Zwiegespräch mit einem Freund

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Zwiegespräch mit einem Freund

Zwiegespräch mit einem Freund

Patricia Lester

Pete sah sich im Spiegel an, der eine Wand des Zimmers einnahm, und in dem er sich vom von oben bis unten, von allen Seiten, betrachten konnte. Er gefiel sich. Da gab es nichts, was einen Makel aufwies. Dennoch war er immer wieder gescheitert.Beim letzten Anlauf zu einer Beförderung, einer Gehaltserhöhung, war er wirklich direkt geworden, hatte seine Scheu abgestreift und all seine Vorzüge genannt.
Er arbeitete rein körperlich, gönnte sich nichts und setzte all seine Kraft ein. Sätze fielen ihm ein, die er voller Überzeugung gesagt hatte:
„Sie dürfen nicht vergessen, ich stürze mich immer mit dem Kopf zuerst in meine Arbeit, habe keine Angst vor großen Tiefen, ohne Rücksicht auf Wochenenden und Feiertage, und das das ganze Jahr hindurch.“
„Und was noch?“ Die Antwort war so gleichgültig wie bei einer dieser unpersönlichen Telefonansagen.
„Ich arbeite in ständig feuchter Umgebung, an dunklen Plätzen, der Gefahr einer ansteckenden Krankheit stets bewusst. Doch nie habe ich mich beklagt.“
„Richtig, doch das tun eine Menge anderer Männer auch, die den Job besser erfüllen.“
Pete hätte sein Gegenüber umbringen können. Doch er durfte diese Stelle nicht verlieren. Er war dringend darauf angewiesen.
„Bitte vergessen Sie nicht den tagtäglichen Druck meiner psychischen Belastung, dem ich mich unterwerfe, das unterschiedliche Tempo, das mir abverlangt wird. Und wenn ich sagen sollte, dass es Arbeitsplätze mit viel attraktiveren, leichteren Bedingungen gibt, dann heißt es, ich könne gleich gehen, ohne dass nur ein Wort darauf verschwendet wird, ob ich nicht ein paar Mark mehr bei meiner Leistung verdienen könnte. Und eine fristlose Kündigung, bloß weil ich hier ehrlich bin, ist auch ungerecht.“
„Sie haben sich doch schon an anderen Stellen umgesehen. Etwa nicht? Und haben Sie da nicht versagt? Und Sie haben gedacht, dort ist alles viel leichter, einfacher, mit weniger Einsatz das Gleiche oder Besseres zu bekommen?“
„Meinetwegen, Sie haben Recht. Ich möchte auch hier bleiben, aber vielleicht könnte ein wenig mehr für mich herausspringen?“ Pete hatten die letzten Worte alle Kraft gekostet. Auf diesem konkurrenzreichen Markt hätte er den Mund nicht so aufreißen sollen. Ein adäquater Nachfolger stand sofort bereit. Er wand sich unbehaglich auf seinem Stuhl.
Die Antwort kam in Staccatosätzen, die auf ihn niederschlugen, schlimmer als der ärgste Hagelschauer bei einem Unwetter.
„Ach, Sie wollen eine Antwort? Können Sie haben. Ich habe Sie die letzten Jahre genau beobachtet. Und ich werde Ihnen folgendes sagen.“ Die Stimme schwieg einen Augenblick, als müsse sie Luft holen.
„Sie arbeiten weder siebenunddreißig Stunden in der Woche noch sieben Stunden am Tag.“
Das war öfters vorgekommen. Er konnte es nicht leugnen.
„Nach kurzer Anstrengung schlafen Sie erschöpft ein.“
Die Bemerkung war nicht ganz falsch.
„Sie halten sich nicht an die tariflichen Vorgaben Ihres Arbeitgebers, ergreifen selten die Initiative, müssen sich vielmehr von außen reizen lassen, als hätten Sie keinen Autopiloten, der Ihnen den Antrieb gibt, ohne jedes Mal auf die allgemeinen Hilfsmittel zurückzugreifen. Manchmal ist es schon peinlich, sehen zu müssen, wie träge Sie überhaupt an die Arbeit gehen. Nein, mein Lieber, für solche Schlaffies ist kein Platz in meinem Unternehmen.“
Was hätte Pete erwidern können? Er wurde missverstanden. Immer und stets hatte er sich selbst verleugnet und nur an die ihm auferlegten Pflichten gedacht, die manchmal quälerisch waren, aber immer stets von ihm zu viel verlangten. War er denn eine Maschine? Verdiente er nicht wenigstens manchmal ein wenig Verständnis, Zurückhaltung oder einen Funken Anerkennung? Doch hier war er fehl am Platz. Er konnte kaum noch den letzten Worten folgen.
„Sie verletzten die vorgeschriebenen Sicherheitsvorschriften, tragen keine Schutzkleidung, hinterlassen überall Spuren, die dann die Putzfrau zu beseitigen hat. Sie haben bisher keine einzige Doppelstunde übernommen, verlassen vielmehr Ihre Stelle, ohne mit der vorgeschriebenen Minimalleistung fertig zu sein. Stimmt das?“
Die Worte drangen in Pete ein. Er hatte sich nie als Versager gefühlt. Im Gegenteil, er hatte gedacht, dass er mit allem über der Norm läge. Wenn er nur gehen und all das hinter sich lassen könnte! Doch die Gnade war ihm nicht beschert. Jetzt drang noch ein höhnisches Lachen an sein Ohr. „Sie wollen mich um etwas bitten, Sie Null, Sie Kneifer, der so manches Mal beobachtet worden ist, wie er mit einem prallen Sack das Haus verließ? Wohin sind Sie gegangen? Was trugen Sie weg? Bei wem haben Sie es gelassen?"
Pete wollte nur noch sterben, als er die letzten zynischen Sätze hörte: „Gehen Sie doch in Rente, oder fragen Sie die Kreishandwerkerschaft, ob die Ihnen helfen kann, falls Sie bei dieser versichert sind. Ansonsten tut es mir Leid. Früher waren Sie mal ganz brauchbar.“ So war das Gespräch verlaufen. Eigentlich schade, dass es so viele Männer gab, die in einem trauten Zwiegespräch mit ihrem Pete erkennen mussten, dass sie irgendetwas falsch angefangen hatten. Robert fühlte sich allein und im Stich gelassen, nicht nur von Pete, sondern auch von Silvie, die ihm all das mit höhnischer Stimme vorgehalten, auf seine Einwände nicht reagiert hatte und jetzt weg war. Doch Pete gehörte ihm, nur ihm allein, und Robert streichelte ihn, wie um sich und auch ihn zu trösten. Und da wachte er auf, sein Freund, wurde stark und tatendurstig und war bereit für einen neuen Job, für jede Herausforderung, für einen Full-Time-Job, einfach für alles.Robert stand auf. Er und Pete waren die Größten.

 

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