Zwischen Tod und Auferstehung - Teil II

68 12-19 Minuten 0 Kommentare
Zwischen Tod und Auferstehung - Teil II

Zwischen Tod und Auferstehung - Teil II

Gero Hard

Nadine: Das Treffen mit Leon war besser gelaufen, als ich erwarten durfte. Dass ich Mama dabei in den Rücken falle, war so krass nicht geplant. Das mit der Wanne war mir so rausgerutscht. Leon hat super reagiert, so verständnisvoll. Es macht Spaß mit ihm zu reden. Wenn er in meinem Alter wäre … er ist einfach Klasse.

Klar, ihm sind ein wenig die Gesichtszüge entgleist, als ich ihm von Mum’s Gefühlen erzählt habe. Trotzdem, wie ruhig er geblieben ist, toll. Ich liebe ihn jetzt schon, wegen seiner Art und der Ruhe, die er in scheinbar jeder Lebenslage ausstrahlt.

Bei der Verabschiedung sind mir die Tränen gekommen, weil ich mir so sehr wünsche, dass Mama und er zusammenkommen. Nicht ganz uneigennützig versteht sich. Er ist der ideale Partner für Mama und die ideale Schulter für mich zum Anlehnen, wenn ich mal einen starken Arm brauche. Wie schön es sich anfühlte, als er mich fest in den Arm nahm. Es tröstete mich und ein warmes, neues Gefühl durchströmte mich in dem Moment. Ein Gefühl nie gekannter Geborgenheit. Ja, das musste es sein. So wie er, hat mich mein Vater nie in den Arm genommen.

Die Eindrücke dieses Tages ließen mich nicht einschlafen. Es muss einfach gelingen. Es muss …!!!

Jeden Abend schreiben wir oder schicken uns Sprachnachrichten. Jeder Satz von ihm, egal wie banal er war oder ein Einfaches „träum schön Prinzessin“, ließ mich mit seligem Lächeln einschlafen.

Mama hatte eine anstrengende Woche. Genug Zeit also, mit dem Fahrrad den Stadtpark und ein paar andere schöne Ecken der Stadt zu erkunden.

Mum sollte kein Problem darstellen. Sie ist froh, wenn ich sie mal an die frische Luft zerre, was selten genug vorkommt. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass sie begeistert zustimmt, als ich ihr von einem ausgedehnten Spaziergang mit abschließendem Kuchen im Stadtpark erzähle.

Mein junges Herz schlägt mir bis zum Hals, als wir mit dem Auto bis zum Park fahren. Nervös sehe ich ständig auf das Handy, ob nicht vielleicht doch noch kurz vor Toresschluss eine Absage von Leon eintrudelt. Wir sind gut in der Zeit und wir schlendern gemütlich die Sandwege entlang. Mama hat einen Arm um meine Schultern gelegt. Das hatten wir wirklich lange nicht mehr.

Gemächlich nähern wir uns dem Pavillon. Ein Mann sitzt dort auf einer Parkbank. Ich kann sehen, wie er nervös mit dem Bein wippt. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, weil er zur anderen Seite sieht.

Endlich dreht er seinen Kopf, sieht und erkennt uns. Er lächelt, steht auf und kommt auf uns zu. In seinen Händen trägt

er ein paar gelbe Gänseblümchen. Eine süße Idee, viel besser als ein großer Strauß aus dem Blumenladen.

Mama ist wie vom Donner gerührt. Sie wird knallrot und sieht mich strafend an.

„Nadine, hast du etwa deine Finger im Spiel?“ 

„Ich? Nein!“

„Es stimmt Frau Doktor, sie kann nichts dafür, es ist purer Zufall, dass wir uns hier begegnen. Ich bin gern an der frischen Luft.“

„Ach ja? Und ganz zufällig haben Sie ein paar niedliche Blümchen dabei, riechen so wunderbar und warten auf einer Bank auf uns. Na, warte mein Fräulein, darüber reden wir noch. Aber wenn Sie schon mal da sind, natürlich ganz zufällig, möchten Sie dann mit uns ein paar Schritte gehen?“

„Aber nur, wenn ich Sie beide nachher zum Kaffee und Kuchen einladen darf.“

„Einladung angenommen,“, strahlt mich Nadine an. Sie zwinkert mir mit einem Auge zu. „Ist doch so, oder Mama?“

„Na gut, weil du es bist, oller Quälgeist.“

Lächelnd zieht sie mich an ihre Schulter und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel. Sie ist mir also nicht böse.

Und Sie, Herr Stolberg? Auf Sie sollte ich wirklich sauer sein. Lassen sich von dieser kleinen Göre um den Finger wickeln und unterstützen ihr perfides Spiel auch noch?“

„Es tut mir leid, Frau Doktor.“

„Ach verflucht nochmal, lassen Sie doch endlich dieses blöde ‚Frau Doktor‘ weg!“, fährt sie den armen Leon an, „Wenn wir hier schon verkuppelt werden sollen, dann entweder Frau Angerer, wenn es förmlich bleiben soll, oder Freya, wenn es locker werden soll, oder Tante Angerer, wenn es lustig sein soll.“ 

Ich habe ein schlechtes Gewissen. Die Idee war wohl doch nicht so prickelnd und nun kriegt der arme Kerl die volle Breitseite. Aber wer kann auch ahnen, dass der Dussel hier auf einer Bank auf uns wartet und dann auch noch Blümchen in der Hand hält. So war das alles nicht gedacht. Er sollte doch, wie zufällig, auf uns zukommen, natürlich ohne Blumen. … Männer …!

Trotz des dicken Schnitzers bin ich ja froh, dass er Wort gehalten hat. Und wenn ich in Mama’s Gesicht sehe, kann es so schlimm nicht gewesen sein. Ihre Augen funkeln, sie lächelt glücklich und dass sie alle zwei Minuten an den Blüten riecht, verrät sie vollends.

„Vielleicht wäre eine Mischform angebracht? Die Kombination aus Vornamen und ‚Sie‘?“, schlägt Leon vor.

Nicht dumm, die Idee. Jetzt bin ich gespannt, wie Mama darauf reagiert. Schon aus beruflichen Gründen hat sie diesbezüglich einen Stock im Arsch und ist gar nicht locker. Wieder und wieder schnüffelt sie an den Blümchen, sieht verlegen auf den Boden. So ist sie immer, wenn sie nicht weiß, was sie sagen soll. Wenn sie jetzt noch anfängt, mit den Zehen kleine Kreise in den Sand zu zeichnen, ist alles verloren, dann kann sie nicht mehr klar denken. Scheiße, der erste Bogen ist gemalt.

„Nun sag schon ‚du‘ zu ihm. Mache ich doch auch. Leon ist ok … nu los, mach dich mal locker!“, stupse ich sie an.

„Eigentlich hat sie recht. Ich könnte Sie wirklich duzen, jetzt, wo Sie nicht mehr mein Patient sind. Aber noch nicht heute. Es ist mir zu früh. Die Mischform ist ganz gut für den Übergang. Wäre es für Sie wirklich in Ordnung, Leon?“

„Auf jeden Fall, Freya. Es wird etwas ungewohnt sein, aber das wird schon. Wollen wir nun weiter? So langsam bekomme ich Kaffeedurst.“

Freya: Oh Gott, wie lange ist das her, dass ich einen Nachmittag mit meiner Tochter verbringe? Die frische Luft, die Sonne um den Vitamin-D-Akku zu füllen, wie sehr habe ich das gebraucht. Viel zu oft hocke ich in dem Sessel und höre mir die Sorgen und Nöte meiner Patienten an. Viel zu oft berühren mich ihre Geschichten und lassen mich auch nachts nicht los. Umso mehr hat mich Nadine‘s Vorschlag überrascht, aber auch gefreut, als sie mir von dem Spaziergang mit anschließendem Kaffee und Kuchen im Stadtpark erzählte.

Jetzt erklärt sich auch ihr unverschämtes Grinsen, dem ich in dem Moment noch keine besondere Bedeutung zumaß.

Dieses Luder hat doch tatsächlich mit Leon geredet. Dabei hatte ich es ihr doch ausdrücklich verboten sich einzumischen. Ich habe es nicht ernst genug genommen als sie letztens sagte: „… oder soll ich das für dich übernehmen?“

Schon gar nicht hätte ich ihr das zugetraut, hatte es für einen trotzig daher gesagten Spruch gehalten. Ich habe immer versucht, sie zu einem selbstständigen, selbstbewussten Mädchen zu erziehen. Es macht mich stolz zu sehen, wie gut das letztendlich gelungen ist.

Etwas explodiert in meinem Kopf und setzt dabei eine Menge Endorphine frei, die meinen Körper durchströmen. Sieh dir einer diesen Mann an, wie stolz er dasteht, mit seinen Gänseblümchen in der Hand. Was für eine süße Idee. Sonst schleppen Männer immer riesige Sträuße von Rosen oder sonstigem Gestrüpp an. Aber noch nie habe ich Gänseblümchen bekommen. Ich schmelze förmlich dahin.

Meine Brustwarzen werden hart und reiben fest am Stoff des BH's. Der Reiz, zusammen mit dem Glückshormon, lässt mich feucht werden. Ich spüre, wie ich den trüben Saft produziere, der meine Schleimhäute aufnahmebereit macht. Nadine darf nicht sehen, wie er auf mich wirkt und Leon erst recht nicht.

Jetzt steht er vor mir, ein wenig schüchtern, zurückhaltend, immer den respektvollen Dunstkreis einhaltend. Wie

himmlisch er riecht, seine tiefblauen Augen, … wenn er mich jetzt einfach küssen würde, ich wäre unfähig mich zu wehren. Ich würde es geschehen lassen und mich von den Gefühlen davontragen lassen. Ich würde mich in seine starken Arme lehnen, mich an ihn drücken lassen und seine Hände auf meinem Hintern spüren wollen. Ich würde mich ihm ergeben, ja sogar auf einen One-Night-Stand würde ich mich mit ihm einlassen. „Nadine, hast du etwa deine Finger im Spiel?“, versuche ich den Schein zu wahren.

Niedlich, wie er einen Schritt vorwärts macht und sich schützend vor meine Tochter stellt. Auf ihn muss ich auch böse sein um glaubhaft zu wirken. Viel lieber würde ich ihm meine Lippen anbieten, damit er mich endlich küsst.

Es ärgert mich, dass er immer ‚Frau Doktor‘ zu mir sagt. Viel lieber würde ich ihn duzen. Aber was soll er denn von mir denken, wenn ich es ihm nach so kurzer Kennenlernphase so leicht mache.

Gut, dass er eine Lösung parat hat. Die Mischform, na klar, das ist es. Die Idee hätte von mir sein können, aber ER hatte sie. Mir wäre das in dieser Situation nicht eingefallen.

Ok, wenn er nun schon mal da ist, warum sollte ich mich nicht darauf einlassen. Gemütlich schlendern wir die Sandwege entlang. Wenn der Zufall es will, berühren sich unsere Hände, weil die Arme locker durchpendeln. Dann ist es, als wenn ein Stromschlag durch meinen Körper fährt. Die Luft zwischen unseren Händen knistert, als wenn kleine, elektrische Lichtbögen überschlagen. Kurz überlege ich, ob ich ihm sagen soll, dass er mich verwirrt. Stattdessen gehen wir still nebeneinander her. Nur unsere Blicke treffen sich öfter als mir lieb ist.

Nadine plappert in einer Tour, berichtet in schillernden Farben, wie sie sich mit Leon getroffen hat und ihn von ihrem Plan überzeugen konnte. So aufgeregt habe ich sie lange nicht erlebt. Aufgeregt, gelöst, fröhlich und glücklich.

Dieser Mann fasziniert meine Tochter genauso wie mich. Mit jedem Fußabdruck, den wir im Sand hinterlassen, fühlt sich seine Nähe besser, vertrauter an.

Ich kann es kaum noch erwarten, mit ihm im Café zu sitzen und ihn anzusehen, die Bewegung seiner Lippen beim Sprechen zu studieren. Die Torte könnte nach sauren Gurken schmecken, ich würde es kaum bemerken.

Wir sind ein lockeres Gespräch angefangen, über Covid im Allgemeinen und über Tina im Besonderen. Ich kann sehen, dass es ihm nahegeht und wie er versucht, seine Tränen zu unterdrücken. Er ist noch nicht über den Berg und es wäre auch zuviel verlangt, wenn es nach 5 Monaten schon vergessen wäre. So ein Erlebnis wird man nie wieder richtig los, wenn es die große Liebe erwischt hat und wenn man vor allem alleine steht.

„Leon, Nadine hat Ihnen ja schon verraten, dass ich Ihnen noch etwas sagen wollte. Letztens, in der Praxis. Sie sollen wissen, dass ich gerne für Sie da wäre. Nicht wie bei einer Behandlung, sondern als ihr Rettungsanker. Sie haben meine Adresse, meine Telefonnummer und meine Handynummer können Sie auch gern haben. Bitte zögern Sie nicht mich anzurufen, wenn Sie einen depressiven Schub bekommen, oder das Gefühl bekommen, keinen anderen Ausweg mehr zu wissen. Rufen Sie an, wenn Sie reden möchten oder Begleitung bei einem schweren Gang brauchen. Bitte Leon, seien Sie nicht zu stolz und bitte versuchen Sie nicht unnötig stark zu sein, wenn es nicht sein muss. Rufen Sie mich an, bitte, ja?“

Er lächelt mich an. Er muss nichts sagen damit ich merke, dass er mir für meine Aussage dankbar ist. Er nimmt meine Hand, die locker auf dem Tisch liegt und drückt sie sanft. Ein neues Kribbeln macht sich in meinen Brustwarzen breit.

Unglaublich warme, weiche Hände sind das. Nicht kratzig und rau, keine Handwerkerhände, sondern gepflegte Haut mit kurzen, sauberen Fingernägeln, so wie ich es bei Männern liebe. Ich stehe drauf, wenn Männer auf ihr Äußeres

achten. Leon ist ein Musterbeispiel dafür.

Nach meiner Abfuhr hat er keinen neuen Psychologen gesucht, sagt er. Fühlt sich angeblich gut. So, als wäre eine weitere Behandlung nicht nötig. Gewagte Nummer, wenn ich mir die frischen Narben an seinen Handgelenken so ansehe.

Es ist fast 18Uhr geworden, als wir uns mit dem Versprechen verabschieden, so einen Ausflug zu wiederholen. Nadine springt auf und umarmt ihn. Davon hat sie bisher nichts erzählt.

„Was guckst du so? Das machen wir immer so und wir schreiben abends auch.“, blafft sie mich an.

Mit offenem Mund beobachte ich die beiden. Dann kommt er zu mir … um den Tisch herum … ganz dicht … jetzt. Seine Arme umschließen meine Schultern und sein Gesicht drückt sich an meine Wange. Meine Knie werden weich. „Halt mich bitte.“, hämmert es in meinem Kopf. Er lässt mich los, aber wie ein Phantomschmerz fühle ich seine Hände auf meinem Rücken, wo längst keine mehr sind.

„Bis bald.“, sagt er und geht mit gesenktem Kopf den Weg entlang. Nadine und ich sehen ihm nach.

Dicht hat sie sich an mich gedrückt.

„Ich finde ihn super, Mama. Ich mag ihn sehr.“, flüstert mir meine Tochter zu.

„Ich auch mein Schatz, ich auch.“ und wische mir unbemerkt an meiner Schulter eine Träne ab.

Leon: Ganze drei Tage ist es nun her, dass ich mit den zwei Frauen durch den Park gegangen bin. Diese Frau ist genauso, wie ich sie eingeschätzt habe, als Nadine mich darum bat. Ich muss sie wiedersehen, unbedingt. Sie ist eine wunderschöne, kluge Frau, die mich nachts von ihr träumen lässt. Immer, wenn ich die Augen schließe, taucht ihr Gesicht vor meinen Augen auf. Gelegentlich passiert mir sogar, dass ich unbewusst meine Arbeit unterbreche und gedankenverloren vor mich hin starre und dabei in einem Tagtraum versunken bin. Bis Gero mich anstößt und mit einem lauten Lachen wieder in die Realität zurückholt. „Na mein Freund, wieder in Gedanken bei Frau Doktor?“

Gero weiß als einziger, wie es um mein Gefühlsleben bezüglich Freya Angerer steht und auch von meinen Erektionsstörungen. Er ist mein bester Freund, mit ihm kann ich über alles sprechen. Er baut mich dann immer auf, wenn ich ihm verheult mein Leid klage und meint: „Das wird schon wieder.“

Ich hoffe so sehr, dass er recht behält, denn so langsam fängt es an weh zu tun. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch.

Zweimal musste ich in den letzten drei Tagen den Versuch, mir einen runterzuholen, erfolglos abbrechen. Jeder klägliche Versuch nährt die Angst, kein richtiger Mann mehr zu sein und jemals wieder eine Frau glücklich machen zu können. Manchmal ist der Druck in meinen geschwollenen Eiern kaum zu ertragen. Vor allem, wenn ich den ganzen Tag an den Schreibtisch gefesselt bin und die Hose meine unteren Regionen einengt, dann ist es besonders quälend und schmerzhaft.

Ich beneide alle Männer, die sich einfach auf eine Toilette stellen können und mit ein paar geübten Bewegungen eine stramme Latte aufbauen können. Manchmal sogar mit Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, dass sie, wann und wo immer sie wollen, sich erleichtern können. Egal, ob es darum geht, überschüssigen Druck loszuwerden, oder nur darum, eine aufkommende Geilheit zu befriedigen, oder spontan einen Quickie zu schieben.

Mir bleibt das seit Tina verwehrt. Ich bekomme keinen mehr hoch und wenn ich lange genug an meiner schrumpeligen Nudel herumspiele, dann kleckern ein paar armselige Tropfen auf meinen Bauch, die aber keine wirkliche Erlösung bringen. Danach ist der Schmerz in meinen Hoden oft nur noch größer. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mal wieder meinen steifen Schwanz in der Hand zu halten, das erregende Gefühl zu erleben, wenn ich gefühlvoll daran auf und ab reibe, bis ich endlich mal wieder richtig abspritzen kann. Gute 5 Monate kein steifer Penis, kein Samenerguss … hätte man mir das vor einem halben Jahr vorausgesagt, ich hätte lauthals losgelacht und demjenigen einen Vogel gezeigt.

-----

„Du musst dir was einfallen lassen, mein Bester.“ Gero und ich sitzen in der Mittagspause und plaudern.

„Ich weiß nicht. Ich würde sie ja gern wiedersehen. Aber was, wenn wir uns näher kommen. Wie stehe ich denn da, wenn sich bei mir nichts rührt.“

„Bis dahin ist es ja noch Zeit. Erstmal musst du sie wiedersehen. Das willst du doch oder?“

„Auf jeden Fall! Ich mag sie, Gero. Und es kribbelt im Bauch, wenn ich sie sehe. Ich träume sogar von ihr.“

„Alter, dich hat es erwischt, ist dir das klar?“

„Ach Blödsinn, ich bin doch nicht in sie verliebt.“

„Aber sowas von, glaub mir. Dir fällt ja sogar der Kugelschreiber aus der Hand, ohne dass du es merkst, wenn du an sie denkst. Wir brauchen eine Strategie. Dir kann geholfen werden, du musst dich nur öffnen. Sei mal wieder du selbst, der Leon, den ich kenne. Du warst doch sonst nicht so zurückhaltend.“

„Früher hatte ich auch kein Problem damit, einen Steifen zu kriegen.“

„Das liegt an dem Schock, den du bekommen hast. Das mit Tina ist ja auch noch frisch und hätte mich an deiner Stelle auch umgehauen. Ruf sie an, na los.“

„Und was soll ich ihr sagen?“

„Sag ihr, du brauchst eine Begleitung für den Friedhof, weil es dir dann immer so schlecht geht.“

„Und du denkst, das macht sie?“

„Ein Versuch ist es auf jeden Fall wert. Ich weiß, dass Psychologen sowas machen und sie hat es dir ja auch angeboten sie anzurufen, wenn irgendetwas ist. Du kannst nur gewinnen.“

„Wenn du meinst. Ich versuch’s heute Abend mal.“ In Gedanken mache ich mir Notizen dazu, was ich ihr sagen will,

suche nach passenden Worten und mir etwas Mut einzureden. Ein Whisky auf Eis wird mir nachher noch etwas die Aufregung nehmen.

----

„Hi Nadine, ist deine Mama da?“

„Nein, leider nicht, ist einkaufen gefahren.“

„Ach, Mist! Denkst du, sie würde mir den Gefallen tun, mich zum Friedhof zu begleiten? Als Trauerbegleitung?“

„Alter Schwede, du hast vielleicht schräge Ideen, sie um ein Date zu bitten. Wenn ich euch beide so sehe, denke ich, 

ich habe es mit Kindern zu tun und nicht mit Erwachsenen. Aber gut, ich frag sie nachher und dann kann sie dich ja 

anrufen. Wann sollte das denn passieren?“ Ich kann ihr hämisches Grinsen förmlich hören.

„Ich dachte an morgen oder übermorgen, gegen Abend. Wann es ihr am besten passt.“

„Sie wird es schon machen, da bin ich sicher. Sie spricht fast jeden Tag von dir, fragt mich aus, was wir so schreiben oder du noch was von dem Spaziergang gesagt hast.“

„Ok, mein bester Freund meinte auch schon, ich hätte mich verknallt. Aber ich glaube, er spinnt sich was zugange.“

Nadine lacht laut auf. „Ne, ne, dass tut er nicht. Ihr müsstet euch selbst mal sehen. Also, wenn ihr nicht füreinander bestimmt seid, fress ich n’Besen. Leon? Bitte nicht aufgeben, hörst du? Ihr seid das perfekte Paar, save. Gib euch eine Chance, ok?“

„Nun mal langsam, so ganz glaube ich noch nicht an die Liebe zwischen uns.“

„Was brauchst du denn noch für Informationen? Wie sie dich ansieht, ihr verträumter Blick, sie träumt von dir und noch vieles andere. Na ja, ich werd’s ihr sagen. Sie meldet sich, dafür sorge ich. Muss jetzt auch los. Ich drück dich, Ciao.“

Mit einem Knacken in der Leitung endet das Gespräch. Dieses Mädchen hat ein sonniges Gemüt. Viel zu oft zaubert sie mir ein liebevolles Lächeln ins Gesicht. Einfach nur so, zwischendurch. Es reicht schon, wenn ich an sie denke.

Hätte ich eine Tochter, ich würde sie mir genauso gewünscht haben. Perfekt ist sie nicht. Natürlich hat sie ihre Ecken und Kanten. Aber die haben wir schließlich alle. Sie kommt dem Idealbild einer Tochter schon sehr nahe. Sie benimmt sich viel erwachsener als Freya und ich.

Sie kommt mir vor wie ein süßer, kleiner Hund, der in einer zauberhaft gezeichneten Szene von Walt Disney, mit seiner Leine die Beine eines schüchtern-zurückhaltend, verliebten Pärchens umwickelt, damit sie sich näherkommen und unweigerlich küssen müssen.

Nadine ist das Bindeglied zwischen ihrer Mutter und mir. Sie sieht die Dinge, wie sie sind und führt uns in ihrer unkomplizierten Art zusammen. Sie ist im Kopf viel weiter als Freya und ich. Ich vermute, sie hat bereits eine klare Vorstellung von unserer gemeinsamen Zukunft zu dritt.

Freya: „Bitte dringend Leon anrufen – Notfall!!“ Ein großer Zettel mit dickem roten Rand prangt mitten an der Kühlschranktür, gehalten von zwei dicken Magneten an den Ecken. Unser Kühlschrank ist so etwas wie unsere interne Kommunikationszentrale.

„Was ist passiert? Leon mein Schatz, hoffentlich hast du keine Dummheiten gemacht.“, murmele ich aufgeregt vor mich hin, während ich mit zittrigen Fingern mein Handy suche.

Kurzwahl „Leon“, es klingelt. Dreimal, viermal … dann seine Mailbox: „Hallo, hier ist die Mailbox von …“

Himmel hilf, wieso geht er nicht ran. Meine Knie flattern. Hitze steigt in mir auf.

Viel zu aufgebracht wühle ich in den Krankenakten herum, die unter „erledigt“ einsortiert sind. Sa … Sc … So … St … Stolberg, endlich. Ich muss mir eine andere Ordnung überlegen. Habe ich seine Festnetznummer aufgeschrieben, oder die seiner Eltern? „Sie sind verbunden mit dem Anrufbeantworter von …“ Mist, hier komme ich auch nicht weiter. Der nächste Anruf, seine Mutter, völlig entspannt. „Ne, nichts von ihm gehört.“, sagt sie, „ist wohl einkaufen. Von Problemen weiß ich nichts.“

Die Anspannung treibt mich auf die Toilette. Ich musste schon im Einkaufscentrum so dringend. Alles ist unwichtig geworden, als ich den Zettel gelesen habe. Gleich geht es schief und ich mache mir in die Hose. Die ersten unvorsichtigen Tropfen sind schon drin.

Entgegen meiner Gewohnheiten nehme ich das Handy mit. Falls er anruft, ich darf das auf keinen Fall verpassen. Wenn er wieder einen Schub hat und auf dumme Ideen kommt … was, wenn ich zu spät komme, ich würde es mir niemals verzeihen.

Nadine hat sich für das Abendessen abgemeldet und mir ist der Appetit gründlich vergangen. Das ungute Gefühl in meinem Bauch wird nicht besser. ‚NOTFALL‘ hat sie geschrieben. Tausend Sachen gehen mir durch den Kopf. Der schlimmste Gedanke wäre ein neuer Selbstmordversuch. Er wird doch nicht etwa?

„Hallo, hier ist Leon …!“ Fast hätte ich mich vor Schreck an dem heißen Tee verschluckt und mir die Zunge verbrüht, als das Telefon klingelt.

„Leon, endlich, Gott sei Dank, du hast dir nichts angetan! Was bin ich froh!“ 

„Angetan? Wieso sollte ich mir etwas antun?“

„Nadine hat mir einen Zettel aufgeschrieben, ich müsse dich unbedingt anrufen, es gäbe einen Notfall.“

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2882

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben