Sehen

Homo Erectus 5

André Pfoertner

Um dieser Stille zu entkommen, und den Flammen,
Nimmt Shakti ihren ganzen Mut zusammen.
Mit fruchtbar-hoher Stimme haucht sie sanft: »Ma-no!«
Dies Urwort meint in erster Linie »Mann«.
Doch wer nur 150 Worte sprechen kann,
Will damit mehr ausdrücken. Sowieso!
Zum Beispiel einfach nur »hallo«,
Wohl auch: »Was macht mich unser Treffen froh«,
Vielleicht gar: »Mann, sieh her, mein schöner Po.«
»Ich bin so heiß! Brenn lichterloh.«
Und auch: »Verliern wir keine Zeit! Let’s go!«
Doch einerlei – sie haucht: »Ma-no!«
Mit Allem, was das kurze Wörtchen »Mann«
An Schönem, Intensivem meinen kann.
Mit einer Stimme …! Die beruhigt zwar ein Kind,
Doch Männerblut bringt sie in Wallung ganz geschwind.

Die Lider springen auf. Und Shakti trifft ein hanfgetrübter Blick,
Der durch sie durchsieht, fast mit körperlicher Wucht.
Sie zuckt zusammen – »Hhhhh!« – ein Schritt zurück –
Und denkt reflexgesteuert gleich an Flucht.
Die Nerven angespannt, verlagert sie’s Gewicht auf ihre Ballen.
Doch ist sie ehrlich zu sich selber (dann und wann):
Sie wird nicht fliehen so kurz vor dem Ziel.
Sie möcht ja spielen das Verführungsspiel,
Denn längstens ist sie diesem Mann verfallen.

Seinem Körper, dass er Feuer machen kann –
Ja einfach Allem!
In Höhlenfinsternis und stickig-heißer Luft
Ist zwischen Sein und Schein sehr klein die Kluft.
Und Shiva, oft geneigt dem Hanf zu frönen,
Damit sich sein Bewusstsein weite
Und visionär ins Jenseits gleite,
Muss an des Diesseits Anblick sich gewöhnen
(Das kommt davon, sich zuzudröhnen!),
Erst jetzt wird er gewahr der schwarzen Schönen.
Auf Augenhöhe – eben da –
Bringt ihm der Menschheit Ursprung nah:
Die Schamhaarform von Afrika.
Ein sisaldichtes, federnd sattes Vlies,
Bedeckt das Tor zum Paradies.
Der Lebenszweck,
Das Urdreieck,
Wo alle Kraft zusammenfließt,
Die Lebensquelle sich ergießt.
Er zittert, denn –
Nach Meditieren und Askesen
Sieht er seit langer Zeit ein weiblich-weiches Wesen.

»Boah,
Kuna!«

Entfährt’s ihm unwillkürlich expressiv –
Das ist der Ruf, der eine Kuh betört!
Der Stentor eines Stieres: laut und tief –
Und rauchig, wie’s sich für den Feuer-Mann gehört.
Ist sie Satī? »die-Frau-die-ist« und nicht mehr ist?
Verführerisch wie jene Schöne, die er so vermisst?
Die sanft ihn lockt: »Komm her, berühr mich, spüre,
dass du bist!«
Mit langen Wimpern dunkler Art.
Wie rund die Hüfte, Haut ganz zart,
Steiß gelenkig, beckenschwingend,
Prallgesäßig, Freuden bringend?
Er glotzt erstaunt: Ist’s Illusion? Ist’s echt?

Was tun? Hypnotisiert starrt er ihr aufs Geschlecht.
Verwirrt ist Shakti und beschämt,
Steht da deswegen wie gelähmt.

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