Sehen

Hinterhof

Mario van Meyden

Berlin 19.04.2010

Bei offenem Fenster lieg ich und lausche dem Beischlaf der Nachbarn.

Er klingt nach Hahn - bedacht auf Kraft und Dominanz.
Irgendwann wird er inbrünstiger, aber wenig
dynamisch,
immer in der gleichen Tonlage, wie Onkel Tom, der so gerne
blonde Jungfrauen liebte. Sportiv, leicht angestrengt wegen der wackeligen Erektion, aber beweglich, hofft er aus
Tradition
auf ihr baldiges Kommen.

Sie ist zuerst ganz leise. Es ist,
als nähme sie seine Stöße wie ein stolzer, aber
chancenloser Boxer und versucht, sich nichts anmerken zu lassen.
Aber irgendwann beginnt sie, zu hoffen. Genuss schleicht sich in ihr
pflichtgemäßes
Stöhnen. Seine Erektion scheint zu halten.
Sie wird lauter.

Leise Schreie schon, ein wenig Wimmern, und
ein noch keusches Ja!
Sie ist nun voller Feuer,
ruft seinen Namen,
laut, so laut sie kann.

Plötzlich Totenstille…

Dann sein krächzendes Ende, 5 sekundenlang.

Die Totenstille bleibt.

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