Zwischen Tod und Auferstehung - Teil III

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Zwischen Tod und Auferstehung - Teil III

Zwischen Tod und Auferstehung - Teil III

Gero Hard

Freya: Autsch, das war eine astreine Klatsche. Da hätte er auch gleich sagen können, „verschwinde aus meinem Leben“. So fühlte es sich an, nachdem ich mich endlich getraut hatte, ihm meine Liebe zu gestehen. Und dann so eine Antwort.

Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Zugegeben, seine psychische Verfassung ließ bestimmt zu wünschen übrig, aber das entschuldigt auch nicht alles. Schon gar nicht sein blödes Geschwafel von wegen „ich möchte nicht, dass sich an unserer Verbindung etwas ändert“.

Was für ‘n Quatsch! Was glaubt er denn, dass ich einfach so wieder zur Tagesordnung übergehen kann? Im Leben nicht! Wenn er das wirklich gedacht haben sollte, dann hatte er sich in den Finger geschnitten.

Er gab sich wirklich Mühe und es war ja auch total süß, dass er mich zum Schuhe kaufen abholte. Dazu kam noch, dass er sich wirklich nicht lumpen ließ. Irgendwie fühlte ich mich verpflichtet, weiter gute Miene zum Spiel zu machen und den Tag in der Eisdiele ausklingen zu lassen. Aber wirklich Lust hatte ich keine mehr, nach seiner verbalen Ohrfeige. „Ich kann nicht.“, was war das für eine Aussage? Was kann er nicht, Nähe zulassen oder eine Beziehung eingehen? Kann er nicht verstehen, was in mir vorgeht? Also was genau kann er denn nicht?

Ach egal. Im Grunde hatte er alles falsch gemacht, was man nach so einem Geständnis falsch machen konnte.

Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein. Nadine riecht den Braten sofort und zieht mir jedes Wort aus der Nase. Nach zwanzig Minuten hat ihr Gemütszustand mindestens meinen Level erreicht, wenn nicht gar übertroffen. Wow, so sauer habe ich sie selten erlebt. Nicht mal meine neuen Schuhe will sie sich ansehen, weil sie ja von Leon sind. Achtlos bleiben sie im Karton und verschwinden sofort im Schuhschrank.

Den Abend verbringen wir zusammen auf dem Sofa, mit der flauschigen Decke über den Beinen und heulen gegenseitig um die Wette. „Der kriegt nachher erstmal einen Text von mir!“, ereifert sich Nadine wütend.

„Bringt doch nichts! Vielleicht ist es besser, wir beide versuchen ihn zu vergessen. Samstag braucht er gar nicht erst vorbeikommen, mir ist die Lust vergangen.“, erwidere ich traurig.

****

Die nächsten Tage sind voll mit Terminen. Ich bin froh über jede noch so kleine, willkommene Abwechslung. Und was der Terminkalender nicht füllt, übernimmt Nadine, die nicht von meiner Seite weicht. Sie weiß genau, wie es mir mit meinem Trennungsschmerz und meinem Liebeskummer geht, das hat sie alles schon mal mit mir mitgemacht. Seit Dienstagabend schläft sie bei mir und nimmt mich in den Arm, wenn ich mich in den Schlaf weine.

„Ob er wohl kommt?“

„Das soll er sich mal trauen! Keine Sorge Mutti, den wimmle ich schon ab.“

„Nadine, nun sei nicht unfair. Ich würde mir schon gern anhören, was er zu sagen hat. Wenn er denn überhaupt kommt.“

„Mich interessiert das nicht. Er hat dir, uns, weh getan und sich total mies verhalten.“

„Stimmt schon, aber ich krieg ihn dennoch nicht aus meinem Kopf.“

„Das merke ich selbst jeden Abend, aber mit der Zeit wird das schon.“

„Hoffentlich hast du recht, mein Engel. Auf jeden Fall werde ich nicht kochen, wie ich es ursprünglich vorhatte.“

Nadine und ich stürzen uns in die Hausarbeit. Ich selbst kümmere mich um den Behandlungsbereich, der vom Wohnbereich schalldicht und räumlich getrennt ist. Staubsaugen, wischen, aufräumen und desinfizieren, während

sich Nadine um das Bad in der Wohnung kümmert. Der Tag zieht sich, aber langweilig wird’s uns nicht.

****

Es klingelt. Gleichzeitig sehen Nadine und ich auf die Uhr. Strich 6, so wie ich ihn ursprünglich eingeladen hatte.

Scharf fährt Nadine ihn an. Wenn ich jetzt nicht eingreife, wimmelt sie ihn tatsächlich ab. „Lass ihn rein.“

Was dann kommt, könnte kein Drehbuch besser schreiben. Erst seine Entschuldigung, die mir unter die Haut geht. Stark von ihm, dass er sich auch bei Nadine entschuldigt. Seine Liebeserklärung, ähnlich schön wie die, die ich ihm machte.

Mein Herz gehört ihm ja schon lange. Die magnetischen Armbänder sind eine grandiose Idee, unserer Verbundenheit Ausdruck zu verleihen … … und die ganze Wut der letzten Tage ist schlagartig im Nichts verraucht.

Nadine hängt ihm schon lange am Hals, schmiegt sich an ihn, wie ich es vorher nie bei ihr gesehen hatte. Nicht mal, bei ihrem leiblichen Vater. Sie hatte Leon also längst verziehen, genau wie ich ihm schon automatisch verziehen hatte, als er vor ein paar Minuten im Flur stand.

Kann man diesem Mann weiter böse sein, der über seinen Schatten gesprungen und allen Zweifeln zum Trotz, uns seine Liebe gestanden hat? UNS wollte er zu seiner neuen Familie machen, hat er gesagt. Wie wunderschön. In eine neue Zukunft sollen WIR ihn begleiten, das war sein Wunsch und den will ich ihm gern erfüllen. Zu keiner Zeit nur ich und er, sondern immer ‚wir‘

****

Am Ende des Abends hatten wir fantastisch beim Italiener gegessen und leckeren Rotwein getrunken. Nadine durfte zur Feier des Tages auch ein Glas Vino. Keiner von uns durfte mehr Auto fahren.

Leon muss sich wie ein Hahn im Korb fühlen, während wir vor dem Lokal auf das Taxi warten. Ich habe mich dicht an ihn gedrückt und mich bei ihm untergehakt. Mein Kopf liegt vertraut auf seiner Schulter und meine andere Hand liegt wärmend unter seinem Oberarm.

Auf der anderen Seite Nadine, die sich ebenfalls seinen Arm geschnappt hat, um nicht leer auszugehen. Auch ihr Kopf

liegt auf seiner Schulter. Von außen betrachtet muss das ein herzergreifend-harmonisches Bild sein. Erst ich, dann Nadine, bekommen beide einen Kuss auf den Kopf. „Ich bin so unendlich glücklich und hoffe wirklich, dass ich euren Ansprüchen genügen kann.“

„Das schaffst du schon. Wir helfen dir.“, antwortet Nadine und spricht damit aus, was ich im gleichen Augenblick gedacht habe. Nadine sieht ihn an und ich sehe ihre Augen strahlen, wie ich das die letzten Jahre nicht mehr bei ihr gesehen hatte.

„Leon? Kann ich dich was fragen?“

„Logisch mein Engel, alles.“

„Weißt du, ich hatte nie einen richtigen Papa und auch keinen Vater. Und ich möchte auch jetzt nicht Papa zu dir sagen, wenn das in Ordnung für dich ist. Aber ich würde mich freuen, wenn du wie ein Vater für mich sein könntest, mit allen Vor- und Nachteilen, kriegst du das hin?“

Sie sieht ihn erwartungsvoll an. Meint völlig ernst, was sie ihn gerade gefragt hat. Nie hätte ich gedacht, dass das Bedürfnis nach einem Typen in der Vaterrolle für meine Tochter so gewaltig in ihr geschlummert hat.

Leon macht sich aus meinem Arm frei und dreht sich voll zu ihr, nimmt ihre Hände in seine und zieht sie fest an sich.

Längst kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Das ist so rührend, ihre Frage allein hat mich emotional werden lassen. Seine Reaktion, ebenso richtig wie schön:

„Nadine, ich weiß nicht, wie man als Vater sein muss. Und wenn du mir ein paar Fehler zugestehst, werde ich mich bemühen, dir einer zu sein. Und wenn du mir ein bisschen dabei hilfst, werden wir das schaffen. Und ich danke dir von ganzem Herzen, dass du dich so um mich und deine Mutter bemüht hast. Ich glaube, du warst die Einzige, die uns von Anfang an durchschaut hat. Du bist eine ganz wunderbare, tolle junge Frau. Und lass mich noch eines sagen: Ich bin stolz, dass ich dein Vater sein soll, dass du mich das gefragt hast, bedeutet mir wirklich sehr viel.“

Jetzt ist es ganz vorbei mit mir. Ich will in seinen Arm und darf das auch. Er schlingt seine Arme um unser beider Schultern. „Ich liebe dich.“, flüstere ich in sein Ohr und kann meine Tränen einfach nicht stoppen.

Alles wird gut, meine Engel. Ihr seid meine Prinzessinnen. Zusammen schaffen wir alles, oder?“ Ich vertraue meinem Bauchgefühl, dass mir genau das verrät.

„Nadine, du gehst nach vorn ins Taxi. Ich möchte mit Leon gern hinten sitzen.“

„Geht klar Mum, aber macht keine Dummheiten, ich bin noch nicht aufgeklärt.“ 

„Rotznase, das warst du schon mit 10.“

„War ’n Versuch.“

Leon hat seinen Arm um mich gelegt. Es hat was Beschützendes, in seinem Arm kann mir nichts passieren. Sein Herzschlag, so ruhig und gleichmäßig, völlig unaufgeregt. Er strahlt eine unfassbare Ruhe aus, die auf mich übergeht. Die ganze Fahrt über, höre ich seinem Herzen zu, habe meine Arme um seinen Bauch gelegt und würde ihn am liebsten nicht mehr loslassen. „Das war ein sehr schöner Abend, ich danke dir.“

Als Antwort küsst er mich lange. Ich bin gerade von meinen Gefühlen überwältigt. Nadine dreht sich zu uns um und grinst frech.

„Ihr seht toll zusammen aus.“, sagt sie laut.

„Danke, du Naseweis.“, flüstere ich und tupfe ihr mit einem liebevollen Lächeln auf die Nasenspitze.

****

„Schatz, ich hab dir eine neue Zahnbürste auf das Waschbecken gelegt und frische Handtücher findest du im Schrank 

neben der Tür.“

„Danke, mein Hase, ich geh dann mal.“

„Irgendwie schade, dass der Abend schon zu Ende ist.“ nörgelt Nadine und geht in ihr Zimmer.

Das Geräusch, mit dem die Haustür hinter uns ins Schloss fällt, ist wie ein Bruch in unserer Hochstimmung des Abends, sogar des Tages, was aber nichts an unserer Aufgeregtheit ändert. Viele Gedanken rotieren in meinem Kopf. Ich habe zum Beispiel über seinen Kopf hinweg bestimmt, dass er bei uns schläft und er hat mit keiner Silbe widersprochen.

Ist das nicht irgendwie ungewöhnlich, für die erste gemeinsame Nacht? Ob ich ihn bitten soll in meinem Bett zu schlafen? Schließlich sind wir erwachsen und es wird nichts passieren, was nicht von beiden gewollt ist. Oder ist es von vorn herein besser, wenn ich ihm auch hier die Entscheidung abnehme und sein Bett auf der Couch herrichte? Man kann gut auf ihr schlafen, das konnte ich unzählige Male selbst testen. Ich müsste nicht mal ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich eine gewisse Distanz zwischen uns für angebracht halte.

„Ich hole dann schon mal dein Bettzeug.“, informiere ich ihn. Sein Blick bleibt offen, freundlich und voller Zuneigung. Keine Spur von Traurigkeit zu erkennen, weil ich ihn sozusagen ‚ausquartiert‘ habe. Kein Versuch mich umzustimmen und ihm doch, natürlich nur aus purem Mitleid, einen Platz in meinem Bett anzubieten. Ich hätte sogar verstanden,

wenn er sich auf gewisse Art ausgegrenzt gefühlt hätte. Aber er gibt mir keinen Grund an meiner Entscheidung zu zweifeln und gehe deshalb in mein Schlafzimmer, rolle ein Kissen in eine Decke ein und richte ihm sein Bett auf der Couch.

Ich höre ihn im Bad, wie er sich die Zähne schrubbt und leise ein Lied vor sich hin summt. Ich lege ein Ohr an die Tür und höre ihm zu. Dazu lege ich eine Hand auf das Türblatt, als würde ich sie auf seine Brust legen.

Ich kann mein Glück kaum fassen, diesen Mann meinen Freund, meinen Schatz und mein Liebling nennen zu dürfen,

ihn meinen Freundinnen vorstellen zu dürfen und ein gemeinsames Bild von uns als mein WhatsApp-Profilbild zu posten.

Schnell verschwinde ich von der Tür, sein Summen hat aufgehört. Als würde ich die Decke ein letztes Mal zurechtzupfen, erwarte ich ihn in der Stube. Seine Hose und sein Hemd über dem Arm, die Schuhe in der Hand, kommt er auf mich zu … endlich darf ich ihn wieder in den Arm nehmen. Nur mit T-Shirt und Boxershorts, so wenig hatte er in meiner Gegenwart noch nie an. Hhmmm … lecker, der Anblick. Sein Geruch, jetzt zu einer Kombination aus Eau des Parfum und natürlichem Körpergeruch, angereichert mit einer gehörigen Portion Testosteron.

Hast du alles gefunden und ist alles ok, mein Schatz?“ 

„Alles bestens, mein Hase. Ich fühle mich super und irgendwie erleichtert.“

„So geht es mir auch. Ich wünsche dir eine gute Nacht. Schlaf schön und träum was Schönes. Und wenn was ist, du weißt, wo du mich findest.“

Dicht stehen wir voreinander. Unsere Lippen finden sich zu einem zärtlichen Kuss. Mein Körper drückt sich an ihn und meine Arme zwingen ihn an mich.

„Schlaf gut.“, haucht er mir entgegen und gibt mir einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor er sich von mir löst und sich unter die Decke schiebt.

Ein heimlicher Blick nach unten … wieder nicht den Hauch einer beginnenden Erektion. Mein Ex hatte schon einen Steifen, wenn ich in Leggins das Haus geputzt habe. Und Leon reagiert null Komma nichts auf meine körperlichen Reize, die ich ihm überdeutlich anbiete.

„Ich liebe dich.“, hauche ich ihm heute zum gefühlt 20zigsten Mal zu und gehe ins Bad um mich für die Nacht fertig zu machen.

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Die Liebe fragt nicht, sie ist einfach da!

schreibt ulriketyress@gmail.com

'Der schlimmste Abschied ist der, wenn man einen Menschen zuletzt sieht und es nicht weiß!' Lieber Gero Hard, lassen Sie mich Ihnen danken für diese Berg- und Talfahrt der Emotionen! Selten hat mich eine Geschichte so miterleben lassen, wie diese! Sicherlich haben Sie sich an ein heikles Thema gewagt. In der Zeit von Corona geschehen Dinge, die sich niemand wünscht. Einen geliebten Menschen auf diese Art zu verlieren, ihn in der Not allein lassen zu müssen, lässt einen doch nie wieder los! Doch Sie haben es in Ihrer feinfühligen Art geschafft, dueser Geschichte wieder eine positive Wendung zu geben. Nicht zuletzt durch die 'kodderige' Art von Nadine bekommt die G. eine humorvolle Seite. Durch die Liebe zu Freya durchlebte Leon 'die Auferstehung'! Nicht nur in sexueller Hinsicht, sondern er hatte wieder Spaß am Leben, Mut sich dem Neuen zu stellen und Hoffnung in die Zukunft. Danke, lieber Gero für die Zeit, in der ich in eine andere Welt abtauchen durfte. Ihre Vivien H.

Sehr schön und total glaubhaft

schreibt HansG

Ich habe lange keine so schöne und glaubhafte erotische Geschichte mehr gelesen. Weiter so, lieber Autor!

Gedichte auf den Leib geschrieben