Ich sag's gleich vorweg: ich habe meinen Freund abserviert. Er hat es nicht verstanden, auch nicht, als ich es ihm erklärt habe. Es war nicht ein gravierender Punkt, es war alles zusammen. Genau das versteht er nicht, meint, wir sollen es nochmal miteinander versuchen, usw. Er kapiert nicht, dass ich ja schon oftmals angemeldet habe, was mir fehlt. Und er hat das immer nur halbherzig angenommen in seiner netten jungenhaften Art. Das wurde eben irgendwie eingebaut in seinen Terminkalender oder in sein „erotisches“ Repertoire. Aber was Gemeinsames ist nie draus geworden, nur halt eine Form der Berücksichtigung meiner Wünsche. Meine Freundinnen fragen auch, wie ich den gehen lassen kann. Er sieht ziemlich gut aus, ist sportlich, nett, fröhlich. Er war nie aggressiv oder mies zu mir. Aber reicht das für eine gemeinsame Zukunft?
Mal ganz einfach angefangen: Ich liebe Rennrad-Touren. Er fährt auch Rennrad, aber wir mussten immer zur Bundesliga oder zur Formel 1 zurück sein. Er stellt sich nicht dumm an beim Tanzen, aber er wollte nie einen Kurs mit mir machen, weil sich das zeitlich so auswächst. Ich möchte im Urlaub endlich mal mit dem Rennrad durch Südfrankreich touren. Er braucht immer einen Urlaub im Hotel mit Pool, Tennis-Court und Surf-Station. Wozu habe ich eigentlich französisch gelernt, wenn ich es nie brauche? Aber Schatz, für Französisch hast du doch jeden Abend Gelegenheit (hahaha).
Irgendetwas gemeinsames, das für beide von zentraler Bedeutung ist, hatte er anscheinend nie angestrebt. Es passt doch alles, hatte er geantwortet, wenn ich mal auf das Defizit hingewiesen habe. Vielleicht hätte ich frühzeitig auf Drama schalten müssen, nur das ist nicht meine Art. Ich habe gemerkt, dass ich immer weniger wichtig geworden bin. Vorrangig sind Fitnesstraining, Fußball aktiv auf dem Platz und passiv im Pay-TV, und dann noch mit den Kumpels treffen. Also will er abends immer in seine Kneipen. Ich solle mitgehen, es sei doch nett, oder ich könnte mich auch mit meinen Freundinnen treffen. Danke. Wollte ich ein neues Restaurant ausprobieren, verdrehte er schon die Augen und meckerte, dass ich dann ja doch nur wieder den Salat mit Pute bestellen würde, wozu dann irgendwo hingehen, wo man keinen kennt.
Na, vielleicht um mit MIR mal einen netten Abend zu verbringen, ohne Glotze und in die Werbepause eingeschobenen schnellen Sex? Gegen den habe ich ja nicht grundsätzlich was. Aber es ist schon ein wenig Stimmung tötend, wenn ich an ihm rumnestele und er noch schnell den Action-Film programmieren muss, bevor er Zeit für mich hat. Aber Schatzi, wir sind doch eh dauernd zusammen. Diese stereotype Antwort hat schließlich Bände für mich gesprochen.
Überhaupt der Sex: Im Prinzip war es ganz in Ordnung, aber eben nur männlich orgasmusorientiert. Am Anfang sind die Herren der Schöpfung ja immer noch neugierig, auch ein wenig eitel und legen sich schon ins Zeug – unsereiner ja auch – aber dann wird es über kurz oder lang eingefahren. Das Programm wurde nur noch routiniert abgespult. Er wusste natürlich, dass man da unten was machen muss. Aber so richtig eigene Begeisterung für das Feuerwerk, das er damit erzeugen konnte – mittlerweile: hätte können – war nie zu bemerken. Bei ihm lag, wie bei den meisten, beim Vorspiel die Betonung auf VOR und dann erst hatte er was davon. Diese treuherzige Form von Egoismus und fehlendem Einfühlungsvermögen machte es mir auch so schwer, wütend zu werden. Aber irgendwie wurde ich mit der Zeit schon sauer, denn für mich ist Sex in einer festen Beziehung ein gemeinsames Hochgefühl und mir würde schon was fehlen, wenn ihm was fehlt. War aber nie so, er war immer glücklich, sobald er dran war und machen konnte, wie Männer es eben gut finden.
Natürlich meinte auch er, ich solle unser Sexleben wieder aufpeppen, Straps und hohe Schuhe tragen. Sowas hatte ich anfangs auch gerne getan. Aber jetzt war das nicht mehr Einleitung für einen langen, sinnlichen Abend wie in den ersten Wochen, sondern halt nur ein zusätzlicher Kick. Ich sollte mich also aufwändig aufbrezeln für die übliche schnelle Nummer? Keine Lust. SEIN Beitrag zum Aufpeppen war übrigens: irgendeinen dämlichen Film mit dämlichen Akteuren aus der dämlichen Videothek mitzubringen und dann akrobatischen Stumpfsinn nachzuvögeln.
Überhaupt, wo ist die Perspektive, wenn sich einer jetzt schon so unaufmerksam zeigt? Will er überhaupt mal heiraten? Wann, mit 50? Wird das was mit Familie? Falls er mal so bieder wird, dass es was wird: bin ich dann wie alle anderen nur noch die überlastete Hausfrau mit Halbtagsjob, die weder Zeit für sich noch gemeinsam mit dem Göttergatten hat, weil der ja noch seine Freiräume braucht? Wenn der wüsste, wie oft mich Männer anbaggern, wenn ich allein unterwegs bin, beruflich oder auch an seinen Kumpelabenden. Da spürt Frau schon, dass es auch anders geht.
Nur: bleibt das dann auch anders oder wird es wieder genau so?
*
Natürlich habe ich es auch auf einem Dating-Portal versucht. Frisch hatte ich mich vorgestellt:
Alter: | 28 |
Geschlecht: | sehr weiblich |
Gewicht: | 67 kg |
Körpergröße: | 1,72 m |
Haarfarbe: | dunkelbraun |
Augenfarbe: | blaugrün |
Familienstand: | ledig und wieder sehr solo |
Kinder (Anzahl/Alter): | noch nicht |
Wohnort: | unweit der Weltstadt mit Herz |
Sternzeichen: | egal |
Kleidungsstil: | Business bis sportlich-lässig |
ich suche bzw. bin offen für: | eine neue Liebe! |
Und bis dahin: | guten, lustvollen, leidenschaftlichen, kreativen, einfühlsamen, inspirierenden, intensiven, unkonventionellen, atemberaubenden Sex |
Vorlieben (sexuelle): | ja, alles mit Phantasie und Einfühlungsvermögen |
Abneigungen (sexuelle): | ja, wir werden sehen, was darüber zu sagen ist |
Hobbys/Interessen: | ausgedehnte Rennrad-Touren, auch wenn die Bundesliga oder Formel 1 schon läuft |
Lieblingsbuch/Film: | Elisabethtown |
Lebensmotto: | |
allgemein: | Mit den Rad zur Arbeit fahren und 3 Flaschen Wasser täglich trinken erspart Fitness-Studio und Feuchtigkeitscreme. |
aus gegebenem Anlaß: | Jungs spielt weiter! Und wenn ihr mal MÄNNER geworden seid, könnt ihr noch mal nachfragen bei mir (wenn es dann nicht zu spät ist). |
Bin ich vom Pech verfolgt? Manche Reaktionen waren nett, die Treffen aber ein Reinfall. Die meisten Typen jedoch waren schon in der Kontaktaufnahme zum Abgewöhnen. Ich hab mir nix gefallen lasen. Das lief dann in etwa so:
Dass bei mir immer diese Art von Typen einen Auftritt versucht? Du weißt doch noch gar nicht, dass ich Beine bis zum Hals habe, verdammt gut aussehe und alle Männer immer schlucken, wenn ich an ihnen vorbeigehe! Jungchen, ich habe gerade erst die harmlose Ausgabe von deiner Sorte abserviert! Auf die voll hohle Version habe ich echt keinen Bock. Und damit du es kapierst: wenn ich mal so richtig Notstand habe, und mir weder im Unternehmen noch im Freundeskreis eine anstrengende Affäre an die Backe kleben will, dann lasse ich mich schon mal von der Vermutung (oder: der wahrlich nicht immer erfüllten Hoffnung) leiten, „dumm f...t gut‘. Dann gebe ich so einem eingebildeten Affen schon mal das Gefühl, er wäre erfolgreich mit seiner dämlichen Aufblaserei. Ist ganz einfach: ein bisschen Bein zeigen, ein bisschen zwinkern und schon stehen sie aufgereiht. Ich brauch nur auszusuchen. Wie die sich immer wundern, wenn ich auf das abschließende Angebot ,‚ich ruf dich an!“ nur sage: „Nicht nötig“.
Damit es anschaulich wird: Auch wer als Frau gutes Essen auf Restaurant-Niveau liebt, kann seinen Hunger zwischendurch schon mal mit einem Cheese-Burger stillen. Die Wertschätzung für den Cheese-Burger steigt deshalb auch nicht. Soll ich dich Cheesi nennen? Mmm, hat nix, der Begriff. Ich nenn dich Bonsai.
Zu Diplomatie sah ich mich nicht veranlasst, auch wenn ich mich damit in diesem Rahmen ins Abseits manövriert habe. Vielleicht sollte ich mich einfach nach Frauen umsehen, die haben echt mehr Ahnung.
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Also im Studium hatte ich eine Bude mit einer guten Freundin zusammen. Mit der konnte ich mich über alles austauschen. Eine Zeitlang waren für uns beide wirklich überhaupt keine tauglichen Männer zur Hand, nur aufgebauschte Angeber oder nachdenkliche Jüngelchen. Es war öde. Als junge Frauen im allerallerbesten Alter war es unvorstellbar, ohne Sex auskommen zu müssen. Wir sind losgezogen und haben uns mit Vibratoren ausgestattet. Das war recht lustig. Wir haben ausgiebige Beratung eingefordert und die neugierigen Blicke der männlichen Kundschaft auf uns gezogen. Zu Hause waren wir dann ganz gierig darauf, sie auszuprobieren und da haben war das dann zusammen getan und in der Erregung auch miteinander rumgemacht. Heiße Küsse und so. War echt gut.
Aber wir haben uns dabei schon mit scharfen Phantasien über Männer angemacht. Ein ausschließliches Interesse Frau an Frau war das nicht, obwohl wir das ein paar Mal zusammen gemacht haben. Meine Freundin hatte auch bald einen neuen Macker und die sind dann zusammen gezogen – aus die Maus.
Meine Chefin an meinem ersten befristeten Arbeitsplatz, die hatte es echt drauf, beruflich mit Männern umzugehen. Ich hab’s nicht gleich verstanden, aber irgendwann hat sie es ganz selbstverständlich bekannt, dass sie Frauen liebt. Das war im Prinzip nichts besonderes, aber ich hab sie mit anderen Augen gesehen. Ich hab auch gemerkt, dass sie sich irgendwie für mich interessiert. Sie hat sich aber bedeckt gehalten und blieb distanziert. Ich bin ins Grübeln gekommen und hab meinen Phantasien schon ein wenig freien Lauf gelassen. Sie hat mich wohl durchschaut. Denn als wir uns einmal tief in die Augen gesehen haben und mir schon ganz heiß wurde, hat sie nur gesagt, dass junge Frauen, die sich für aufgeschlossen und unkonventionell halten, gern mal eine lesbische Phase ausprobieren – und dann gehen sie wieder. Damit war alles klar gestellt. Ihre bitteren Erfahrungen in dieser Hinsicht waren zu ahnen und ich wusste meine Überlegungen auch richtig verstanden.
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Ich will nicht so enden wie meine Schwester.
Die hatte auch mal einen Netten. Hat sehr um sie geworben, bis seine Rose im Knopfloch fest gebunden war an ihn. Auch ein Sportbegeisterter, jetzt aber nur fast nur noch passiv. Das führt dazu, dass er am Samstag selten Zeit hat, weil er glotzen muss. Wenn das vorbei ist, hängt er am PC. Sein Beruf stresst ihn, er braucht seine Freiräume. Wenn meine Schwester mal ihre Freundinnen treffen will, lässt er seinen Stammtisch nicht sausen, der ist nämlich wichtig. Da komm ich dann zum Babysitten – liebend gerne übrigens, die beiden könnt ich fressen! Meine Schwester freut sich, wenn ich unverhofft zum Kaffee komme. Die Kinder auch.
Mein Schwager fährt im Geländewägen ins Fitnessstudio, und in die Arbeit sowieso. So sieht er auch aus, reichlich Schwabbel um die Hüften, Tendenz zunehmend. Und dass er ins Fitness fährt, glaube ich ohnehin nicht. Der hat eine andere, sag ich zu meiner Schwester immer. Die ist dann beleidigt, erzählt was von seiner Arbeitsbelastung und versteht ihn einfach nur. Gelegentlich seufzt sie schon von Nicht-mehr-als-Frau-begehrt-werden. Was tut sie dagegen: Signale aussenden! Da wird abends demonstrativ ein Ratgeber wie „Leidenschaft lebendig halten“ gelesen. Seine Reaktionen sind nicht atemberaubend, was ich so mitbekomme.
Ich war seit letztem Jahr oft bei ihnen, gerade im Sommer. Seit ich wieder in der Stadt lebe, besuche ich sie gern, schon der Kinder wegen. Mein Freund war selten mitgekommen, obwohl ich in plötzlichen Horror-Visionen vor mir sah, wie ähnlich die Männer sich waren, nur ein paar Jährchen Unterschied eben. Nun, jetzt muss er ja eh nicht mehr mit. Mein Schwager legt beim Grillen viel fettes Fleisch auf, das ist so ziemlich das Einzige, bei dem ich ihn richtig begeistert erlebe. Für meine mehr vegetarischen Gelüste lässt er immer ein paar Zucchini und Auberginen auf dem Grill verbrennen. Das hält er für aufmerksam.
Der Garten meiner Schwester ist so eine grüne Hölle. Der Göttergatte mäht gelegentlich den Rasen und nutzt die Heckenschere, um den Grillplatz freizuhalten. Der Rest ist Natur pur, eben ungepflegter Wildwuchs. Eine Lücke in den grünen Wänden gibt es nur, wo der Vorbesitzer irgendwelche Fundamente oder Pflasterflächen für nötig gehalten hatte. Das ist halt so wie am Badeweiher, obwohl man aus dem alten Grundstück, das zu ihrem Haus gehört, auch was machen könnte. Dass das wunderbar gehen kann, sieht man durch die beiden Lücken im Wildwuchs bei den Nachbarn. Die ganze Fläche ist durchkomponiert. Blühende Büsche wechseln sich ab mit verschiedenen Blumenmeeren – Beete kann man das nicht nennen – die so zusammengesetzt sind, dass immer andere Farben erscheinen, wenn die bisherigen verblühen. Da kann ich mich gar nicht satt sehen dran.
„Die arbeiten ununterbrochen, die haben gar nichts von dem Park da drüben!“ versucht mein Schwager meine Bewunderung zu dämpfen. Dann fängt meine Schwester zu sticheln an: „Er macht ihr immer Kaffee nachmittags, und abends verschwinden sie für eine Zeit. Dann kommt zuerst sie gestylt raus und aalt sich mit einer Lektüre im Liegestuhl. Später kommt er dann, deckt den Tisch auf der Terrasse und serviert irgendeine Salatkreation. Aber da hängst Du ja schon vor der Glotze“. Seine Antwort „Die müssen halt schon gesund leben, in ihrem Alter (hahahaha)!“. Nun sind die schon so um die fünfzig, aber nicht so altbacken, wie man sich so Gartenliebhaber vorstellt, sondern eher knackig. Also sie war bestimmt mal total schlank, jetzt ist sie ein bisschen rundlicher, aber sehr sportlich. Irgendetwas trainiert die. Bei der Gartenarbeit ist sie immer eher schick angezogen. Also mit Fünfzig wär ich schon auch gerne noch so gut in Schuss. Er ist groß, schlank, nicht wirklich ein Sportlertyp, aber fit eben. Er kommt immer total abgerissen daher, mit alten engen, zerrissenen Jeans, Farbflecken über und über. Der Riß in den Hosen ist meistens im Bereich der Arschbacken und da mault seine Frau schon mal lauthals durch den Garten, wie er so rumläuft. Er macht dann irgendso ein Samba-mäßiges Gewackel und behauptet, er will sexy aussehen für sie. Also knackig ist sein Hintern schon, und dazu die grauen Schläfen bei vollem Haupthaar – ziemlich sexy. Wenn sie sich über irgendwelche Stauden bückt, steht er schnell andächtig da und starrt ihr auf den Hintern. Ohne sich umzudrehen, sagt sie: „Ich weiß genau, was du tust!“ Sie küssen sich im Garten und wenn die beiden Streit haben, ist echt Feuer dahinter!
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