke in ihrer Nähe befanden. Wie ein Teppich lag nun das Kleid ausgebreitet im satten grünen Gras nahe des Ufers. Zwei Schritte entfernt rauschte der Fluss leise und monoton in Richtung Schwarzes Meer.
Anuschka lag auf dem Kleid und die Sonne begann ihren Körper zu streicheln. Ihre Haut schimmerte bronzegleich im Sonnenstrahl, ihr langes Haar lag wie ein ausgebreiteter Fächer und leuchtete dunkel, kirschrot. Ein Lächeln umspielte ihre blassen Lippen und die Augenlieder zuckten, während Anuschka sie geschlossen hielt.
Das Rauschen des Flusses und die aufsteigende Wärme der Sonne erhitzten Anuschkas Gemüt. Sanft streichelte sie über ihren kleinen runden Busen. Ihre Knospen richteten sich auf, die zarten Härchen auf ihrer Haut nahmen die Signale der streichelnden Sonnenstrahlen wahr. Beinahe selbständig bewegte sich ihre Hüfte und ihre Hand glitt in Richtung Venushügel. Der weiche Flaum ragte ihr entgegen und verlockte Anuschkas Hand zur Berührung. Die junge Frau ließ sich fallen in eine sanfte, weiche Lustbarkeit ihres eigenen Körpers.
Mit ihrer zartrosa Zungenspitze befeuchtete sie immer wieder die blassen Lippen. Leise, sich in eine Lust und Gier stöhnend bemerkte sie nicht, dass ein fremder Blick auf ihrem Körper haftete.
Anuschka stöberte in diesem alten Buchladen. Der Duft alten Pergaments und Druckerschwärze stieg unwillkürlich in ihre Nase. Tief atmete sie den markanten Geruch ein und schloss für einige Augenblicke ihre Augen, während sie ein altes, in Leder gebundenes Buch in der Hand hielt. Andächtig streichelten ihre Finger über den Umschlag und ihre Augenlieder öffneten sich. Anuschkas Blick fiel durch das Schaufenster in ein Augenpaar, dessen Farbe in einem hellen Blau zu leuchten schien. Wie gebannt blieb sie stehen und verharrte in dem hypnotisierenden Blick des Mannes.
Einen Augenblick später war der Fremde aus ihrem Blickfeld verschwunden. Anuschka legte das Buch auf den Tisch zurück und hörte jetzt erst die Stimme des alten Bibliographen.
"Kann ich ihnen helfen, junge Frau?"
Anuschka schaute den Mann an und erkannte ein vom Leben gezeichnetes Gesicht. Sie lächelte und flüsterte:
"Nein danke ... oder doch? Haben sie vielleicht eine Ausgabe vom Necronomicon?"
Das Gesicht des Alten schien sich binnen Sekunden zu ändern, seine freundliche Ausstrahlung wechselte in ein düsteres, nachdenkliches Antlitz. Mit nun tiefer, dunkler Stimme sprach der Mann:
"Nein! Bitte verlassen sie meinen Laden." Seine Hand hob er vorsichtig und wies auf die Ladentür. Anuschka drehte sich um und ging zur Tür, öffnete diese und die kleine Glocke erklang in einem hellen ‚Bim Bam'. Sie drehte sich noch einmal um.
"Verzeihen sie meine Frage.", sagte sie und schloss die Ladentür von außen.
>Wer war dieser Mann?<, hämmerte es in ihrem Kopf. >Solche Augen habe ich noch nie gesehen.<, dann ein Gedankenblitz, >Warum hat mich der Alte aus dem Laden geworfen? Ich wollte doch nur sehen wie das Buch aussieht?<
Anuschkas Urlaub näherte sich dem Ende. Sie hatte zwei Wochen in der Abgeschiedenheit des Kaukasus verbracht und sich erholt. Ihren letzen zwei Tage standen bevor und heute wollte sie den Trödelmarkt in der Altstadt besuchen.
Wieder brannte die Sonne bereits am späten Vormittag, als Anuschka den Markt betrat. Stände voller wundersamer Dinge taten sich vor ihr auf. Silberschmuck und Flugdrachen lagen friedlich neben alten Bücher und Kisten voller CD's. Von einem Stand zum nächsten schlendernd bemerkte sie nicht, wie ein Blick sie permanent verfolgte.
Da entdeckte sie einen Tisch mit bunten Tüchern, zielstrebig ging sie darauf zu.
Ihre großen braunen Augen begannen beim Anblick der vielen bunten Seidentücher zu leuchten. Vorsichtig berührte sie ein blaues Tuch und nahm es in die Hand. Weich und sanft umschloss es ihre Finger und vermittelte Anuschka den Wunsch, es sich um den Hals zu legen.
"Nehmt nur.", sagte die Frau mit einem Lächeln und hielt Anuschka einen Gold gerahmten Handspiegel entgegen.
Zögerlich legte die junge Frau das Tuch spielerisch um ihren schlanken Hals. Der Blick fiel in den Spiegel, doch erkannte sie nicht das Tuch sondern die blauen, hellen freundlichen Augen des Mannes vor dem Buchladen.
Erschrocken drehte Anuschka sich um und schaute nun voller Bewunderung in ein markantes, sonnengebräuntes Gesicht.
"Das rote Tuch passt besser zu ihrer bronzefarbenen Haut.", sagte der Mann und hielt ihr ein zart rot schimmerndes Halstuch entgegen.
Lächelnd nahm er das blaue Tuch und legte das rote um Anuschkas Schultern. Gleichzeitig reichte er der Frau hinter dem Stand ein paar Geldscheine.
"Das kann ich nicht annehmen.", begann Anuschka zu protestieren.
"Doch, doch es ist wie für sie gemacht.", sagte er und hielt Anuschkas Hand fest, die den Schal bereits von den Schultern zog.
"Nein, das geht nicht."
"Machen sie mir die Freude und tragen sie ihn heute Abend zum Essen."
Anuschka wusste nicht, was sie denken oder sagen sollte. Sie stand vor ihm und betrachtete nur das Gesicht und die Augen. Augen in die sie fallen würde, wenn sie sich vergessen würde. Ein Gesicht, das keine Geschichte erzählen würde, ein Gesicht, das Sanftheit, Edelmut und Zärtlichkeit versprach.
Er reichte ihr eine Visitenkarte, lächelte und küsste ihre Hand. Dann drehte er sich um und verschwand im Getümmel der Menschen.
"Hier ist es.", flüsterte Anuschka und schaute noch einmal auf die Rückseite der Visitenkarte, auf welcher der Treffpunkt beschrieben war.
Da sah sie eine Gestalt aus dem Dunkeln heraustreten und wunderte sich, dass es nicht ihre Verabredung war.
"Der Graf erwartet sie bereits am Flussufer. Darf ich mir erlauben vor zu gehen?", sagte der freundliche alte Butler und ging langsam den Uferweg entlang.
Aus wenigen Metern Entfernung konnte Anuschka Kerzenschein ausmachen. Eine Atmosphäre wie aus alten Hollywoodfilmen projizierte sich in diesem Augenblick an diesem Ort wieder. Ein gut aussehender Mann mit leichten grauen Schläfen und einem sanften Lächeln empfing Anuschka einige Schritte vor der gedeckten Tafel. In seiner Hand hielt er eine blutrote wilde Orchidee.
"Danke.", hauchte er ihr entgegen und legte ihr die Orchidee in die Arme. Sanft legte er einen Arm um Anuschkas Schultern und führte sie zum Tisch. Sie war begeistert, sie konnte sich keinen besseren Begleiter wünschen. >Graf Nikita Kirjakow, welch ein Name!<, dachte sie und lächeltet ihrem Gegenüber entgegen. Das Kerzenlicht flackerte in seinen blauen Augen und Anuschka versank bereits in seiner Seele.
Anuschka und Nikita saßen sich sprachlos gegenüber und ließen sich das üppige Mahl schmecken. Immer wieder wollte Anuschka das Wort ergreifen, doch Nikita wehrte stets mit einer Handbewegung ab und ein leises "Pst" hauchte er ihr entgegen.
Nikita lächelte und reichte Anuschka das mit Krimsekt gefüllte Kristallglas und flüsterte zärtlich in ihr Ohr:
"Hier am Ufer habe ich mich in dich verliebt.", und ein zärtlich gehauchter Kuss berührte Anuschkas Hals.

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