Zuckerbrot und Peitsche. Das Game.

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Zuckerbrot und Peitsche. Das Game.

Zuckerbrot und Peitsche. Das Game.

HafenLiebe

Sein Saft schmeckt heute scheiße. Bitter und seifig. Aber ach, er freut sich so. Ich kann’s trotzdem nicht schlucken, allein der Gedanke daran lässt mich würgen. Er mag es, wenn ich ihm die weiße Soße auf meiner Zunge zeige, er liebt es, wenn sie mir am Kinn runterläuft, wenn sie in meinen Mundwinkeln kleben bleibt und er mich sauberlecken darf. „So ein dreckiges Mädchen“, sagt er dann gerne und streicht mir die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht. Er meint es liebevoll und mein Herz gehört ihm in Momenten wie diesen.

Es geht trotzdem nicht. Und jetzt? Es auszuspucken verbietet mir mein Anstand. Also behalte ich es im Mund, krieche hoch zu ihm, nehme sein Gesicht in meine Hände, küsse ihn und gebe es ihm zurück. Er stöhnt und trinkt es, als wäre es Jimi-Cola, und ich frage mich, warum es ihn nicht genauso anwidert wie mich.

„Ich hab Durst“, sage ich und stolpere nackt in die Küche. Ich muss diesen Geschmack loswerden, am liebsten würde ich mir das Maul mit Seife auswaschen. Am Fenster bleibe ich stehen und winke dem alten Herrn von gegenüber, der jeden Tag um diese Zeit, die Ellbogen auf ein Kissen gestützt, die Nachbarschaft inspiziert. Er winkt zurück.

Ich sehe in den Kühlschrank, nehme eine Flasche Bier heraus und gehe zurück ins Schlafzimmer.

„Mach mal auf“, befehle ich. Er nimmt das Feuerzeug, das neben dem Bett liegt, öffnet die Flasche damit und schnipst mir den Kronkorken dann mit einem verächtlichen Blick entgegen. „Aua!“, maule ich und reibe meine Nippel. Genau auf die Titten, klar. Idiot.

„Ich mag es nicht, dass du dich ständig von diesen Pissern anglotzen lässt.“ Bitte? Oh mon dieu, jetzt hab ich mich doch tatsächlich an meinem Getränk verschluckt.
„Welche Pisser? Wen meinst du?“
„Diese Typen, mit denen du rummachst“
„Hä?“
„Diese Pornofotzen, Mann!“ Ach die. So nennt er meine virtuellen Bekanntschaften.
„Aber Baby, das ist doch nur www-Scheiße. Ich kenn die alle gar nicht. Außerdem gehör ich nur dir. Weißte doch.“ Meine uneleganten, mit Edding bemalten und mit den Clubstempeln der letzten Nacht verzierten Kinderhände streicheln seinen Bart. Schnurrend klettere ich auf ihn und lege mich auf seinen Bauch. Hoffentlich zieht die Kätzchen-Nummer, Streit mit ihm ist das Letzte, was ich jetzt will. Lieber noch mal ficken, der Vormittag ist wie gemacht dafür.

„Du kotzt mich an“, sagt er leise. „Verpiss dich.“ Und obwohl ich über seine Leidensmiene lachen sollte, darüber, wie er sich auf die Unterlippe beißt, um allem noch mehr Dramatik zu verleihen, fühle ich einen Stich.

Das Spiel ist stets dasselbe. Zuckerbrot und Peitsche. Irgendwie schaffe ich es immer, in eins der Fettnäpfchen zu treten, die er um mich herum aufgestellt hat. Ich kann gar nicht anders, der ganze Fußboden ist voll davon. Dann bestraft er mich, in der rechten Hand die Peitsche, geflochten aus Vorwürfen, Abscheu und Begierde, das alte schwarze Ding, dessen Hiebe niemals sichtbare Spuren hinterlassen. Erst, wenn ich nach Stunden, in denen er mich mit Worten gekränkt, mich mit Ignoranz und Ekel in den Augen verletzt hat, mit rasendem Herzen und verheulter Visage in der Ecke liege, kniet er sich neben mich und meinen Stolz, der nur noch ein kleiner, glühender Klumpen ist, und sagt mir, wie sehr er mich liebt. Er küsst mich und füttert mich mit Zuckerbrot-Krümeln, bis ich dankbar und vollgefressen in seine Arme sinke.

Aber heute nicht, etwas ist anders. Es fühlt sich an, als sei ich dem Spiel entwachsen. So wie damals, als ich beschloss, niemals wieder Gummitwist zu spielen.

„Hör mal, Prinzesschen auf der Erbse! Du hast mir wehgetan vorhin!“ Ich bin wütend. Einfach einen Kronkorken gegen meine königlichen Titten schnipsen, wo kommen wir denn da hin!

Die Augen sind vor Wut ganz schwarz und funkeln. Unter dem Bett lugt die Peitsche hervor. Seine Hände zucken. Ich lache ihn aus. „Du bist so eine Lachnummer. Sei doch mal ein Mann, verdammt!“

„Verpiss dich, hab ich gesagt!“, schreit er. Ich ignoriere ihn. Dann stehe ich auf, ziehe mein Kleidchen an, hebe die Ballerinas auf, die vor der Tür auf dem Boden liegen und auf mich warten, gehe zum Schrank, öffne ihn und hole den dunkelgrünen Glitzerkarton heraus. Darin bewahrt er das Zuckerbrot auf. Oder das, was davon übrig ist. Die Butter ist schon ganz ranzig, die einstmals schönen, dicken Zuckerbrocken sind nur noch zu erahnen. Und da, in der Ecke… Ist das Schimmel? Ich lecke vorsichtig am Brot und schüttel mich. Er glotzt mich an, seine Schläfen pulsieren, sein Atem geht schwer.

Ich setze mich züchtig und mit übereinander geschlagenen Beinen neben ihn auf die Bettkante, den Karton in meiner Hand.

„Ach Baby. Sei mir wieder gut.“ Doch er öffnet nur seinen Mund, um mir seine Empörung entgegenzubrüllen. Für einen kurzen Moment bin ich traurig. Dann greife ich in den Karton nach dem Zuckerbrot-Desaster und stopfe ihm damit das Maul.

Die Peitsche werde ich mitnehmen.

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