Zu Dritt

Tinas Geschichte - Teil 21

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Zu Dritt

Zu Dritt

Stayhungry

Hallo Tina, setzt Du Dich ein wenig zu uns? fragte Jacqueline aus dem Wohnzimmer heraus. Ich widerstand dem ersten Impuls, mit Stutenbissigkeit klarzustellen, dass sie mich in meinem Haus nicht in irgendeiner Form einladen müsse oder dürfe. Aber ich sah die aufrichtige Bitte in ihren Augen und war milde gestimmt. Gern, sagte ich. Albert holt noch zu trinken, erklärte sie ihre Anwesenheit allein. Als er zurückkam, waren wir schon vertieft in gemeinsamen Erinnerungen und mir war klar geworden, wie sehr sie schon damals an unserem Familienleben Anteil genommen hatte. Es war für sie mehr als nur ein Job gewesen. Sogar mein schweigsamer Noch-Ehemann taute auf und hatte die ein oder andere Anekdote beizusteuern, die ein wenig dieser Stimmung aus glücklichen Tagen zurückbrachte.

Es war nicht nur der Alkohol, es war das Gefühl zusammen zu gehören, das die Tür öffnete.

*

Was nun geschah, war keine Balgerei, keine Fortführung unserer ausgelassenen Geselligkeit von vorhin. Jetzt war es ernst, ein hoch aufgeladenes Konglomerat fordernder Gefühle, gespannter Aufmerksamkeit und des Hungers nach Erfüllung. Das aber war an diesem Ort etwas heikel, denn über den Flur befanden sich die Zimmer der Kinder. Wir gehen besser nach oben, lud ich die beiden ein. Sie nickten nur, rafften sich hoch. Wir verließen leise die Wohnung und stiegen die Treppe hoch in mein Reich, St. Helena, meine Insel der Verbannung, wie ich sie in bitteren Momenten nannte. Nun würde ausgerechnet sie zu einer sinnlichen Oase werden. Jacqueline schien zittrige Knie zu haben, ihre Wangen waren gerötet, ihr Atem verriet, wie ihr Herz schlug. Ich wollte Albert nicht die Aufgabe überlassen, sich einer von uns Damen bevorzugt anzunehmen. Es war mir wichtig, ihre aufkommende Unsicherheit besänftigen. Ich nahm sie in den Arm und sie schmiegte sich an meinen Hals. Unter ihrem dunkelblonden Haar suchte ich den Reißverschluß ihres Kleides. Sie seufzte, schob ihren Kopf in den Nacken und ließ das Kleid zu Boden gleiten. Dann öffnete sie die Knöpfe meine Bluse, zog sie mir nach hinten weg. Unser Geliebter schmiegte sich an uns, und zärtlich verschlungen ließen wir uns auf meinem Bett nieder.

Unser Liebesspiel hatte etwas Zaghaftes, Schamhaftes. Keine von uns beiden wollte die Schönheit des Moments durch einen fordernden Anspruch zerstören und auch unser Geliebter war bemüht, sich nicht verletzend festzulegen. Ich hatte den Eindruck, für Jacqueline war diese Art des Zusammenseins eine neue Erfahrung, wiewohl sie nicht verkrampft schien, sondern sanft und zunehmend offener. Aber auch für mich war es das erste Mal eine menage a trois mit einem Mann, für den ich tiefe Liebe empfand. Meine Gefühle für Jacqueline zwischen Rivalität und Zuneigung gaben der tiefen Erregung, die allein aus dem sinnlichen Moment entstand, eine vollkommen unwirkliche Dimension. Doch meine Seele hungerte danach, alle Gegensätze umzulieben in eine orgiastische Verschmelzung. Die Hemmungen fielen von uns und Finger, Lippen, Zungen liebten ohne Hast und ohne Unterscheidung.

Ganz anders als es begonnen hatte, zog es uns Frauen nicht zum Geliebten, sondern zueinander, nicht im Bestreben, einer männlichen Phantasie zu gefallen, sondern aus der Sehnsucht, die Trennung, die Abgrenzung, das Leid, den Schmerz, die Ausweglosigkeit, die Hoffnungslosigkeit, die Anstrengung, den Kampf, die Bitterkeit, die Einsamkeit allein im Fühlen zu überwinden. Und eine Frau muß nicht erst mit einfühlsamer Übung lernen, wie eine Frau zu berühren ist. Mit ihrem sanften Wesen übernahm plötzlich sie, die Verführte, die Führung. Auch ein aufmerksamer, erfahrener Mann kann immer nur erahnen, wie seine Zärtlichkeit zu verspüren ist. Eine Frau fühlt, ungeachtet der Unterschiedlichkeit der Temperamente, den Kuß auf der Brust, den sie gibt, das Zungenspiel auf der Scham, das sie schenkt, wie ihre eigene Empfindung. Tat sie es, um mir, der sie zumindest äußerer Anlaß für mein Elend geworden war, Gutes zu tun, Wiedergutmachung zuteil werden zu lassen? Egal, es war einfach unbeschreiblich gut, und wenn es nur befördert war durch die extreme Erregung der außergewöhnlichen Situation. Ich verspürte meinen Höhepunkt intensiv wie lange nicht mehr.

Bei alledem hatte ich meinen Gatten nur noch am Rande wahrgenommen. Er hatte ihren Unterleib sanft gestreichelt, ihre Falte, ihre Spalte, ihre Perle. Ihre Lippen begleiteten noch den Ausklang meines Erlebens über Lenden, Hüften, Bauchnabel, doch ihr Unterleib drängte sich dem seinen entgegen und er, sichtlich erregt, drang von hinten in sie ein.  Schwerer atmend, seufzend empfing sie seine Bewegungen, folgte seinem Rhythmus. Seine Stöße, ihr Erleben konnte ich ablesen an der Verwandlung ihrer Gesichtszüge, an ihrem Atem. Über mich gestützt vor meinem Angesicht warf jeder Stoß unseres Geliebten sie nach vorne, schüttelte ihr Haar, warf ihren Kopf in den Nacken. Das lustvoll-leidende Minenspiel einer Frau, die genommen wird, unterscheidet sich so sehr vom dem des Mannes, der im Fühlen seiner Kraft im Akt immer irgendwie angespannt wirkt, auch wenn er genießt. Ich sah von ihren Augen zu seinen, war selbst nach außen hin fast passiv, berührte nur wie beiläufig ihre Brüste, die vor mir schwangen wie zarte Glocken. In mir aber spielten meine Muskeln mit meinen Liebeskugeln, die ich zum Trost eingeführt hatte, nicht wissend, welche unerwartete Wendung der Abend noch nehmen sollte. Jacqueline hatte in ihrer Liebkosung nur kurz überrascht inne gehalten angesichts der Piercings und des Rückholkettchens und mich dann verwöhnt.

Ich bemerkte die Anspannung in seinem Gesicht, verzweifelt überlegte er wahrscheinlich, wie er auch mich noch angemessen betreuen sollte. Ich wollte ihn nicht fordern, war aber auch nicht so weit fortgeschritten in meiner Großzügigkeit, ihm zu bedeuten, sich nur ihr zuzuwenden. Er war nun bereits dazu übergegangen, sie überwiegend mit Hüftkreisen zu stimulieren. Das tat er immer, wenn er den Erguß hinauszögern wollte. Sie wimmerte und schien doch noch immer im Ansteigen begriffen, drückte ihre Hüften seinem Schambein entgegen, schien geradezu nach Stößen zu flehen. Ich drehte mich zur Seite, dann rückte ich abwärts, schob meinen Kopf zwischen ihre Beine und tat, was sie mir getan hatte. Es war unglaublich erregend, sein Glied in sie gleiten zu sehen und wieder zurück, so nah zu sein am fraulichen Duft wie es mir sonst nicht möglich war. Nur im schmutzigen Kuß des Geliebten erfuhr ich ihn sonst von mir selbst so intensiv. In der wilden Erregung hatte ich gar keine Gedanken über mich oder die Einordnung meines Tuns. Es ging mir im eigensten Interesse nur um ihre Lust und ich fühlte mit jeder Faser meines Körpers, was sie fühlte. Nur wenige Momente vibrierte meine Zunge auf ihrer Klitoris und sie kam. Verhalten schrie sie, ihr Unterleib zitterte, Albert stieß einige Male kurz und heftig und verweilte dann tief in ihr. Ihre Arme knickten ein und sie sank über mich.

Mein Gatte zog sich aus ihr, küsste sie auf Gesicht und Nacken. Dann offerierte er mir seine Pracht und ich vermehrte die Feuchte reichlich aus meinem Mund. Ich kniete mich vor ihn, stützte meinen Kopf und meinen Oberkörper auf das Bett, die Arme flach und angewinkelt. Derart vorne abgesenkt überstreckte ich meine Backen so, dass ich ihm seine einzige Möglichkeit, in mich einzudringen überdeutlich darbot. Er leckte mich kurz  feucht und drang dann vorsichtig in mich ein. Eine kraftlose Jacqueline sah mich mit großen Augen an und legte ihre Wange an meinen Mund. Wie lange hatte er mich nicht mehr so genommen. Er wusste noch sehr gut, wie er diesen Schmerz mit Lust erfüllen konnte. Zusammen mit dem hilfreichen Inhalt meiner Vagina erlebte ich bald meine erste Welle, die Erregung flaute jedoch nicht ab, sondern baute sich nochmals auf. Jacquelines Hand wanderte zwischen meine Schamlippen. Doch dort war ich schon überreizt, sie verstand mein Kopfschütteln sofort und streichelte nur noch sanft über die Spitzen meiner Nippel. Dann stieß Albert mich in seinem Kommen tief und schmerzhaft, seine kräftige Hand packte meinen Nacken und drückte mich in die Kissen.

Er fiel fast auf mich in seiner Ermattung und wir keuchten, so geschafft waren wir. Albert stand auf und verschwand ins Bad und ich lag neben meiner lieben Rivalin, Nachfolgerin, Gespielin. In die entspannte Zufriedenheit ihres Gesichtsausdrucks mischte sich ein Hauch Melancholie. Ich wusste, sie hatte gerade außerordentliche Vertrautheit und blindes Verstehen erlebt. Vielleicht schwante ihr, dass ihre Stellung tatsächlich noch nicht so gesichert war, wie es die letzte Zeit den Anschein gehabt hatte. Vielleicht waren das auch nur meine Gedanken, aber mit dem nur Fühlen, nicht Denken war es, für jetzt zumindest, schon wieder vorbei.

Albert legte sich wieder zu uns und wir alle schwiegen, denn nun zu reden hätte gefahrvoll in die Nähe einer Aussprache geführt, und uns allen war nach diesen tiefen Gefühlen auch nicht mehr nach Jux und Heiterkeit. Wir kuschelten uns aneinander und wussten doch, dass wir die Verschmelzung, das Einswerden nicht festhalten konnten.

Ich fiel in tiefen, traumlosen Schlaf. Am Morgen war ich allein.

*

Anders als die klassische Männerphantasie es sich vorstellt, war es uns nicht darum gegangen, unseren Geliebten zu verwöhnen und unsere Bedürfnisse hintanzustellen. Vielmehr hatte er auf manches verzichten müssen, das ihm allein mit einer von uns beiden nicht verwehrt gewesen wäre. Aber uns ging es darum, in dieser Entfesselung der Gefühle, Bedürfnisse, Spannungen miteinander zu Recht zu kommen, uns anzunehmen, dem Haß und der Verbitterung den Nährboden zu entziehen. Wenn zwei Männer es schaffen, dieselbe Frau miteinander zu lieben, dann dringen sie in sie ein und begegnen sich in ihr auch körperlich, spüren einander. Das war uns nicht möglich, wir mussten dies anders fühlen und es war uns gelungen. Er aber musste haushalten mit seinen Kräften, planvoll vorgehen, um die sensible Balance dieser außergewöhnlichen Begegnung, die auf keine Erfahrung oder Routine zurückgreifen konnte, nicht zu zerstören.

Dieses Dreieck der Liebe mochte noch irgendwie funktionieren als Strukturierung einer Patchworkfamilie, aber als beglückende Erfahrung in der sinnlichen Liebe erwies es sich nicht. Die paar Versuche, dieses wunderbare Erlebnis zu wiederholen, begannen in Verlegenheit und mündeten nur noch in leidlicher Zufriedenheit. Angesichts einer nicht uneingeschränkten Leistungsfähigkeit meines Ehemannes musste im nüchtern körperlichen Bereich immer irgendwie eine der Damen zurückstehen. Und auf ihm lastete ein erkennbar hoher Druck, sich gerecht zu entscheiden. Aber auch seelisch-sinnlich erwiesen sich diese Versuche als belastend, denn auch mit aufrichtigem Vorsatz zur Offenheit waren wir doch Rivalinnen, von denen jede seine Liebe für sich allein ersehnte.

Die unklare Situation also wie auch die Last für meinen Mann, der nicht für die Vielweiberei geschaffen war, erzeugten Gereiztheiten, Spannungen. Wir stritten über Dinge, die uns selbst lächerlich erschienen, aber als Anlaß bereitwillig verwendet wurden. Es ging hin und her und die Koalitionen wechselten, bis sogar wir Frauen uns in den Armen lagen und beschlossen, den Kerl in die Wüste zu schicken, diesen Schweiger, der uns in diese Lage gebracht hatte und keine Struktur finden konnte oder wollte – typisch Mann eben.

Ich weiß nicht, ob eine derartige Beziehung funktionieren kann. Vielleicht, wenn die Damen in Freundschaft verbunden sind und den Mann verführen, als Liebesspiel ohne an das Zuvor und das Danach zu denken wie die Orgien der klassischen Antike. Wie so etwas auf Dauer gehen soll, weiß ich überhaupt nicht. Für mich jedenfalls war es die Fleischwerdung seiner Zerrissenheit, von mir nicht loszukommen und sie doch gänzlich erreichen zu wollen. Mit der Zeit verletzte mich die Lage selbst mehr als irgendein Verhalten der beiden.

Du kannst nur einem Menschen in die Augen sehen, hatte K.s unbekannte arabische Schöne gesagt und wieder einmal sollte sich diese Weisheit bewahrheiten. Weit, sehr weit hatte ich mich mit den Jahren entfernt von den Zumutungen, die ich K. zu dulden abverlangt hatte. Ich beendete diese unklare Situation, indem ich meinem Gatten mitteilte, dies sei künftig nicht mehr angemessen für meine Gefühlslage. Ich glaubte, ihm Erleichterung anzumerken und auch von ihrer Seite kam kein Versuch mehr, eine unkonventionelle, in Wahrheit aber trügerische erotische ldylle aufrecht zu erhalten.

Ich erlag seinen traurigen, dunklen Augen noch einige Male allein und nahm es ohne nachzudenken, aber seine Ziellosigkeit lag offen vor mit wie ein aufgeschlagenes Buch. Dass er nicht zwischen uns im selben Bett lag, war nur eine Nuance des gleichen Problems. Sein weiteres Werben, das interessanterweise eine deutlich höhere Frequenz und lntensität aufwies als vor dem Beginn seiner Affäre, ließ ich ins Leere laufen. Nein, ich konnte es nicht mehr ertragen, wenn er wieder vor meiner Tür stand, sich plötzlich wieder nach mir sehnte. Selbst wenn er sich für mich entscheiden würde, es könnte nicht mehr das sein, was es einmal war und ich konnte mir auch nichts Neues vorstellen, das dem Glück der vergangenen Jahre gleichkommen könnte.

Unser Bild als tanzendes Paar im Büro verschwamm vor meinen Augen im Fluß der Tränen.

Einen Moment noch zögerte ich, dann nahm ich es ab.

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