Sehen

Homo Erectus 1

André Pfoertner

Dunkelgrünes Blätterdach
Hellgrün sonnenlichtgesprenkelt –
Vogelrufe tausendfach –
Regenwälder dunstumschenkelt.
Blätter: rund, geädert und mit Zacken.
Glucksen hört man’s hier, dort knacken,
Und vom weiten Waldrand spannen
Ströme Wassernetze auf Savannen.

Olduvai –
Urgeschrei.

Vulkanisch –
Afrikanisch.

Vor rund 230.000 Jahren –
Als der Menschheit Vor-Vorfahren
Noch nackte Jäger-Sammler waren,
Da lebten sie, die damals schon bipeden
Hominiden in der Waldlandschaft am See.
Heute nennt man diesen Garten »Eden«
(Jenseits aber von dem biblischen Klischee).

An jedem dieser Tage ist es schwül –
Die Grillen zirpen schrill im Hitzetakt –
Der Schweiß tropft immer für das gleiche Ziel:
Im Balzrausch girrt ein Vogel nach dem Akt!

An dem erwähnten See im Pleistozän
(Sein Wasser leuchtet himmlisch in Azur)
Stehn ebenhölzern busenschön
Als Wunderwerke der Natur,
Mit bloßen Körpern hüftig breit,
Die Frauen der Vergangenheit.
Zur Feier der Geschlechterdifferenz
Und reduziert auf ihre »nackte Existenz«
Hüllt jede sich in meterlanges Haar –
Homo erectus-Frauen, digambar.
Wie funkelt ihre Haut in schwarzen Bränden,
Wenn sie im Sonnenlicht sich wenden.
Im Tragetuch aus Tierhaut hängt geborgen
Bei einigen ein Kind auch früh am Morgen.
Nervös sehn dies von ferne die Gazellen,
Es drängt sie, diese Wasserplätze zu ergattern,
Wo Schmetterlinge längs zum Ufer flattern;
Es schweben überm Wasser die Libellen,

Fülle –

Idylle!

Hominiden –

Frieden!

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